wir aus unserer kurzen Erfahrung kein Beispiel aufzu- weisen vermögen. Aber wir sagen das Letztere mit Unrecht, denn wir entbehren dieser Beispiele in der That nicht so vollkommen, als es auf den ersten Anblick scheinen möchte. Vor allen Dingen haben wir das Recht, die merkwürdigen Erscheinungen des erst in neue- ster Zeit genauer erkannten s. g. Generationswech- sels der Thiere für uns anzuführen. Genaue Studien über die Entwicklungsweise der Eingeweidewürmer haben gelehrt, daß man durch Aenderung der äußeren Lebens- bedingungen, durch Verpflanzung in die Eingeweide eines andern Thieres aus s. g. Blasenwürmern eine ganz andere, wenn auch verwandte Thierart, die s. g. Band- würmer erzeugen kann. Denselben Wechsel der Gene- ration hat man bei mehreren anderen Eingeweidewürmern beobachtet, ferner bei den Salpen, bei den Medusen und Polypen, bei den Blattläusen, und bei mehre- ren anderen Thieren setzt man sein Dasein mit Wahr- scheinlichkeit oder Gewißheit voraus. Freilich setzt sich dieser Wechsel der Gestalten nicht in's Unbegrenzte fort, wie es sein müßte, wenn er das Gesetz von der Begren- zung der Arten umstürzen sollte, sondern er hält sich innerhalb gewisser Grenzen der Verwandtschaft und kehrt nach dem Durchlaufen einer oder mehrerer Generationen wieder zu seiner früheren Form zurück, wird also nach einem regelmäßigen Cyclus von Gestalten wieder aufge-
wir aus unſerer kurzen Erfahrung kein Beiſpiel aufzu- weiſen vermögen. Aber wir ſagen das Letztere mit Unrecht, denn wir entbehren dieſer Beiſpiele in der That nicht ſo vollkommen, als es auf den erſten Anblick ſcheinen möchte. Vor allen Dingen haben wir das Recht, die merkwürdigen Erſcheinungen des erſt in neue- ſter Zeit genauer erkannten ſ. g. Generationswech- ſels der Thiere für uns anzuführen. Genaue Studien über die Entwicklungsweiſe der Eingeweidewürmer haben gelehrt, daß man durch Aenderung der äußeren Lebens- bedingungen, durch Verpflanzung in die Eingeweide eines andern Thieres aus ſ. g. Blaſenwürmern eine ganz andere, wenn auch verwandte Thierart, die ſ. g. Band- würmer erzeugen kann. Denſelben Wechſel der Gene- ration hat man bei mehreren anderen Eingeweidewürmern beobachtet, ferner bei den Salpen, bei den Meduſen und Polypen, bei den Blattläuſen, und bei mehre- ren anderen Thieren ſetzt man ſein Daſein mit Wahr- ſcheinlichkeit oder Gewißheit voraus. Freilich ſetzt ſich dieſer Wechſel der Geſtalten nicht in’s Unbegrenzte fort, wie es ſein müßte, wenn er das Geſetz von der Begren- zung der Arten umſtürzen ſollte, ſondern er hält ſich innerhalb gewiſſer Grenzen der Verwandtſchaft und kehrt nach dem Durchlaufen einer oder mehrerer Generationen wieder zu ſeiner früheren Form zurück, wird alſo nach einem regelmäßigen Cyclus von Geſtalten wieder aufge-
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[84/0104]
wir aus unſerer kurzen Erfahrung kein Beiſpiel aufzu-
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Unrecht, denn wir entbehren dieſer Beiſpiele in der
That nicht ſo vollkommen, als es auf den erſten Anblick
ſcheinen möchte. Vor allen Dingen haben wir das
Recht, die merkwürdigen Erſcheinungen des erſt in neue-
ſter Zeit genauer erkannten ſ. g. Generationswech-
ſels der Thiere für uns anzuführen. Genaue Studien
über die Entwicklungsweiſe der Eingeweidewürmer haben
gelehrt, daß man durch Aenderung der äußeren Lebens-
bedingungen, durch Verpflanzung in die Eingeweide eines
andern Thieres aus ſ. g. Blaſenwürmern eine ganz
andere, wenn auch verwandte Thierart, die ſ. g. Band-
würmer erzeugen kann. Denſelben Wechſel der Gene-
ration hat man bei mehreren anderen Eingeweidewürmern
beobachtet, ferner bei den Salpen, bei den Meduſen
und Polypen, bei den Blattläuſen, und bei mehre-
ren anderen Thieren ſetzt man ſein Daſein mit Wahr-
ſcheinlichkeit oder Gewißheit voraus. Freilich ſetzt ſich
dieſer Wechſel der Geſtalten nicht in’s Unbegrenzte fort,
wie es ſein müßte, wenn er das Geſetz von der Begren-
zung der Arten umſtürzen ſollte, ſondern er hält ſich
innerhalb gewiſſer Grenzen der Verwandtſchaft und kehrt
nach dem Durchlaufen einer oder mehrerer Generationen
wieder zu ſeiner früheren Form zurück, wird alſo nach
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Büchner, Ludwig: Kraft und Stoff. Frankfurt (Main), 1855, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_kraft_1855/104>, abgerufen am 21.11.2024.
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