Volkes und des Staatsterritoriums zur Erfüllung immer größerer Kulturaufgaben. Alle großen Staatsmänner haben seit drei Jahrhunderten an diesem Ziele mitgearbeitet: von Cromwell und Colbert bis auf Cavour und Bismarck. Die französische Revolution hat nicht minder zentralisierend gewirkt wie die Staatsumwälzungen der letzten Jahrzehnte. In der neuesten Phase dieser Entwickelung ist das Na- tionalitätsprinzip zu einem Grundsatze von ge- waltiger zusammenfassender Kraft geworden. Die kleinen Territorialstaaten der älteren Zeit waren den großen wirt- schaftlichen Aufgaben der Gegenwart nicht mehr gewachsen. Sie mußten entweder untergehen in einem großen National- staat, wie in Italien, oder zu Gunsten eines Bundesstaates namhafte Teile ihrer Selbständigkeit, insbesondere die Wirt- schaftsgesetzgebung, aufgeben, wie im Deutschen Reiche die Einzelstaaten, in der Schweiz die Kantone.
Es ist ein Irrtum, wenn man aus der im libera- listischen Zeitalter erfolgten Erleichterung des internatio- nalen Verkehrs schließen zu dürfen meint, die Periode der Volkswirtschaft gehe zur Neige und mache der Periode der Weltwirtschaft Platz. Gerade die neueste politische Ent- wickelung der europäischen Staaten hat ein Zurückgreifen auf die Ideen des Merkantilismus und teilweise der alten Stadtwirtschaft zur Folge gehabt. Das Wiederaufleben der Schutzzölle, das Festhalten an der nationalen Währung und der nationalen Arbeitsgesetzgebung, die schon vollzogene oder noch erstrebte Verstaatlichung der Verkehrsanstalten,
Volkes und des Staatsterritoriums zur Erfüllung immer größerer Kulturaufgaben. Alle großen Staatsmänner haben ſeit drei Jahrhunderten an dieſem Ziele mitgearbeitet: von Cromwell und Colbert bis auf Cavour und Bismarck. Die franzöſiſche Revolution hat nicht minder zentraliſierend gewirkt wie die Staatsumwälzungen der letzten Jahrzehnte. In der neueſten Phaſe dieſer Entwickelung iſt das Na- tionalitätsprinzip zu einem Grundſatze von ge- waltiger zuſammenfaſſender Kraft geworden. Die kleinen Territorialſtaaten der älteren Zeit waren den großen wirt- ſchaftlichen Aufgaben der Gegenwart nicht mehr gewachſen. Sie mußten entweder untergehen in einem großen National- ſtaat, wie in Italien, oder zu Gunſten eines Bundesſtaates namhafte Teile ihrer Selbſtändigkeit, insbeſondere die Wirt- ſchaftsgeſetzgebung, aufgeben, wie im Deutſchen Reiche die Einzelſtaaten, in der Schweiz die Kantone.
Es iſt ein Irrtum, wenn man aus der im libera- liſtiſchen Zeitalter erfolgten Erleichterung des internatio- nalen Verkehrs ſchließen zu dürfen meint, die Periode der Volkswirtſchaft gehe zur Neige und mache der Periode der Weltwirtſchaft Platz. Gerade die neueſte politiſche Ent- wickelung der europäiſchen Staaten hat ein Zurückgreifen auf die Ideen des Merkantilismus und teilweiſe der alten Stadtwirtſchaft zur Folge gehabt. Das Wiederaufleben der Schutzzölle, das Feſthalten an der nationalen Währung und der nationalen Arbeitsgeſetzgebung, die ſchon vollzogene oder noch erſtrebte Verſtaatlichung der Verkehrsanſtalten,
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Volkes und des Staatsterritoriums zur Erfüllung immer
größerer Kulturaufgaben. Alle großen Staatsmänner haben
ſeit drei Jahrhunderten an dieſem Ziele mitgearbeitet: von
Cromwell und Colbert bis auf Cavour und Bismarck.
Die franzöſiſche Revolution hat nicht minder zentraliſierend
gewirkt wie die Staatsumwälzungen der letzten Jahrzehnte.
In der neueſten Phaſe dieſer Entwickelung iſt das Na-
tionalitätsprinzip zu einem Grundſatze von ge-
waltiger zuſammenfaſſender Kraft geworden. Die kleinen
Territorialſtaaten der älteren Zeit waren den großen wirt-
ſchaftlichen Aufgaben der Gegenwart nicht mehr gewachſen.
Sie mußten entweder untergehen in einem großen National-
ſtaat, wie in Italien, oder zu Gunſten eines Bundesſtaates
namhafte Teile ihrer Selbſtändigkeit, insbeſondere die Wirt-
ſchaftsgeſetzgebung, aufgeben, wie im Deutſchen Reiche die
Einzelſtaaten, in der Schweiz die Kantone.
Es iſt ein Irrtum, wenn man aus der im libera-
liſtiſchen Zeitalter erfolgten Erleichterung des internatio-
nalen Verkehrs ſchließen zu dürfen meint, die Periode der
Volkswirtſchaft gehe zur Neige und mache der Periode der
Weltwirtſchaft Platz. Gerade die neueſte politiſche Ent-
wickelung der europäiſchen Staaten hat ein Zurückgreifen
auf die Ideen des Merkantilismus und teilweiſe der alten
Stadtwirtſchaft zur Folge gehabt. Das Wiederaufleben
der Schutzzölle, das Feſthalten an der nationalen Währung
und der nationalen Arbeitsgeſetzgebung, die ſchon vollzogene
oder noch erſtrebte Verſtaatlichung der Verkehrsanſtalten,
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Bücher, Karl: Die Entstehung der Volkswirtschaft. Sechs Vorträge. Tübingen, 1893, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buecher_volkswirtschaft_1893/89>, abgerufen am 23.11.2024.
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