hoben. Aber wer wollte in dieser interessanten Erschei- nung eine Annäherung an die Metamorphose der Thiere verkennen und es für unmöglich halten, daß in vorwelt- licher Zeit dieser Generationswechsel sich nicht in so fixirten Grenzen gehalten habe, wie heute! Endlich aber -- und damit dürfte jeder Einwand beseitigt werden -- besitzen wir seit zwei Jahren durch einen unserer berühm- testen und zuverlässigsten Beobachter, Johannes Mül- ler, eine Entdeckung, welche zu den wichtigsten und folgereichsten der Neuzeit gehören und die Möglichkeit einer dauernden Entwicklung einer Thierart aus einer andern selbst noch in unserer Zeit über jeden Zweifel erheben dürfte. Wir meinen die bekannte Entdeckung der Erzeugung von Schnecken in Holothurien durch den genannten Beobachter, eine Entdeckung, bei welcher ihr in Glaubenssachen orthodoxer Entdecker selbst kopfschüttelnd sich von Zweifeln und innerer Verwirrung ergriffen bekennt. Holothurien und Schnecken gehören zwei ganz getrennten Abtheilungen des Thierreichs an, von denen die Letzteren in der Reihenfolge der Thier- geschlechter ungleich höher stehen, zweien Abtheilungen ohne die geringste Aehnlichkeit und Verwandtschaft. Müller selbst, obgleich ungern, gesteht ein, daß diese Erschei- nung mit dem Generationswechsel nichts zu thun haben könne. Diese Beobachtung würde beweisen, daß auch in historischer Zeit die bis da geleugnete Möglichkeit
hoben. Aber wer wollte in dieſer intereſſanten Erſchei- nung eine Annäherung an die Metamorphoſe der Thiere verkennen und es für unmöglich halten, daß in vorwelt- licher Zeit dieſer Generationswechſel ſich nicht in ſo fixirten Grenzen gehalten habe, wie heute! Endlich aber — und damit dürfte jeder Einwand beſeitigt werden — beſitzen wir ſeit zwei Jahren durch einen unſerer berühm- teſten und zuverläſſigſten Beobachter, Johannes Mül- ler, eine Entdeckung, welche zu den wichtigſten und folgereichſten der Neuzeit gehören und die Möglichkeit einer dauernden Entwicklung einer Thierart aus einer andern ſelbſt noch in unſerer Zeit über jeden Zweifel erheben dürfte. Wir meinen die bekannte Entdeckung der Erzeugung von Schnecken in Holothurien durch den genannten Beobachter, eine Entdeckung, bei welcher ihr in Glaubensſachen orthodoxer Entdecker ſelbſt kopfſchüttelnd ſich von Zweifeln und innerer Verwirrung ergriffen bekennt. Holothurien und Schnecken gehören zwei ganz getrennten Abtheilungen des Thierreichs an, von denen die Letzteren in der Reihenfolge der Thier- geſchlechter ungleich höher ſtehen, zweien Abtheilungen ohne die geringſte Aehnlichkeit und Verwandtſchaft. Müller ſelbſt, obgleich ungern, geſteht ein, daß dieſe Erſchei- nung mit dem Generationswechſel nichts zu thun haben könne. Dieſe Beobachtung würde beweiſen, daß auch in hiſtoriſcher Zeit die bis da geleugnete Möglichkeit
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hoben. Aber wer wollte in dieſer intereſſanten Erſchei-
nung eine Annäherung an die Metamorphoſe der Thiere
verkennen und es für unmöglich halten, daß in vorwelt-
licher Zeit dieſer Generationswechſel ſich nicht in ſo
fixirten Grenzen gehalten habe, wie heute! Endlich aber
— und damit dürfte jeder Einwand beſeitigt werden —
beſitzen wir ſeit zwei Jahren durch einen unſerer berühm-
teſten und zuverläſſigſten Beobachter, Johannes Mül-
ler, eine Entdeckung, welche zu den wichtigſten und
folgereichſten der Neuzeit gehören und die Möglichkeit
einer dauernden Entwicklung einer Thierart aus einer
andern ſelbſt noch in unſerer Zeit über jeden Zweifel
erheben dürfte. Wir meinen die bekannte Entdeckung
der Erzeugung von Schnecken in Holothurien
durch den genannten Beobachter, eine Entdeckung, bei
welcher ihr in Glaubensſachen orthodoxer Entdecker ſelbſt
kopfſchüttelnd ſich von Zweifeln und innerer Verwirrung
ergriffen bekennt. Holothurien und Schnecken gehören
zwei ganz getrennten Abtheilungen des Thierreichs an,
von denen die Letzteren in der Reihenfolge der Thier-
geſchlechter ungleich höher ſtehen, zweien Abtheilungen
ohne die geringſte Aehnlichkeit und Verwandtſchaft. Müller
ſelbſt, obgleich ungern, geſteht ein, daß dieſe Erſchei-
nung mit dem Generationswechſel nichts zu thun haben
könne. Dieſe Beobachtung würde beweiſen, daß auch
in hiſtoriſcher Zeit die bis da geleugnete Möglichkeit
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Büchner, Ludwig: Kraft und Stoff. Frankfurt (Main), 1855, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_kraft_1855/105>, abgerufen am 24.11.2024.
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