Ihren Höhepunkt erreicht die Bevölkerurg um 1385, un- mittelbar vor der Cronberger Schlacht. In den folgenden hundert Jahren schwankt sie auf und ab zwischen sieben Zehntel und neun Zehntel der damals erreichten Zahl, ohne sie wieder zu erreichen. Im Jahre 1499 beträgt sie nur 7600 Seelen. Und doch sind von 1385 bis 1499 über 5300 Neubürger eingewandert -- fast doppelt so viel, als am Anfang dieser Periode vorhanden gewesen waren. Die Bevölkerung hätte also am Ende derselben allein durch den äußeren Zuwachs sich nahezu verdreifachen müssen, vorausgesetzt, daß in ihrer inneren Bewegung die Geburten regelmäßig das ersetzt hätten, was durch den Tod in Abrechnung gekommen war. Statt dessen betrug sie nur drei Viertel der anfänglich vorhandenen Zahl. Nimmt man an, die Einwohnerschaft hätte von 1385 bis 1499 sich im dem Verhältnisse der Bevölkerungszunahme des modernen Frankfurt in den letzten 50 Jahren vermehrt, so hätte sie um 1500 etwa 100000 Seelen betragen müssen.
Bei diesem schwankenden Bevölkerungsstand erinnert man sich lebhaft der beweglichen Worte, mit welchen in zahllosen mittelalterlichen Urkunden der Vergänglichkeit und Unsicherheit aller menschlichen Dinge gedacht wird. Mit dem eigentümlichen Verlauf des Bevölkerungswechsels hängt es aber auch zusammen, daß die natürliche Schich- tung der städtischen Gesellschaft nach Alter, Geschlecht und Gesundheitsverhältnissen eine äußerst ungünstige war.
Wir können eine Bevölkerung, welche sich aus sich
Ihren Höhepunkt erreicht die Bevölkerurg um 1385, un- mittelbar vor der Cronberger Schlacht. In den folgenden hundert Jahren ſchwankt ſie auf und ab zwiſchen ſieben Zehntel und neun Zehntel der damals erreichten Zahl, ohne ſie wieder zu erreichen. Im Jahre 1499 beträgt ſie nur 7600 Seelen. Und doch ſind von 1385 bis 1499 über 5300 Neubürger eingewandert — faſt doppelt ſo viel, als am Anfang dieſer Periode vorhanden geweſen waren. Die Bevölkerung hätte alſo am Ende derſelben allein durch den äußeren Zuwachs ſich nahezu verdreifachen müſſen, vorausgeſetzt, daß in ihrer inneren Bewegung die Geburten regelmäßig das erſetzt hätten, was durch den Tod in Abrechnung gekommen war. Statt deſſen betrug ſie nur drei Viertel der anfänglich vorhandenen Zahl. Nimmt man an, die Einwohnerſchaft hätte von 1385 bis 1499 ſich im dem Verhältniſſe der Bevölkerungszunahme des modernen Frankfurt in den letzten 50 Jahren vermehrt, ſo hätte ſie um 1500 etwa 100000 Seelen betragen müſſen.
Bei dieſem ſchwankenden Bevölkerungsſtand erinnert man ſich lebhaft der beweglichen Worte, mit welchen in zahlloſen mittelalterlichen Urkunden der Vergänglichkeit und Unſicherheit aller menſchlichen Dinge gedacht wird. Mit dem eigentümlichen Verlauf des Bevölkerungswechſels hängt es aber auch zuſammen, daß die natürliche Schich- tung der ſtädtiſchen Geſellſchaft nach Alter, Geſchlecht und Geſundheitsverhältniſſen eine äußerſt ungünſtige war.
Wir können eine Bevölkerung, welche ſich aus ſich
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Ihren Höhepunkt erreicht die Bevölkerurg um 1385, un-
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hundert Jahren ſchwankt ſie auf und ab zwiſchen ſieben
Zehntel und neun Zehntel der damals erreichten Zahl,
ohne ſie wieder zu erreichen. Im Jahre 1499 beträgt ſie
nur 7600 Seelen. Und doch ſind von 1385 bis 1499
über 5300 Neubürger eingewandert — faſt doppelt ſo
viel, als am Anfang dieſer Periode vorhanden geweſen
waren. Die Bevölkerung hätte alſo am Ende derſelben
allein durch den äußeren Zuwachs ſich nahezu verdreifachen
müſſen, vorausgeſetzt, daß in ihrer inneren Bewegung die
Geburten regelmäßig das erſetzt hätten, was durch den
Tod in Abrechnung gekommen war. Statt deſſen betrug
ſie nur drei Viertel der anfänglich vorhandenen Zahl.
Nimmt man an, die Einwohnerſchaft hätte von 1385 bis
1499 ſich im dem Verhältniſſe der Bevölkerungszunahme
des modernen Frankfurt in den letzten 50 Jahren vermehrt,
ſo hätte ſie um 1500 etwa 100000 Seelen betragen müſſen.
Bei dieſem ſchwankenden Bevölkerungsſtand erinnert
man ſich lebhaft der beweglichen Worte, mit welchen in
zahlloſen mittelalterlichen Urkunden der Vergänglichkeit und
Unſicherheit aller menſchlichen Dinge gedacht wird. Mit
dem eigentümlichen Verlauf des Bevölkerungswechſels hängt
es aber auch zuſammen, daß die natürliche Schich-
tung der ſtädtiſchen Geſellſchaft nach Alter, Geſchlecht und
Geſundheitsverhältniſſen eine äußerſt ungünſtige war.
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Bücher, Karl: Die Entstehung der Volkswirtschaft. Sechs Vorträge. Tübingen, 1893, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buecher_volkswirtschaft_1893/241>, abgerufen am 24.11.2024.
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