Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bücher, Karl: Die Entstehung der Volkswirtschaft. Sechs Vorträge. Tübingen, 1893.

Bild:
<< vorherige Seite

Handeln in Gesetzgebung und Verwaltung festzustellen hat,
so bedingt die Verschiedenheit der Methode und des For-
schungsobjektes nicht auch die Verpflichtung auf bestimmte
grundsätzlich von einander abweichende Programme.

Der Smithianismus geht von der methodischen Voraus-
setzung des absoluten laisser faire aus. Er verfolgt, vor-
zugsweise deduktiv und psychologisch isolierend, die wirt-
schaftlichen Handlungen der Menschen, so wie sie sich ge-
stalten würden, wenn der Staat die gesellschaftlichen Kräfte
frei walten ließe und wenn Menschen und Dinge ohne
Reibung und Widerstand sich in Raum und Zeit bewegten,
keiner anderen Kraft gehorchend als allein dem alles durch-
dringenden Prinzip der Wirtschaftlichkeit. Den Epigonen
sind allerdings fast unwillkürlich die methodischen Voraus-
setzungen, unter welchen die Väter unserer Wissenschaft die
Sätze und Gesetze der "reinen" Volkswirtschaftslehre ent-
wickelt hatten, zu prinzipiellen Forderungen für die Volks-
wirtschaftspolitik geworden, und diese letztere konnte eine
Zeit lang fast als angewandte Theorie erscheinen. Allein
dieses Verhalten liegt nicht im Wesen des Smithianismus,
sondern war ein Ergebnis der gesamten politisch-sozialen
Entwickelung.

Der Historismus steht seiner Natur nach der Wirt-
schaftspolitik eigentlich passiv gegenüber. Das Verhalten
des Staates zum wirtschaftlichen Leben ist für ihn bloß
Gegenstand der Beobachtung. Höchstens daß er aus dem
seitherigen Gange der Entwickelung Anhaltspunkte dafür

Handeln in Geſetzgebung und Verwaltung feſtzuſtellen hat,
ſo bedingt die Verſchiedenheit der Methode und des For-
ſchungsobjektes nicht auch die Verpflichtung auf beſtimmte
grundſätzlich von einander abweichende Programme.

Der Smithianismus geht von der methodiſchen Voraus-
ſetzung des abſoluten laisser faire aus. Er verfolgt, vor-
zugsweiſe deduktiv und pſychologiſch iſolierend, die wirt-
ſchaftlichen Handlungen der Menſchen, ſo wie ſie ſich ge-
ſtalten würden, wenn der Staat die geſellſchaftlichen Kräfte
frei walten ließe und wenn Menſchen und Dinge ohne
Reibung und Widerſtand ſich in Raum und Zeit bewegten,
keiner anderen Kraft gehorchend als allein dem alles durch-
dringenden Prinzip der Wirtſchaftlichkeit. Den Epigonen
ſind allerdings faſt unwillkürlich die methodiſchen Voraus-
ſetzungen, unter welchen die Väter unſerer Wiſſenſchaft die
Sätze und Geſetze der „reinen“ Volkswirtſchaftslehre ent-
wickelt hatten, zu prinzipiellen Forderungen für die Volks-
wirtſchaftspolitik geworden, und dieſe letztere konnte eine
Zeit lang faſt als angewandte Theorie erſcheinen. Allein
dieſes Verhalten liegt nicht im Weſen des Smithianismus,
ſondern war ein Ergebnis der geſamten politiſch-ſozialen
Entwickelung.

Der Hiſtorismus ſteht ſeiner Natur nach der Wirt-
ſchaftspolitik eigentlich paſſiv gegenüber. Das Verhalten
des Staates zum wirtſchaftlichen Leben iſt für ihn bloß
Gegenſtand der Beobachtung. Höchſtens daß er aus dem
ſeitherigen Gange der Entwickelung Anhaltspunkte dafür

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0020" n="6"/>
Handeln in Ge&#x017F;etzgebung und Verwaltung fe&#x017F;tzu&#x017F;tellen hat,<lb/>
&#x017F;o bedingt die Ver&#x017F;chiedenheit der Methode und des For-<lb/>
&#x017F;chungsobjektes nicht auch die Verpflichtung auf be&#x017F;timmte<lb/>
grund&#x017F;ätzlich von einander abweichende Programme.</p><lb/>
          <p>Der Smithianismus geht von der methodi&#x017F;chen Voraus-<lb/>
&#x017F;etzung des ab&#x017F;oluten <hi rendition="#aq">laisser faire</hi> aus. Er verfolgt, vor-<lb/>
zugswei&#x017F;e deduktiv und p&#x017F;ychologi&#x017F;ch i&#x017F;olierend, die wirt-<lb/>
&#x017F;chaftlichen Handlungen der Men&#x017F;chen, &#x017F;o wie &#x017F;ie &#x017F;ich ge-<lb/>
&#x017F;talten würden, wenn der Staat die ge&#x017F;ell&#x017F;chaftlichen Kräfte<lb/>
frei walten ließe und wenn Men&#x017F;chen und Dinge ohne<lb/>
Reibung und Wider&#x017F;tand &#x017F;ich in Raum und Zeit bewegten,<lb/>
keiner anderen Kraft gehorchend als allein dem alles durch-<lb/>
dringenden Prinzip der Wirt&#x017F;chaftlichkeit. Den Epigonen<lb/>
&#x017F;ind allerdings fa&#x017F;t unwillkürlich die methodi&#x017F;chen Voraus-<lb/>
&#x017F;etzungen, unter welchen die Väter un&#x017F;erer Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft die<lb/>
Sätze und Ge&#x017F;etze der &#x201E;reinen&#x201C; Volkswirt&#x017F;chaftslehre ent-<lb/>
wickelt hatten, zu prinzipiellen Forderungen für die Volks-<lb/>
wirt&#x017F;chaftspolitik geworden, und die&#x017F;e letztere konnte eine<lb/>
Zeit lang fa&#x017F;t als angewandte Theorie er&#x017F;cheinen. Allein<lb/>
die&#x017F;es Verhalten liegt nicht im We&#x017F;en des Smithianismus,<lb/>
&#x017F;ondern war ein Ergebnis der ge&#x017F;amten politi&#x017F;ch-&#x017F;ozialen<lb/>
Entwickelung.</p><lb/>
          <p>Der Hi&#x017F;torismus &#x017F;teht &#x017F;einer Natur nach der Wirt-<lb/>
&#x017F;chaftspolitik eigentlich pa&#x017F;&#x017F;iv gegenüber. Das Verhalten<lb/>
des Staates zum wirt&#x017F;chaftlichen Leben i&#x017F;t für ihn bloß<lb/>
Gegen&#x017F;tand der Beobachtung. Höch&#x017F;tens daß er aus dem<lb/>
&#x017F;eitherigen Gange der Entwickelung Anhaltspunkte dafür<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[6/0020] Handeln in Geſetzgebung und Verwaltung feſtzuſtellen hat, ſo bedingt die Verſchiedenheit der Methode und des For- ſchungsobjektes nicht auch die Verpflichtung auf beſtimmte grundſätzlich von einander abweichende Programme. Der Smithianismus geht von der methodiſchen Voraus- ſetzung des abſoluten laisser faire aus. Er verfolgt, vor- zugsweiſe deduktiv und pſychologiſch iſolierend, die wirt- ſchaftlichen Handlungen der Menſchen, ſo wie ſie ſich ge- ſtalten würden, wenn der Staat die geſellſchaftlichen Kräfte frei walten ließe und wenn Menſchen und Dinge ohne Reibung und Widerſtand ſich in Raum und Zeit bewegten, keiner anderen Kraft gehorchend als allein dem alles durch- dringenden Prinzip der Wirtſchaftlichkeit. Den Epigonen ſind allerdings faſt unwillkürlich die methodiſchen Voraus- ſetzungen, unter welchen die Väter unſerer Wiſſenſchaft die Sätze und Geſetze der „reinen“ Volkswirtſchaftslehre ent- wickelt hatten, zu prinzipiellen Forderungen für die Volks- wirtſchaftspolitik geworden, und dieſe letztere konnte eine Zeit lang faſt als angewandte Theorie erſcheinen. Allein dieſes Verhalten liegt nicht im Weſen des Smithianismus, ſondern war ein Ergebnis der geſamten politiſch-ſozialen Entwickelung. Der Hiſtorismus ſteht ſeiner Natur nach der Wirt- ſchaftspolitik eigentlich paſſiv gegenüber. Das Verhalten des Staates zum wirtſchaftlichen Leben iſt für ihn bloß Gegenſtand der Beobachtung. Höchſtens daß er aus dem ſeitherigen Gange der Entwickelung Anhaltspunkte dafür

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/buecher_volkswirtschaft_1893
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/buecher_volkswirtschaft_1893/20
Zitationshilfe: Bücher, Karl: Die Entstehung der Volkswirtschaft. Sechs Vorträge. Tübingen, 1893, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buecher_volkswirtschaft_1893/20>, abgerufen am 21.11.2024.