Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bücher, Karl: Die Entstehung der Volkswirtschaft. Sechs Vorträge. Tübingen, 1893.

Bild:
<< vorherige Seite

produkte durch Veredelung und Umformung zum Gebrauche
geschickt machen. Dies alles erfordert eine ausgebreitete
technische Arbeitsgeschicklichkeit
, eine Vielseitig-
keit des Könnens und Verstehens, von der sich der Kultur-
mensch der Neuzeit schwer eine rechte Vorstellung macht.
Für die einzelnen Glieder der autonom wirtschaftenden Haus-
gemeinschaft kann der Umfang dieser Arbeitsgeschicklichkeit
nur vermindert werden, wenn sie die Arbeit unter einander
nach Alter und Geschlecht, nach individueller Kraft und
Anlage verteilen können.

Eine solche Arbeitsverteilung wird sich in der
Regel an die innere Struktur der Familie anlehnen, sowie
dieselbe durch Natur, Sitte und Recht gegeben ist. Immer-
hin würde sie der Erweiterung des Bedürfniskreises und
dem Reichtum der Güterversorgung nur geringen Spiel-
raum gewähren, wenn die Familie unserer heutigen Familie
ähnlich organisiert wäre, d. h. sich auf ein Ehepaar mit
Kindern und etwa noch Dienstboten beschränkte; sie würde
auch sehr geringe Haltbarkeit und Entwickelungsfähigkeit
besitzen, wenn in der Familie das Individuum eine ähnlich
selbständige Existenz zu führen im Stande wäre wie in der
Gegenwart.

Allein von dieser Art sind die Familien bei primitiven
Völkern nicht. Nach den schönen Untersuchungen Mor-
gan's
bilden sie gewöhnlich größere aus mehreren Gene-
rationen blutsverwandter Personen bestehende Gruppen
(Geschlechter, Sippen, gentes, Clans, Hausgemeinschaften),

produkte durch Veredelung und Umformung zum Gebrauche
geſchickt machen. Dies alles erfordert eine ausgebreitete
techniſche Arbeitsgeſchicklichkeit
, eine Vielſeitig-
keit des Könnens und Verſtehens, von der ſich der Kultur-
menſch der Neuzeit ſchwer eine rechte Vorſtellung macht.
Für die einzelnen Glieder der autonom wirtſchaftenden Haus-
gemeinſchaft kann der Umfang dieſer Arbeitsgeſchicklichkeit
nur vermindert werden, wenn ſie die Arbeit unter einander
nach Alter und Geſchlecht, nach individueller Kraft und
Anlage verteilen können.

Eine ſolche Arbeitsverteilung wird ſich in der
Regel an die innere Struktur der Familie anlehnen, ſowie
dieſelbe durch Natur, Sitte und Recht gegeben iſt. Immer-
hin würde ſie der Erweiterung des Bedürfniskreiſes und
dem Reichtum der Güterverſorgung nur geringen Spiel-
raum gewähren, wenn die Familie unſerer heutigen Familie
ähnlich organiſiert wäre, d. h. ſich auf ein Ehepaar mit
Kindern und etwa noch Dienſtboten beſchränkte; ſie würde
auch ſehr geringe Haltbarkeit und Entwickelungsfähigkeit
beſitzen, wenn in der Familie das Individuum eine ähnlich
ſelbſtändige Exiſtenz zu führen im Stande wäre wie in der
Gegenwart.

Allein von dieſer Art ſind die Familien bei primitiven
Völkern nicht. Nach den ſchönen Unterſuchungen Mor-
gan’s
bilden ſie gewöhnlich größere aus mehreren Gene-
rationen blutsverwandter Perſonen beſtehende Gruppen
(Geſchlechter, Sippen, gentes, Clans, Hausgemeinſchaften),

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0032" n="18"/>
produkte durch Veredelung und Umformung zum Gebrauche<lb/>
ge&#x017F;chickt machen. Dies alles erfordert eine <hi rendition="#g">ausgebreitete<lb/>
techni&#x017F;che Arbeitsge&#x017F;chicklichkeit</hi>, eine Viel&#x017F;eitig-<lb/>
keit des Könnens und Ver&#x017F;tehens, von der &#x017F;ich der Kultur-<lb/>
men&#x017F;ch der Neuzeit &#x017F;chwer eine rechte Vor&#x017F;tellung macht.<lb/>
Für die einzelnen Glieder der autonom wirt&#x017F;chaftenden Haus-<lb/>
gemein&#x017F;chaft kann der Umfang die&#x017F;er Arbeitsge&#x017F;chicklichkeit<lb/>
nur vermindert werden, wenn &#x017F;ie die Arbeit unter einander<lb/>
nach Alter und Ge&#x017F;chlecht, nach individueller Kraft und<lb/>
Anlage verteilen können.</p><lb/>
          <p>Eine &#x017F;olche <hi rendition="#g">Arbeitsverteilung</hi> wird &#x017F;ich in der<lb/>
Regel an die innere Struktur der Familie anlehnen, &#x017F;owie<lb/>
die&#x017F;elbe durch Natur, Sitte und Recht gegeben i&#x017F;t. Immer-<lb/>
hin würde &#x017F;ie der Erweiterung des Bedürfniskrei&#x017F;es und<lb/>
dem Reichtum der Güterver&#x017F;orgung nur geringen Spiel-<lb/>
raum gewähren, wenn die Familie un&#x017F;erer heutigen Familie<lb/>
ähnlich organi&#x017F;iert wäre, d. h. &#x017F;ich auf ein Ehepaar mit<lb/>
Kindern und etwa noch Dien&#x017F;tboten be&#x017F;chränkte; &#x017F;ie würde<lb/>
auch &#x017F;ehr geringe Haltbarkeit und Entwickelungsfähigkeit<lb/>
be&#x017F;itzen, wenn in der Familie das Individuum eine ähnlich<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;tändige Exi&#x017F;tenz zu führen im Stande wäre wie in der<lb/>
Gegenwart.</p><lb/>
          <p>Allein von die&#x017F;er Art &#x017F;ind die Familien bei primitiven<lb/>
Völkern nicht. Nach den &#x017F;chönen Unter&#x017F;uchungen <hi rendition="#g">Mor-<lb/>
gan&#x2019;s</hi> bilden &#x017F;ie gewöhnlich größere aus mehreren Gene-<lb/>
rationen blutsverwandter Per&#x017F;onen be&#x017F;tehende Gruppen<lb/>
(Ge&#x017F;chlechter, Sippen, <hi rendition="#aq">gentes,</hi> Clans, Hausgemein&#x017F;chaften),<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[18/0032] produkte durch Veredelung und Umformung zum Gebrauche geſchickt machen. Dies alles erfordert eine ausgebreitete techniſche Arbeitsgeſchicklichkeit, eine Vielſeitig- keit des Könnens und Verſtehens, von der ſich der Kultur- menſch der Neuzeit ſchwer eine rechte Vorſtellung macht. Für die einzelnen Glieder der autonom wirtſchaftenden Haus- gemeinſchaft kann der Umfang dieſer Arbeitsgeſchicklichkeit nur vermindert werden, wenn ſie die Arbeit unter einander nach Alter und Geſchlecht, nach individueller Kraft und Anlage verteilen können. Eine ſolche Arbeitsverteilung wird ſich in der Regel an die innere Struktur der Familie anlehnen, ſowie dieſelbe durch Natur, Sitte und Recht gegeben iſt. Immer- hin würde ſie der Erweiterung des Bedürfniskreiſes und dem Reichtum der Güterverſorgung nur geringen Spiel- raum gewähren, wenn die Familie unſerer heutigen Familie ähnlich organiſiert wäre, d. h. ſich auf ein Ehepaar mit Kindern und etwa noch Dienſtboten beſchränkte; ſie würde auch ſehr geringe Haltbarkeit und Entwickelungsfähigkeit beſitzen, wenn in der Familie das Individuum eine ähnlich ſelbſtändige Exiſtenz zu führen im Stande wäre wie in der Gegenwart. Allein von dieſer Art ſind die Familien bei primitiven Völkern nicht. Nach den ſchönen Unterſuchungen Mor- gan’s bilden ſie gewöhnlich größere aus mehreren Gene- rationen blutsverwandter Perſonen beſtehende Gruppen (Geſchlechter, Sippen, gentes, Clans, Hausgemeinſchaften),

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/buecher_volkswirtschaft_1893
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/buecher_volkswirtschaft_1893/32
Zitationshilfe: Bücher, Karl: Die Entstehung der Volkswirtschaft. Sechs Vorträge. Tübingen, 1893, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buecher_volkswirtschaft_1893/32>, abgerufen am 21.11.2024.