Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bücher, Karl: Die Entstehung der Volkswirtschaft. Sechs Vorträge. Tübingen, 1893.

Bild:
<< vorherige Seite

periodisch erscheint. Allein beides sind keine wesentlichen
Merkmale der Zeitung als Nachrichtenpublikationsmittel;
ja wir werden nachher sehen, daß die Urzeitung, aus der
jenes mächtige moderne Verkehrsmittel hervorgegangen ist,
weder gedruckt war noch periodisch erschien, sondern daß
sie dem Briefe noch sehr nahe stand, ja fast gar nicht von
demselben zu unterscheiden war. Allerdings liegt das Wieder-
erscheinen in kurzen Zeitfristen in der Natur der Nach-
richtenpublikation. Denn Nachrichten haben nur Wert, so-
lange sie neu sind, und um ihnen den Reiz der Neuheit
zu erhalten, muß die Veröffentlichung derselben den Ereig-
nissen auf dem Fuße folgen. Wir werden jedoch bald
sehen, daß die Periodizität dieser Zeitfristen, soweit sie
im Kindesalter des Zeitungswesens hervortritt, auf der
Periodizität der Nachrichtentransportgelegenheiten beruhte,
keineswegs aber mit der eigentlichen Natur der Zeitung
zusammenhing.

Die regelmäßige Sammlung und Versendung von Nach-
richten setzt ein räumlich weit verbreitetes Interesse an den
öffentlichen Dingen oder ein größeres Verkehrsgebiet mit
zahlreichen wirtschaftlichen Beziehungen und Interessenver-
knüpfungen voraus oder beides zugleich. Ein solches Interesse
aber bildet sich erst, wenn die Menschen durch ein größeres
Staatswesen zu einer gewissen Gemeinsamkeit der Lebens-
schicksale verbunden sind. Die antiken Stadtrepubliken be-
durften keiner Zeitung; ihre gesamten Publikationsbedürf-
nisse konnten durch den Herold und gelegentlich durch In-

periodiſch erſcheint. Allein beides ſind keine weſentlichen
Merkmale der Zeitung als Nachrichtenpublikationsmittel;
ja wir werden nachher ſehen, daß die Urzeitung, aus der
jenes mächtige moderne Verkehrsmittel hervorgegangen iſt,
weder gedruckt war noch periodiſch erſchien, ſondern daß
ſie dem Briefe noch ſehr nahe ſtand, ja faſt gar nicht von
demſelben zu unterſcheiden war. Allerdings liegt das Wieder-
erſcheinen in kurzen Zeitfriſten in der Natur der Nach-
richtenpublikation. Denn Nachrichten haben nur Wert, ſo-
lange ſie neu ſind, und um ihnen den Reiz der Neuheit
zu erhalten, muß die Veröffentlichung derſelben den Ereig-
niſſen auf dem Fuße folgen. Wir werden jedoch bald
ſehen, daß die Periodizität dieſer Zeitfriſten, ſoweit ſie
im Kindesalter des Zeitungsweſens hervortritt, auf der
Periodizität der Nachrichtentransportgelegenheiten beruhte,
keineswegs aber mit der eigentlichen Natur der Zeitung
zuſammenhing.

Die regelmäßige Sammlung und Verſendung von Nach-
richten ſetzt ein räumlich weit verbreitetes Intereſſe an den
öffentlichen Dingen oder ein größeres Verkehrsgebiet mit
zahlreichen wirtſchaftlichen Beziehungen und Intereſſenver-
knüpfungen voraus oder beides zugleich. Ein ſolches Intereſſe
aber bildet ſich erſt, wenn die Menſchen durch ein größeres
Staatsweſen zu einer gewiſſen Gemeinſamkeit der Lebens-
ſchickſale verbunden ſind. Die antiken Stadtrepubliken be-
durften keiner Zeitung; ihre geſamten Publikationsbedürf-
niſſe konnten durch den Herold und gelegentlich durch In-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0196" n="174"/>
periodi&#x017F;ch er&#x017F;cheint. Allein beides &#x017F;ind keine we&#x017F;entlichen<lb/>
Merkmale der Zeitung als Nachrichtenpublikationsmittel;<lb/>
ja wir werden nachher &#x017F;ehen, daß die Urzeitung, aus der<lb/>
jenes mächtige moderne Verkehrsmittel hervorgegangen i&#x017F;t,<lb/>
weder gedruckt war noch periodi&#x017F;ch er&#x017F;chien, &#x017F;ondern daß<lb/>
&#x017F;ie dem Briefe noch &#x017F;ehr nahe &#x017F;tand, ja fa&#x017F;t gar nicht von<lb/>
dem&#x017F;elben zu unter&#x017F;cheiden war. Allerdings liegt das Wieder-<lb/>
er&#x017F;cheinen in kurzen Zeitfri&#x017F;ten in der Natur der Nach-<lb/>
richtenpublikation. Denn Nachrichten haben nur Wert, &#x017F;o-<lb/>
lange &#x017F;ie neu &#x017F;ind, und um ihnen den Reiz der Neuheit<lb/>
zu erhalten, muß die Veröffentlichung der&#x017F;elben den Ereig-<lb/>
ni&#x017F;&#x017F;en auf dem Fuße folgen. Wir werden jedoch bald<lb/>
&#x017F;ehen, daß die Periodizität die&#x017F;er Zeitfri&#x017F;ten, &#x017F;oweit &#x017F;ie<lb/>
im Kindesalter des Zeitungswe&#x017F;ens hervortritt, auf der<lb/>
Periodizität der Nachrichtentransportgelegenheiten beruhte,<lb/>
keineswegs aber mit der eigentlichen Natur der Zeitung<lb/>
zu&#x017F;ammenhing.</p><lb/>
          <p>Die regelmäßige Sammlung und Ver&#x017F;endung von Nach-<lb/>
richten &#x017F;etzt ein räumlich weit verbreitetes Intere&#x017F;&#x017F;e an den<lb/>
öffentlichen Dingen oder ein größeres Verkehrsgebiet mit<lb/>
zahlreichen wirt&#x017F;chaftlichen Beziehungen und Intere&#x017F;&#x017F;enver-<lb/>
knüpfungen voraus oder beides zugleich. Ein &#x017F;olches Intere&#x017F;&#x017F;e<lb/>
aber bildet &#x017F;ich er&#x017F;t, wenn die Men&#x017F;chen durch ein größeres<lb/>
Staatswe&#x017F;en zu einer gewi&#x017F;&#x017F;en Gemein&#x017F;amkeit der Lebens-<lb/>
&#x017F;chick&#x017F;ale verbunden &#x017F;ind. Die antiken Stadtrepubliken be-<lb/>
durften keiner Zeitung; ihre ge&#x017F;amten Publikationsbedürf-<lb/>
ni&#x017F;&#x017F;e konnten durch den Herold und gelegentlich durch In-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[174/0196] periodiſch erſcheint. Allein beides ſind keine weſentlichen Merkmale der Zeitung als Nachrichtenpublikationsmittel; ja wir werden nachher ſehen, daß die Urzeitung, aus der jenes mächtige moderne Verkehrsmittel hervorgegangen iſt, weder gedruckt war noch periodiſch erſchien, ſondern daß ſie dem Briefe noch ſehr nahe ſtand, ja faſt gar nicht von demſelben zu unterſcheiden war. Allerdings liegt das Wieder- erſcheinen in kurzen Zeitfriſten in der Natur der Nach- richtenpublikation. Denn Nachrichten haben nur Wert, ſo- lange ſie neu ſind, und um ihnen den Reiz der Neuheit zu erhalten, muß die Veröffentlichung derſelben den Ereig- niſſen auf dem Fuße folgen. Wir werden jedoch bald ſehen, daß die Periodizität dieſer Zeitfriſten, ſoweit ſie im Kindesalter des Zeitungsweſens hervortritt, auf der Periodizität der Nachrichtentransportgelegenheiten beruhte, keineswegs aber mit der eigentlichen Natur der Zeitung zuſammenhing. Die regelmäßige Sammlung und Verſendung von Nach- richten ſetzt ein räumlich weit verbreitetes Intereſſe an den öffentlichen Dingen oder ein größeres Verkehrsgebiet mit zahlreichen wirtſchaftlichen Beziehungen und Intereſſenver- knüpfungen voraus oder beides zugleich. Ein ſolches Intereſſe aber bildet ſich erſt, wenn die Menſchen durch ein größeres Staatsweſen zu einer gewiſſen Gemeinſamkeit der Lebens- ſchickſale verbunden ſind. Die antiken Stadtrepubliken be- durften keiner Zeitung; ihre geſamten Publikationsbedürf- niſſe konnten durch den Herold und gelegentlich durch In-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/buecher_volkswirtschaft_1893
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/buecher_volkswirtschaft_1893/196
Zitationshilfe: Bücher, Karl: Die Entstehung der Volkswirtschaft. Sechs Vorträge. Tübingen, 1893, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buecher_volkswirtschaft_1893/196>, abgerufen am 21.11.2024.