Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bücher, Karl: Die Entstehung der Volkswirtschaft. Sechs Vorträge. Tübingen, 1893.

Bild:
<< vorherige Seite

der Berufsbildung die volkswirtschaftliche Arbeitsteilung
beginnt, so bewegt sie sich noch lange in Formen, denen
man die Absicht anmerkt, den Tausch möglichst auszuschließen.
Der Bauer der alten Zeit mahlt sein Getreide auf der
Handmühle und seine Frau backt aus dem so erzeugten
Mehle das Brot. Nachdem sich die Gewerbe des Müllers
und des Bäckers gebildet haben, wird das Getreide dem
Müller zum Vermahlen hinausgegeben und der Bäcker erhält
darauf das Mehl, um Brot daraus herzustellen. Vom Roh-
material bis zum fertigen Produkt wechselt das neu ent-
stehende Gebrauchsgut niemals seinen Eigentümer. Für
ihre Mühe werden Müller und Bäcker mit einem Teile
ihres Produkts abgefunden, den sie zurückbehalten. Das
ist in dem ganzen arbeitsteiligen Produktionsprozeß der
einzige tauschähnliche Vorgang.

Man erkennt daraus leicht, daß jener angebliche Tausch-
trieb des Adam Smith nur ein Auskunftsmittel der Ver-
legenheit ist. Wir können uns näheres Eingehen auf diesen
Punkt um so eher ersparen, als die neueren Nationalökonomen
darin ihrem englischen Meister nicht gefolgt sind. Die letzteren
sind eher geneigt, den Tausch als die unbeabsichtigte Folge
der Arbeitsteilung anzusehen, und wir können dies mit der
Einschränkung gelten lassen, daß der Tausch bei geteilter
Arbeit zur Notwendigkeit wird, wenn der Produzent zu-
gleich Eigentümer aller Produktionsmittel ist. Er wird
dann zum Lebenselement jeder Wirtschaft und jeder Fort-
schritt der Arbeitsteilung vermehrt von diesem Punkte ab

der Berufsbildung die volkswirtſchaftliche Arbeitsteilung
beginnt, ſo bewegt ſie ſich noch lange in Formen, denen
man die Abſicht anmerkt, den Tauſch möglichſt auszuſchließen.
Der Bauer der alten Zeit mahlt ſein Getreide auf der
Handmühle und ſeine Frau backt aus dem ſo erzeugten
Mehle das Brot. Nachdem ſich die Gewerbe des Müllers
und des Bäckers gebildet haben, wird das Getreide dem
Müller zum Vermahlen hinausgegeben und der Bäcker erhält
darauf das Mehl, um Brot daraus herzuſtellen. Vom Roh-
material bis zum fertigen Produkt wechſelt das neu ent-
ſtehende Gebrauchsgut niemals ſeinen Eigentümer. Für
ihre Mühe werden Müller und Bäcker mit einem Teile
ihres Produkts abgefunden, den ſie zurückbehalten. Das
iſt in dem ganzen arbeitsteiligen Produktionsprozeß der
einzige tauſchähnliche Vorgang.

Man erkennt daraus leicht, daß jener angebliche Tauſch-
trieb des Adam Smith nur ein Auskunftsmittel der Ver-
legenheit iſt. Wir können uns näheres Eingehen auf dieſen
Punkt um ſo eher erſparen, als die neueren Nationalökonomen
darin ihrem engliſchen Meiſter nicht gefolgt ſind. Die letzteren
ſind eher geneigt, den Tauſch als die unbeabſichtigte Folge
der Arbeitsteilung anzuſehen, und wir können dies mit der
Einſchränkung gelten laſſen, daß der Tauſch bei geteilter
Arbeit zur Notwendigkeit wird, wenn der Produzent zu-
gleich Eigentümer aller Produktionsmittel iſt. Er wird
dann zum Lebenselement jeder Wirtſchaft und jeder Fort-
ſchritt der Arbeitsteilung vermehrt von dieſem Punkte ab

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0162" n="140"/>
der Berufsbildung die volkswirt&#x017F;chaftliche Arbeitsteilung<lb/>
beginnt, &#x017F;o bewegt &#x017F;ie &#x017F;ich noch lange in Formen, denen<lb/>
man die Ab&#x017F;icht anmerkt, den Tau&#x017F;ch möglich&#x017F;t auszu&#x017F;chließen.<lb/>
Der Bauer der alten Zeit mahlt &#x017F;ein Getreide auf der<lb/>
Handmühle und &#x017F;eine Frau backt aus dem &#x017F;o erzeugten<lb/>
Mehle das Brot. Nachdem &#x017F;ich die Gewerbe des Müllers<lb/>
und des Bäckers gebildet haben, wird das Getreide dem<lb/>
Müller zum Vermahlen hinausgegeben und der Bäcker erhält<lb/>
darauf das Mehl, um Brot daraus herzu&#x017F;tellen. Vom Roh-<lb/>
material bis zum fertigen Produkt wech&#x017F;elt das neu ent-<lb/>
&#x017F;tehende Gebrauchsgut niemals &#x017F;einen Eigentümer. Für<lb/>
ihre Mühe werden Müller und Bäcker mit einem Teile<lb/>
ihres Produkts abgefunden, den &#x017F;ie zurückbehalten. Das<lb/>
i&#x017F;t in dem ganzen arbeitsteiligen Produktionsprozeß der<lb/>
einzige tau&#x017F;chähnliche Vorgang.</p><lb/>
          <p>Man erkennt daraus leicht, daß jener angebliche Tau&#x017F;ch-<lb/>
trieb des Adam Smith nur ein Auskunftsmittel der Ver-<lb/>
legenheit i&#x017F;t. Wir können uns näheres Eingehen auf die&#x017F;en<lb/>
Punkt um &#x017F;o eher er&#x017F;paren, als die neueren Nationalökonomen<lb/>
darin ihrem engli&#x017F;chen Mei&#x017F;ter nicht gefolgt &#x017F;ind. Die letzteren<lb/>
&#x017F;ind eher geneigt, den Tau&#x017F;ch als die unbeab&#x017F;ichtigte Folge<lb/>
der Arbeitsteilung anzu&#x017F;ehen, und wir können dies mit der<lb/>
Ein&#x017F;chränkung gelten la&#x017F;&#x017F;en, daß der Tau&#x017F;ch bei geteilter<lb/>
Arbeit zur Notwendigkeit wird, wenn der Produzent zu-<lb/>
gleich Eigentümer aller Produktionsmittel i&#x017F;t. Er wird<lb/>
dann zum Lebenselement jeder Wirt&#x017F;chaft und jeder Fort-<lb/>
&#x017F;chritt der Arbeitsteilung vermehrt von die&#x017F;em Punkte ab<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[140/0162] der Berufsbildung die volkswirtſchaftliche Arbeitsteilung beginnt, ſo bewegt ſie ſich noch lange in Formen, denen man die Abſicht anmerkt, den Tauſch möglichſt auszuſchließen. Der Bauer der alten Zeit mahlt ſein Getreide auf der Handmühle und ſeine Frau backt aus dem ſo erzeugten Mehle das Brot. Nachdem ſich die Gewerbe des Müllers und des Bäckers gebildet haben, wird das Getreide dem Müller zum Vermahlen hinausgegeben und der Bäcker erhält darauf das Mehl, um Brot daraus herzuſtellen. Vom Roh- material bis zum fertigen Produkt wechſelt das neu ent- ſtehende Gebrauchsgut niemals ſeinen Eigentümer. Für ihre Mühe werden Müller und Bäcker mit einem Teile ihres Produkts abgefunden, den ſie zurückbehalten. Das iſt in dem ganzen arbeitsteiligen Produktionsprozeß der einzige tauſchähnliche Vorgang. Man erkennt daraus leicht, daß jener angebliche Tauſch- trieb des Adam Smith nur ein Auskunftsmittel der Ver- legenheit iſt. Wir können uns näheres Eingehen auf dieſen Punkt um ſo eher erſparen, als die neueren Nationalökonomen darin ihrem engliſchen Meiſter nicht gefolgt ſind. Die letzteren ſind eher geneigt, den Tauſch als die unbeabſichtigte Folge der Arbeitsteilung anzuſehen, und wir können dies mit der Einſchränkung gelten laſſen, daß der Tauſch bei geteilter Arbeit zur Notwendigkeit wird, wenn der Produzent zu- gleich Eigentümer aller Produktionsmittel iſt. Er wird dann zum Lebenselement jeder Wirtſchaft und jeder Fort- ſchritt der Arbeitsteilung vermehrt von dieſem Punkte ab

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/buecher_volkswirtschaft_1893
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/buecher_volkswirtschaft_1893/162
Zitationshilfe: Bücher, Karl: Die Entstehung der Volkswirtschaft. Sechs Vorträge. Tübingen, 1893, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buecher_volkswirtschaft_1893/162>, abgerufen am 21.11.2024.