fühl der persönlichen Verantwortung in dem ersteren rege erhalten mußte, so suchte man dieses ethische Moment doch noch durch besondere Maßnahmen zu stärken. Das Hand- werk ist ein Amt, das zum allgemeinen Besten verwaltet werden muß. Der Meister soll "gerechte" Arbeit liefern. Soweit der Handwerker den Kunden noch mit seiner per- sönlichen Arbeitskraft zur Verfügung stand, setzte man ihm wol eine Taxe für das, was er auf der Stör an Taglohn und Kost zu beanspruchen hatte. Wo ihm der Rohstoff vom Besteller ins Haus gegeben wurde (z. B. bei Kannen- gießern das Zinn, bei Goldschmieden das Silber und Gold, bei Webern das Garn), sorgte man, daß er nicht verfälscht werde. Wo dagegen der Handwerksmann den Stoff lieferte, waren öffentliche Verkaufsstellen auf dem Markte, um die Kirchen, an den Thoren, in einzelnen Straßen errichtet, die oft auch als Werkstätten dienten (Brottische, Fleischbänke, Gewandhäuser, Tuchgaden, Kürschnerlauben, Schuhbänke u. s. w.). Es war Marktregel, daß die Verkäufer desselben Produktes neben einander in gegenseitigem offenen Wett- bewerb und unter der Ueberwachung der Marktmeister und Schaubeamten feil hielten, und diese Regel dehnte sich auch insofern auf die Handwerker aus, welche bloß in ihren Häusern auf Bestellung arbeiteten, als sie meist in der gleichen Straße neben einander wohnten. Daß außerdem die vielfachen Vorschriften über den zu verwendenden Roh- stoff, das Arbeitsverfahren, die Länge und Breite der Tücher
fühl der perſönlichen Verantwortung in dem erſteren rege erhalten mußte, ſo ſuchte man dieſes ethiſche Moment doch noch durch beſondere Maßnahmen zu ſtärken. Das Hand- werk iſt ein Amt, das zum allgemeinen Beſten verwaltet werden muß. Der Meiſter ſoll „gerechte“ Arbeit liefern. Soweit der Handwerker den Kunden noch mit ſeiner per- ſönlichen Arbeitskraft zur Verfügung ſtand, ſetzte man ihm wol eine Taxe für das, was er auf der Stör an Taglohn und Koſt zu beanſpruchen hatte. Wo ihm der Rohſtoff vom Beſteller ins Haus gegeben wurde (z. B. bei Kannen- gießern das Zinn, bei Goldſchmieden das Silber und Gold, bei Webern das Garn), ſorgte man, daß er nicht verfälſcht werde. Wo dagegen der Handwerksmann den Stoff lieferte, waren öffentliche Verkaufsſtellen auf dem Markte, um die Kirchen, an den Thoren, in einzelnen Straßen errichtet, die oft auch als Werkſtätten dienten (Brottiſche, Fleiſchbänke, Gewandhäuſer, Tuchgaden, Kürſchnerlauben, Schuhbänke u. ſ. w.). Es war Marktregel, daß die Verkäufer desſelben Produktes neben einander in gegenſeitigem offenen Wett- bewerb und unter der Ueberwachung der Marktmeiſter und Schaubeamten feil hielten, und dieſe Regel dehnte ſich auch inſofern auf die Handwerker aus, welche bloß in ihren Häuſern auf Beſtellung arbeiteten, als ſie meiſt in der gleichen Straße neben einander wohnten. Daß außerdem die vielfachen Vorſchriften über den zu verwendenden Roh- ſtoff, das Arbeitsverfahren, die Länge und Breite der Tücher
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fühl der perſönlichen Verantwortung in dem erſteren rege
erhalten mußte, ſo ſuchte man dieſes ethiſche Moment doch
noch durch beſondere Maßnahmen zu ſtärken. Das Hand-
werk iſt ein Amt, das zum allgemeinen Beſten verwaltet
werden muß. Der Meiſter ſoll „gerechte“ Arbeit liefern.
Soweit der Handwerker den Kunden noch mit ſeiner per-
ſönlichen Arbeitskraft zur Verfügung ſtand, ſetzte man ihm
wol eine Taxe für das, was er auf der Stör an Taglohn
und Koſt zu beanſpruchen hatte. Wo ihm der Rohſtoff
vom Beſteller ins Haus gegeben wurde (z. B. bei Kannen-
gießern das Zinn, bei Goldſchmieden das Silber und Gold,
bei Webern das Garn), ſorgte man, daß er nicht verfälſcht
werde. Wo dagegen der Handwerksmann den Stoff lieferte,
waren öffentliche Verkaufsſtellen auf dem Markte, um die
Kirchen, an den Thoren, in einzelnen Straßen errichtet, die
oft auch als Werkſtätten dienten (Brottiſche, Fleiſchbänke,
Gewandhäuſer, Tuchgaden, Kürſchnerlauben, Schuhbänke
u. ſ. w.). Es war Marktregel, daß die Verkäufer desſelben
Produktes neben einander in gegenſeitigem offenen Wett-
bewerb und unter der Ueberwachung der Marktmeiſter und
Schaubeamten feil hielten, und dieſe Regel dehnte ſich auch
inſofern auf die Handwerker aus, welche bloß in ihren
Häuſern auf Beſtellung arbeiteten, als ſie meiſt in der
gleichen Straße neben einander wohnten. Daß außerdem
die vielfachen Vorſchriften über den zu verwendenden Roh-
ſtoff, das Arbeitsverfahren, die Länge und Breite der Tücher
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Bücher, Karl: Die Entstehung der Volkswirtschaft. Sechs Vorträge. Tübingen, 1893, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buecher_volkswirtschaft_1893/67>, abgerufen am 24.11.2024.
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