durch dieselbe bedingte geistige Niveau, um die durch die Be- rufsstellung erzeugte Lebensauffassung und Willensrichtung.
Nach der letzten Seite ist in der Dichtung seit Shake- speares Wintermärchen das Problem oft behandelt worden, gewöhnlich so, daß man Erziehungseinflüsse wirksam werden läßt, die dem Charakter und den Lebensverhältnissen der Eltern entgegengesetzt sind. Die Ansichten über den Aus- gang haben im Laufe des letzten Jahrhunderts vielfach gewechselt, und es wäre gewiß eine lohnende Aufgabe für einen Litterarhistoriker, die Abhängigkeit der Dichtung vom Zeitgeiste und von der Lebensstellung der Dichter an diesem Erziehungs- und Vererbungs-Problem näher zu untersuchen 1). Während Lindau ("Gräfin Lea") die Tochter des Wucherers, trotz der väterlichen Erziehung, zu einem Ausbund von Edelsinn werden läßt, bleibt in einem Roman von Arsene Houssaye (Les trois Duchesses) von drei gleich nach der Geburt verwechselten Kindern der Sohn der Bäuerin an Verstand und Sinnesart ein Bauer, obwohl er als Prinz erzogen wird, die Tochter der leichtsinnigen Schauspielerin wird zur Courtisane, und die Tochter der Herzogin zeigt auch in niederer Umgebung die angeborene Hoheit der Gesinnung.
Auch in der ernsteren Litteratur ist die Frage vielfach gestreift worden. Noch vor kurzem hat W. H. Riehl
1) Die neueste Behandlung desselben findet man in Ludwig Ganghofer's Roman "Der Klosterjäger." Stuttgart 1893. Sie ist so gesund und feinsinnig wie kaum eine andere.
durch dieſelbe bedingte geiſtige Niveau, um die durch die Be- rufsſtellung erzeugte Lebensauffaſſung und Willensrichtung.
Nach der letzten Seite iſt in der Dichtung ſeit Shake- ſpeares Wintermärchen das Problem oft behandelt worden, gewöhnlich ſo, daß man Erziehungseinflüſſe wirkſam werden läßt, die dem Charakter und den Lebensverhältniſſen der Eltern entgegengeſetzt ſind. Die Anſichten über den Aus- gang haben im Laufe des letzten Jahrhunderts vielfach gewechſelt, und es wäre gewiß eine lohnende Aufgabe für einen Litterarhiſtoriker, die Abhängigkeit der Dichtung vom Zeitgeiſte und von der Lebensſtellung der Dichter an dieſem Erziehungs- und Vererbungs-Problem näher zu unterſuchen 1). Während Lindau („Gräfin Lea“) die Tochter des Wucherers, trotz der väterlichen Erziehung, zu einem Ausbund von Edelſinn werden läßt, bleibt in einem Roman von Arſène Houſſaye (Les trois Duchesses) von drei gleich nach der Geburt verwechſelten Kindern der Sohn der Bäuerin an Verſtand und Sinnesart ein Bauer, obwohl er als Prinz erzogen wird, die Tochter der leichtſinnigen Schauſpielerin wird zur Courtiſane, und die Tochter der Herzogin zeigt auch in niederer Umgebung die angeborene Hoheit der Geſinnung.
Auch in der ernſteren Litteratur iſt die Frage vielfach geſtreift worden. Noch vor kurzem hat W. H. Riehl
1) Die neueſte Behandlung deſſelben findet man in Ludwig Ganghofer’s Roman „Der Kloſterjäger.“ Stuttgart 1893. Sie iſt ſo geſund und feinſinnig wie kaum eine andere.
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durch dieſelbe bedingte geiſtige Niveau, um die durch die Be-
rufsſtellung erzeugte Lebensauffaſſung und Willensrichtung.
Nach der letzten Seite iſt in der Dichtung ſeit Shake-
ſpeares Wintermärchen das Problem oft behandelt worden,
gewöhnlich ſo, daß man Erziehungseinflüſſe wirkſam werden
läßt, die dem Charakter und den Lebensverhältniſſen der
Eltern entgegengeſetzt ſind. Die Anſichten über den Aus-
gang haben im Laufe des letzten Jahrhunderts vielfach
gewechſelt, und es wäre gewiß eine lohnende Aufgabe für
einen Litterarhiſtoriker, die Abhängigkeit der Dichtung vom
Zeitgeiſte und von der Lebensſtellung der Dichter an dieſem
Erziehungs- und Vererbungs-Problem näher zu unterſuchen 1).
Während Lindau („Gräfin Lea“) die Tochter des Wucherers,
trotz der väterlichen Erziehung, zu einem Ausbund von
Edelſinn werden läßt, bleibt in einem Roman von Arſène
Houſſaye (Les trois Duchesses) von drei gleich nach der
Geburt verwechſelten Kindern der Sohn der Bäuerin an
Verſtand und Sinnesart ein Bauer, obwohl er als Prinz
erzogen wird, die Tochter der leichtſinnigen Schauſpielerin
wird zur Courtiſane, und die Tochter der Herzogin zeigt
auch in niederer Umgebung die angeborene Hoheit der
Geſinnung.
Auch in der ernſteren Litteratur iſt die Frage vielfach
geſtreift worden. Noch vor kurzem hat W. H. Riehl
1) Die neueſte Behandlung deſſelben findet man in Ludwig
Ganghofer’s Roman „Der Kloſterjäger.“ Stuttgart 1893. Sie
iſt ſo geſund und feinſinnig wie kaum eine andere.
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Bücher, Karl: Die Entstehung der Volkswirtschaft. Sechs Vorträge. Tübingen, 1893, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buecher_volkswirtschaft_1893/171>, abgerufen am 16.02.2025.
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