Nur eins möchte ich noch besonders betonen. Haus- wirtschaft--Stadtwirtschaft--Volkswirtschaft bezeichnen nicht einen Stufengang, dessen Glieder einander völlig ausschließen. Es hat immer eine Art des Wirtschaftens vorgeherrscht; sie war in den Augen der Zeitgenossen das Normale. Auch in die Gegenwart ragen noch manche Elemente der Stadt- wirtschaft und selbst der geschlossenen Hauswirtschaft herein. Noch heute tritt ein sehr beträchtlicher Teil der nationalen Güterproduktion nicht in die volkswirtschaftliche Zirkulation ein, sondern wird in denjenigen Sonderwirtschaften ver- braucht, welche ihn erzeugt haben; ein anderer hat seinen Lauf vollendet, wenn er aus einer Wirtschaft in die andere übergegangen ist.
Es scheint darnach fast, als ob diejenigen Unrecht hätten, welche die Aufgabe der Volkswirtschaftslehre darin erblicken, das Wesen und den Zusammenhang der Verkehrs- vorgänge klarzulegen, und als ob diejenigen im Rechte wären, welche sich mit der Beschreibung der Wirtschaftsformen und ihrer historischen Umbildungen begnügen.
Und doch wäre das ein verhängnisvoller Irrtum, welcher gleichbedeutend wäre mit der Preisgabe der wissen- schaftlichen Arbeit von mehr als einem Jahrhundert, gleich- bedeutend auch mit einer völligen Verkennung unserer wirt- schaftlichen Gegenwart. Es wird heute auch in dem ent- legensten Bauernhofe kein Sack Waizen mehr produziert ohne Zusammenhang mit dem Ganzen des volkswirtschaft- lichen Verkehrs. Wird er auch im Hause des Produzenten
Nur eins möchte ich noch beſonders betonen. Haus- wirtſchaft—Stadtwirtſchaft—Volkswirtſchaft bezeichnen nicht einen Stufengang, deſſen Glieder einander völlig ausſchließen. Es hat immer eine Art des Wirtſchaftens vorgeherrſcht; ſie war in den Augen der Zeitgenoſſen das Normale. Auch in die Gegenwart ragen noch manche Elemente der Stadt- wirtſchaft und ſelbſt der geſchloſſenen Hauswirtſchaft herein. Noch heute tritt ein ſehr beträchtlicher Teil der nationalen Güterproduktion nicht in die volkswirtſchaftliche Zirkulation ein, ſondern wird in denjenigen Sonderwirtſchaften ver- braucht, welche ihn erzeugt haben; ein anderer hat ſeinen Lauf vollendet, wenn er aus einer Wirtſchaft in die andere übergegangen iſt.
Es ſcheint darnach faſt, als ob diejenigen Unrecht hätten, welche die Aufgabe der Volkswirtſchaftslehre darin erblicken, das Weſen und den Zuſammenhang der Verkehrs- vorgänge klarzulegen, und als ob diejenigen im Rechte wären, welche ſich mit der Beſchreibung der Wirtſchaftsformen und ihrer hiſtoriſchen Umbildungen begnügen.
Und doch wäre das ein verhängnisvoller Irrtum, welcher gleichbedeutend wäre mit der Preisgabe der wiſſen- ſchaftlichen Arbeit von mehr als einem Jahrhundert, gleich- bedeutend auch mit einer völligen Verkennung unſerer wirt- ſchaftlichen Gegenwart. Es wird heute auch in dem ent- legenſten Bauernhofe kein Sack Waizen mehr produziert ohne Zuſammenhang mit dem Ganzen des volkswirtſchaft- lichen Verkehrs. Wird er auch im Hauſe des Produzenten
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0098"n="76 *[76*]"/><p>Nur eins möchte ich noch beſonders betonen. Haus-<lb/>
wirtſchaft—Stadtwirtſchaft—Volkswirtſchaft bezeichnen nicht<lb/>
einen Stufengang, deſſen Glieder einander völlig ausſchließen.<lb/>
Es hat immer <hirendition="#g">eine</hi> Art des Wirtſchaftens <hirendition="#g">vorgeherrſcht</hi>;<lb/>ſie war in den Augen der Zeitgenoſſen das Normale. Auch<lb/>
in die Gegenwart ragen noch manche Elemente der Stadt-<lb/>
wirtſchaft und ſelbſt der geſchloſſenen Hauswirtſchaft herein.<lb/>
Noch heute tritt ein ſehr beträchtlicher Teil der nationalen<lb/>
Güterproduktion nicht in die volkswirtſchaftliche Zirkulation<lb/>
ein, ſondern wird in denjenigen Sonderwirtſchaften ver-<lb/>
braucht, welche ihn erzeugt haben; ein anderer hat ſeinen<lb/>
Lauf vollendet, wenn er aus einer Wirtſchaft in die andere<lb/>
übergegangen iſt.</p><lb/><p>Es ſcheint darnach faſt, als ob diejenigen Unrecht<lb/>
hätten, welche die Aufgabe der Volkswirtſchaftslehre darin<lb/>
erblicken, das Weſen und den Zuſammenhang der Verkehrs-<lb/>
vorgänge klarzulegen, und als ob diejenigen im Rechte wären,<lb/>
welche ſich mit der Beſchreibung der Wirtſchaftsformen und<lb/>
ihrer hiſtoriſchen Umbildungen begnügen.</p><lb/><p>Und doch wäre das ein verhängnisvoller Irrtum,<lb/>
welcher gleichbedeutend wäre mit der Preisgabe der wiſſen-<lb/>ſchaftlichen Arbeit von mehr als einem Jahrhundert, gleich-<lb/>
bedeutend auch mit einer völligen Verkennung unſerer wirt-<lb/>ſchaftlichen Gegenwart. Es wird heute auch in dem ent-<lb/>
legenſten Bauernhofe kein Sack Waizen mehr produziert<lb/>
ohne Zuſammenhang mit dem Ganzen des volkswirtſchaft-<lb/>
lichen Verkehrs. Wird er auch im Hauſe des Produzenten<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[76 *[76*]/0098]
Nur eins möchte ich noch beſonders betonen. Haus-
wirtſchaft—Stadtwirtſchaft—Volkswirtſchaft bezeichnen nicht
einen Stufengang, deſſen Glieder einander völlig ausſchließen.
Es hat immer eine Art des Wirtſchaftens vorgeherrſcht;
ſie war in den Augen der Zeitgenoſſen das Normale. Auch
in die Gegenwart ragen noch manche Elemente der Stadt-
wirtſchaft und ſelbſt der geſchloſſenen Hauswirtſchaft herein.
Noch heute tritt ein ſehr beträchtlicher Teil der nationalen
Güterproduktion nicht in die volkswirtſchaftliche Zirkulation
ein, ſondern wird in denjenigen Sonderwirtſchaften ver-
braucht, welche ihn erzeugt haben; ein anderer hat ſeinen
Lauf vollendet, wenn er aus einer Wirtſchaft in die andere
übergegangen iſt.
Es ſcheint darnach faſt, als ob diejenigen Unrecht
hätten, welche die Aufgabe der Volkswirtſchaftslehre darin
erblicken, das Weſen und den Zuſammenhang der Verkehrs-
vorgänge klarzulegen, und als ob diejenigen im Rechte wären,
welche ſich mit der Beſchreibung der Wirtſchaftsformen und
ihrer hiſtoriſchen Umbildungen begnügen.
Und doch wäre das ein verhängnisvoller Irrtum,
welcher gleichbedeutend wäre mit der Preisgabe der wiſſen-
ſchaftlichen Arbeit von mehr als einem Jahrhundert, gleich-
bedeutend auch mit einer völligen Verkennung unſerer wirt-
ſchaftlichen Gegenwart. Es wird heute auch in dem ent-
legenſten Bauernhofe kein Sack Waizen mehr produziert
ohne Zuſammenhang mit dem Ganzen des volkswirtſchaft-
lichen Verkehrs. Wird er auch im Hauſe des Produzenten
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Bücher, Karl: Die Entstehung der Volkswirtschaft. Sechs Vorträge. Tübingen, 1893, S. 76 *[76*]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buecher_volkswirtschaft_1893/98>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.