Büchner, Georg: Danton's Tod. Frankfurt (Main), 1835.
ihre Sichel über allen Häuptern, die Lava der Revo- lution fließt, die Guillotine republikanisirt! Da klat- schen die Galerien und die Römer reiben sich die Hände; aber sie hören das Röcheln der Opfer nicht. Geht einmal Euern Phrasen nach, bis zu dem Punkt, wo sie verkörpert werden. Blickt um Euch, das Alles habt Ihr gesprochen, es ist eine mimische Übersetzung Eurer Worte. Diese Elenden, ihre Henker und die Guillotine sind Eure lebendig ge- wordenen Reden. Ihr bautet Euer System, wie Bajazet seine Pyramiden, aus Menschenköpfen. Danton. Du hast Recht! -- Man arbeitet heut zu Tag Alles in Menschenfleisch. Das ist der Fluch unserer Zeit. Mein Leib wird jetzt auch verbraucht. -- Es ist gerade ein Jahr, daß ich das Revolutions-Tri- bunal schuf. Ich bitte Gott und die Menschen dafür um Verzeihung, ich wollte neuen Septembermorden zuvorkommen, ich hoffte, Unschuldige zu retten, aber dieser langsame Mord mit seinen Formalitäten ist gräßlicher und eben so unvermeidlich. Meine Herren, ich hoffte, Sie Alle diesen Ort verlassen zu machen.
ihre Sichel über allen Häuptern, die Lava der Revo- lution fließt, die Guillotine republikaniſirt! Da klat- ſchen die Galerien und die Römer reiben ſich die Hände; aber ſie hören das Röcheln der Opfer nicht. Geht einmal Euern Phraſen nach, bis zu dem Punkt, wo ſie verkörpert werden. Blickt um Euch, das Alles habt Ihr geſprochen, es iſt eine mimiſche Überſetzung Eurer Worte. Dieſe Elenden, ihre Henker und die Guillotine ſind Eure lebendig ge- wordenen Reden. Ihr bautet Euer Syſtem, wie Bajazet ſeine Pyramiden, aus Menſchenköpfen. Danton. Du haſt Recht! — Man arbeitet heut zu Tag Alles in Menſchenfleiſch. Das iſt der Fluch unſerer Zeit. Mein Leib wird jetzt auch verbraucht. — Es iſt gerade ein Jahr, daß ich das Revolutions-Tri- bunal ſchuf. Ich bitte Gott und die Menſchen dafür um Verzeihung, ich wollte neuen Septembermorden zuvorkommen, ich hoffte, Unſchuldige zu retten, aber dieſer langſame Mord mit ſeinen Formalitäten iſt gräßlicher und eben ſo unvermeidlich. Meine Herren, ich hoffte, Sie Alle dieſen Ort verlaſſen zu machen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#MER"> <p><pb facs="#f0105" n="101"/> ihre Sichel über allen Häuptern, die Lava der Revo-<lb/> lution fließt, die Guillotine republikaniſirt! Da klat-<lb/> ſchen die Galerien und die Römer reiben ſich die<lb/> Hände; aber ſie hören das Röcheln der Opfer nicht.<lb/> Geht einmal Euern Phraſen nach, bis zu dem<lb/> Punkt, wo ſie verkörpert werden. Blickt um Euch,<lb/> das Alles habt Ihr geſprochen, es iſt eine mimiſche<lb/> Überſetzung Eurer Worte. Dieſe Elenden, ihre<lb/> Henker und die Guillotine ſind Eure lebendig ge-<lb/> wordenen Reden. Ihr bautet Euer Syſtem, wie<lb/> Bajazet ſeine Pyramiden, aus Menſchenköpfen.</p> </sp><lb/> <sp who="#DAN"> <speaker><hi rendition="#g">Danton</hi>.</speaker><lb/> <p>Du haſt Recht! — Man arbeitet heut zu Tag<lb/> Alles in Menſchenfleiſch. Das iſt der Fluch unſerer<lb/> Zeit. Mein Leib wird jetzt auch verbraucht. — Es<lb/> iſt gerade ein Jahr, daß ich das Revolutions-Tri-<lb/> bunal ſchuf. Ich bitte Gott und die Menſchen dafür<lb/> um Verzeihung, ich wollte neuen Septembermorden<lb/> zuvorkommen, ich hoffte, Unſchuldige zu retten,<lb/> aber dieſer langſame Mord mit ſeinen Formalitäten<lb/> iſt gräßlicher und eben ſo unvermeidlich. Meine<lb/> Herren, ich hoffte, Sie Alle dieſen Ort verlaſſen<lb/> zu machen.</p> </sp><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [101/0105]
ihre Sichel über allen Häuptern, die Lava der Revo-
lution fließt, die Guillotine republikaniſirt! Da klat-
ſchen die Galerien und die Römer reiben ſich die
Hände; aber ſie hören das Röcheln der Opfer nicht.
Geht einmal Euern Phraſen nach, bis zu dem
Punkt, wo ſie verkörpert werden. Blickt um Euch,
das Alles habt Ihr geſprochen, es iſt eine mimiſche
Überſetzung Eurer Worte. Dieſe Elenden, ihre
Henker und die Guillotine ſind Eure lebendig ge-
wordenen Reden. Ihr bautet Euer Syſtem, wie
Bajazet ſeine Pyramiden, aus Menſchenköpfen.
Danton.
Du haſt Recht! — Man arbeitet heut zu Tag
Alles in Menſchenfleiſch. Das iſt der Fluch unſerer
Zeit. Mein Leib wird jetzt auch verbraucht. — Es
iſt gerade ein Jahr, daß ich das Revolutions-Tri-
bunal ſchuf. Ich bitte Gott und die Menſchen dafür
um Verzeihung, ich wollte neuen Septembermorden
zuvorkommen, ich hoffte, Unſchuldige zu retten,
aber dieſer langſame Mord mit ſeinen Formalitäten
iſt gräßlicher und eben ſo unvermeidlich. Meine
Herren, ich hoffte, Sie Alle dieſen Ort verlaſſen
zu machen.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |