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Bücher, Karl: Die Entstehung der Volkswirtschaft. Sechs Vorträge. Tübingen, 1893.

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zentrum und der Sitz aller berufsmäßig entwickelten Ar-
beit war.

Dem entsprechend weisen die mittelalterlichen Städte 1)
unter einander eine große Gleichartigkeit in der sozialen und
wirtschaftlichen Gliederung ihrer Bevölkerung und, soweit
wir sehen können, nur geringe Unterschiede in der Ein-
wohnerzahl auf. Die Zuwanderung der Landbevölkerung
scheint bei der ersten Gründung vielfach keine freiwillige
gewesen zu sein; sie zog späterhin ihre Hauptnahrung
aus der größeren Sicherheit für Person und Eigentum
und aus der reicheren Erwerbsgelegenheit, welche die Städte
für landlose Freie und Hörige boten. Die ganze Ent-
wicklung aber war wirtschaftlich und populationistisch in
dem Momente abgeschlossen, wo in den Städten alle Hand-
werke, die das beschränkte Absatzgebiet zu ernähren ver-
mochte, vertreten und mit der genügenden Meisterzahl be-
setzt waren. Bis dahin herrschte auf Seiten der Städte
volle Freizügigkeit und fast ungehinderter Zugang zum Zunft-
und Bürgerrecht, wogegen die Grundherren auf dem Lande
sich durch Abzugsbeschränkungen gegen den Verlust ihrer
Hörigen zu sichern suchten. Als die Städte aus dem
inneren Zuwachs ihrer Bevölkerung alle Erwerbsgebiete zu

1) Das heißt: soweit sie diesen Namen wirklich verdienen. Es
ist eine eigentümliche methodische Verirrung, wenn man heute das Wesen
der mittelalterlichen Stadt vorzugsweise an solchen Orten zu demon-
strieren sucht, die es nie zu einer wahren städtischen Existenz gebracht
haben und die keinen andern Anspruch auf den Namen Stadt gel-
tend zu machen vermögen als die Verleihung des Stadtrechtes.

zentrum und der Sitz aller berufsmäßig entwickelten Ar-
beit war.

Dem entſprechend weiſen die mittelalterlichen Städte 1)
unter einander eine große Gleichartigkeit in der ſozialen und
wirtſchaftlichen Gliederung ihrer Bevölkerung und, ſoweit
wir ſehen können, nur geringe Unterſchiede in der Ein-
wohnerzahl auf. Die Zuwanderung der Landbevölkerung
ſcheint bei der erſten Gründung vielfach keine freiwillige
geweſen zu ſein; ſie zog ſpäterhin ihre Hauptnahrung
aus der größeren Sicherheit für Perſon und Eigentum
und aus der reicheren Erwerbsgelegenheit, welche die Städte
für landloſe Freie und Hörige boten. Die ganze Ent-
wicklung aber war wirtſchaftlich und populationiſtiſch in
dem Momente abgeſchloſſen, wo in den Städten alle Hand-
werke, die das beſchränkte Abſatzgebiet zu ernähren ver-
mochte, vertreten und mit der genügenden Meiſterzahl be-
ſetzt waren. Bis dahin herrſchte auf Seiten der Städte
volle Freizügigkeit und faſt ungehinderter Zugang zum Zunft-
und Bürgerrecht, wogegen die Grundherren auf dem Lande
ſich durch Abzugsbeſchränkungen gegen den Verluſt ihrer
Hörigen zu ſichern ſuchten. Als die Städte aus dem
inneren Zuwachs ihrer Bevölkerung alle Erwerbsgebiete zu

1) Das heißt: ſoweit ſie dieſen Namen wirklich verdienen. Es
iſt eine eigentümliche methodiſche Verirrung, wenn man heute das Weſen
der mittelalterlichen Stadt vorzugsweiſe an ſolchen Orten zu demon-
ſtrieren ſucht, die es nie zu einer wahren ſtädtiſchen Exiſtenz gebracht
haben und die keinen andern Anſpruch auf den Namen Stadt gel-
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[290/0312] zentrum und der Sitz aller berufsmäßig entwickelten Ar- beit war. Dem entſprechend weiſen die mittelalterlichen Städte 1) unter einander eine große Gleichartigkeit in der ſozialen und wirtſchaftlichen Gliederung ihrer Bevölkerung und, ſoweit wir ſehen können, nur geringe Unterſchiede in der Ein- wohnerzahl auf. Die Zuwanderung der Landbevölkerung ſcheint bei der erſten Gründung vielfach keine freiwillige geweſen zu ſein; ſie zog ſpäterhin ihre Hauptnahrung aus der größeren Sicherheit für Perſon und Eigentum und aus der reicheren Erwerbsgelegenheit, welche die Städte für landloſe Freie und Hörige boten. Die ganze Ent- wicklung aber war wirtſchaftlich und populationiſtiſch in dem Momente abgeſchloſſen, wo in den Städten alle Hand- werke, die das beſchränkte Abſatzgebiet zu ernähren ver- mochte, vertreten und mit der genügenden Meiſterzahl be- ſetzt waren. Bis dahin herrſchte auf Seiten der Städte volle Freizügigkeit und faſt ungehinderter Zugang zum Zunft- und Bürgerrecht, wogegen die Grundherren auf dem Lande ſich durch Abzugsbeſchränkungen gegen den Verluſt ihrer Hörigen zu ſichern ſuchten. Als die Städte aus dem inneren Zuwachs ihrer Bevölkerung alle Erwerbsgebiete zu 1) Das heißt: ſoweit ſie dieſen Namen wirklich verdienen. Es iſt eine eigentümliche methodiſche Verirrung, wenn man heute das Weſen der mittelalterlichen Stadt vorzugsweiſe an ſolchen Orten zu demon- ſtrieren ſucht, die es nie zu einer wahren ſtädtiſchen Exiſtenz gebracht haben und die keinen andern Anſpruch auf den Namen Stadt gel- tend zu machen vermögen als die Verleihung des Stadtrechtes.

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Zitationshilfe: Bücher, Karl: Die Entstehung der Volkswirtschaft. Sechs Vorträge. Tübingen, 1893, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buecher_volkswirtschaft_1893/312>, abgerufen am 21.11.2024.