Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bücher, Karl: Die Entstehung der Volkswirtschaft. Sechs Vorträge. Tübingen, 1893.

Bild:
<< vorherige Seite

gilt das von dem Grundbesitz, der nicht bloß in der Frank-
furter Gemarkung, sondern fast in allen umliegenden Dörfern
bis in die Wetterau hinein zerstreut lag und durchweg im
Eigenbau genutzt wurde. Die meisten Frankfurter gewannen
also damals ihren Lebensunterhalt zu einem großen Teile
noch aus der Landwirtschaft, und die bürgerlichen Gewerbe
lieferten ihnen nur einen willkommenen Zuschuß baren
Geldes. Gerade diese doppelte wirtschaftliche Grundlage
gab dem Leben des Städters in jenen unruhigen Zeiten
eine verhältnismäßig große Sicherheit, von der auch die-
jenigen nicht ganz unberührt bleiben konnten, welche bloß
von ihrer Hände Arbeit ihr Dasein fristeten.

Wir sind am Ende unserer Wanderung. Richten wir
von dem zuletzt erreichten Punkte den Blick rückwärts, so
erkennen wir, daß bei aller Ungunst in der natürlichen
Schichtung der Bevölkerung ihre soziale Zusammensetzung
nach Berufsständen und Vermögensklassen ein durchaus
gesundes Gepräge zeigt. Die städtische Wirtschaft verhalf
einem großen Teil der Bürger zur Selbständigkeit; sie be-
günstigte die produktiven Berufsstände; sie ließ schroffe Unter-
schiede in der Vermögens- und Einkommensverteilung nicht
aufkommen.

Der Wert dieser Verhältnisse kommt uns erst voll
zum Bewußtsein, wenn wir unsere Augen über die Ring-
mauern der Stadt hinaus auf das platte Land schweifen
lassen.

Auf dem Lande bildet noch der Grundbesitz die einzige

gilt das von dem Grundbeſitz, der nicht bloß in der Frank-
furter Gemarkung, ſondern faſt in allen umliegenden Dörfern
bis in die Wetterau hinein zerſtreut lag und durchweg im
Eigenbau genutzt wurde. Die meiſten Frankfurter gewannen
alſo damals ihren Lebensunterhalt zu einem großen Teile
noch aus der Landwirtſchaft, und die bürgerlichen Gewerbe
lieferten ihnen nur einen willkommenen Zuſchuß baren
Geldes. Gerade dieſe doppelte wirtſchaftliche Grundlage
gab dem Leben des Städters in jenen unruhigen Zeiten
eine verhältnismäßig große Sicherheit, von der auch die-
jenigen nicht ganz unberührt bleiben konnten, welche bloß
von ihrer Hände Arbeit ihr Daſein friſteten.

Wir ſind am Ende unſerer Wanderung. Richten wir
von dem zuletzt erreichten Punkte den Blick rückwärts, ſo
erkennen wir, daß bei aller Ungunſt in der natürlichen
Schichtung der Bevölkerung ihre ſoziale Zuſammenſetzung
nach Berufsſtänden und Vermögensklaſſen ein durchaus
geſundes Gepräge zeigt. Die ſtädtiſche Wirtſchaft verhalf
einem großen Teil der Bürger zur Selbſtändigkeit; ſie be-
günſtigte die produktiven Berufsſtände; ſie ließ ſchroffe Unter-
ſchiede in der Vermögens- und Einkommensverteilung nicht
aufkommen.

Der Wert dieſer Verhältniſſe kommt uns erſt voll
zum Bewußtſein, wenn wir unſere Augen über die Ring-
mauern der Stadt hinaus auf das platte Land ſchweifen
laſſen.

Auf dem Lande bildet noch der Grundbeſitz die einzige

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0267" n="245"/>
gilt das von dem Grundbe&#x017F;itz, der nicht bloß in der Frank-<lb/>
furter Gemarkung, &#x017F;ondern fa&#x017F;t in allen umliegenden Dörfern<lb/>
bis in die Wetterau hinein zer&#x017F;treut lag und durchweg im<lb/>
Eigenbau genutzt wurde. Die mei&#x017F;ten Frankfurter gewannen<lb/>
al&#x017F;o damals ihren Lebensunterhalt zu einem großen Teile<lb/>
noch aus der Landwirt&#x017F;chaft, und die bürgerlichen Gewerbe<lb/>
lieferten ihnen nur einen willkommenen Zu&#x017F;chuß baren<lb/>
Geldes. Gerade die&#x017F;e doppelte wirt&#x017F;chaftliche Grundlage<lb/>
gab dem Leben des Städters in jenen unruhigen Zeiten<lb/>
eine verhältnismäßig große Sicherheit, von der auch die-<lb/>
jenigen nicht ganz unberührt bleiben konnten, welche bloß<lb/>
von ihrer Hände Arbeit ihr Da&#x017F;ein fri&#x017F;teten.</p><lb/>
          <p>Wir &#x017F;ind am Ende un&#x017F;erer Wanderung. Richten wir<lb/>
von dem zuletzt erreichten Punkte den Blick rückwärts, &#x017F;o<lb/>
erkennen wir, daß bei aller Ungun&#x017F;t in der natürlichen<lb/>
Schichtung der Bevölkerung ihre &#x017F;oziale Zu&#x017F;ammen&#x017F;etzung<lb/>
nach Berufs&#x017F;tänden und Vermögenskla&#x017F;&#x017F;en ein durchaus<lb/>
ge&#x017F;undes Gepräge zeigt. Die &#x017F;tädti&#x017F;che Wirt&#x017F;chaft verhalf<lb/>
einem großen Teil der Bürger zur Selb&#x017F;tändigkeit; &#x017F;ie be-<lb/>
gün&#x017F;tigte die produktiven Berufs&#x017F;tände; &#x017F;ie ließ &#x017F;chroffe Unter-<lb/>
&#x017F;chiede in der Vermögens- und Einkommensverteilung nicht<lb/>
aufkommen.</p><lb/>
          <p>Der Wert die&#x017F;er Verhältni&#x017F;&#x017F;e kommt uns er&#x017F;t voll<lb/>
zum Bewußt&#x017F;ein, wenn wir un&#x017F;ere Augen über die Ring-<lb/>
mauern der Stadt hinaus auf das platte Land &#x017F;chweifen<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
          <p>Auf dem Lande bildet noch der Grundbe&#x017F;itz die einzige<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[245/0267] gilt das von dem Grundbeſitz, der nicht bloß in der Frank- furter Gemarkung, ſondern faſt in allen umliegenden Dörfern bis in die Wetterau hinein zerſtreut lag und durchweg im Eigenbau genutzt wurde. Die meiſten Frankfurter gewannen alſo damals ihren Lebensunterhalt zu einem großen Teile noch aus der Landwirtſchaft, und die bürgerlichen Gewerbe lieferten ihnen nur einen willkommenen Zuſchuß baren Geldes. Gerade dieſe doppelte wirtſchaftliche Grundlage gab dem Leben des Städters in jenen unruhigen Zeiten eine verhältnismäßig große Sicherheit, von der auch die- jenigen nicht ganz unberührt bleiben konnten, welche bloß von ihrer Hände Arbeit ihr Daſein friſteten. Wir ſind am Ende unſerer Wanderung. Richten wir von dem zuletzt erreichten Punkte den Blick rückwärts, ſo erkennen wir, daß bei aller Ungunſt in der natürlichen Schichtung der Bevölkerung ihre ſoziale Zuſammenſetzung nach Berufsſtänden und Vermögensklaſſen ein durchaus geſundes Gepräge zeigt. Die ſtädtiſche Wirtſchaft verhalf einem großen Teil der Bürger zur Selbſtändigkeit; ſie be- günſtigte die produktiven Berufsſtände; ſie ließ ſchroffe Unter- ſchiede in der Vermögens- und Einkommensverteilung nicht aufkommen. Der Wert dieſer Verhältniſſe kommt uns erſt voll zum Bewußtſein, wenn wir unſere Augen über die Ring- mauern der Stadt hinaus auf das platte Land ſchweifen laſſen. Auf dem Lande bildet noch der Grundbeſitz die einzige

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/buecher_volkswirtschaft_1893
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/buecher_volkswirtschaft_1893/267
Zitationshilfe: Bücher, Karl: Die Entstehung der Volkswirtschaft. Sechs Vorträge. Tübingen, 1893, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buecher_volkswirtschaft_1893/267>, abgerufen am 02.06.2024.