matiker. Kurzhalsige Menschen sind lebendig, leiden- schaftlich, langhalsige gelassen, ruhig, weil bei den letz- teren die Blutwelle, welche zum Gehirn dringt, weiter vom Herzen, als dem Heerde und der Ursache ihrer Be- wegung, entfernt ist, als bei den ersteren. Parry ver- mochte die Anfälle der Tobsucht durch eine Compression der Halsschlagader zu unterdrücken. Mehr noch als bei dem Menschen schätzt man den Charakter der Thiere, so der Pferde und Hunde, nach der Länge ihres Halses. Großes geistiges Wissen und geistige Kraft üben auch wiederum einen ungemein kräftigenden und erhaltenden Einfluß auf den Körper, und Alibert führt es als eine constante Beobachtung der Aerzte an, daß man unver- hältnißmäßig viele Greise unter den Gelehrten antrifft. Umgekehrt reflektiren sich nicht minder die verschiedensten körperlichen Zustände unmittelbar in der Psyche. Welchen mächtigen Einfluß hat bekanntlich die Absonderung der Galle auf Seelenstimmungen! Entartungen der Eierstöcke verursachen Satyriasis und Nymphomanie; Leiden der Sexualorgane oft einen unbezähmbaren Trieb zum Mor- den oder zu sonstigen Verbrechen. Wie oft hängt Fröm- melei mit Ausschweifungen in sinnlicher Liebe zusammen u. s. w. u. s. w.
Endlich überhäuft uns die Pathologie mit einer Un- masse der eclatantesten Thatsachen, und lehrt uns, daß kein bedeutenderes materielles Leiden der der Denkfunk-
matiker. Kurzhalſige Menſchen ſind lebendig, leiden- ſchaftlich, langhalſige gelaſſen, ruhig, weil bei den letz- teren die Blutwelle, welche zum Gehirn dringt, weiter vom Herzen, als dem Heerde und der Urſache ihrer Be- wegung, entfernt iſt, als bei den erſteren. Parry ver- mochte die Anfälle der Tobſucht durch eine Compreſſion der Halsſchlagader zu unterdrücken. Mehr noch als bei dem Menſchen ſchätzt man den Charakter der Thiere, ſo der Pferde und Hunde, nach der Länge ihres Halſes. Großes geiſtiges Wiſſen und geiſtige Kraft üben auch wiederum einen ungemein kräftigenden und erhaltenden Einfluß auf den Körper, und Alibert führt es als eine conſtante Beobachtung der Aerzte an, daß man unver- hältnißmäßig viele Greiſe unter den Gelehrten antrifft. Umgekehrt reflektiren ſich nicht minder die verſchiedenſten körperlichen Zuſtände unmittelbar in der Pſyche. Welchen mächtigen Einfluß hat bekanntlich die Abſonderung der Galle auf Seelenſtimmungen! Entartungen der Eierſtöcke verurſachen Satyriaſis und Nymphomanie; Leiden der Sexualorgane oft einen unbezähmbaren Trieb zum Mor- den oder zu ſonſtigen Verbrechen. Wie oft hängt Fröm- melei mit Ausſchweifungen in ſinnlicher Liebe zuſammen u. ſ. w. u. ſ. w.
Endlich überhäuft uns die Pathologie mit einer Un- maſſe der eclatanteſten Thatſachen, und lehrt uns, daß kein bedeutenderes materielles Leiden der der Denkfunk-
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matiker. Kurzhalſige Menſchen ſind lebendig, leiden-
ſchaftlich, langhalſige gelaſſen, ruhig, weil bei den letz-
teren die Blutwelle, welche zum Gehirn dringt, weiter
vom Herzen, als dem Heerde und der Urſache ihrer Be-
wegung, entfernt iſt, als bei den erſteren. Parry ver-
mochte die Anfälle der Tobſucht durch eine Compreſſion
der Halsſchlagader zu unterdrücken. Mehr noch als bei
dem Menſchen ſchätzt man den Charakter der Thiere, ſo
der Pferde und Hunde, nach der Länge ihres Halſes.
Großes geiſtiges Wiſſen und geiſtige Kraft üben auch
wiederum einen ungemein kräftigenden und erhaltenden
Einfluß auf den Körper, und Alibert führt es als eine
conſtante Beobachtung der Aerzte an, daß man unver-
hältnißmäßig viele Greiſe unter den Gelehrten antrifft.
Umgekehrt reflektiren ſich nicht minder die verſchiedenſten
körperlichen Zuſtände unmittelbar in der Pſyche. Welchen
mächtigen Einfluß hat bekanntlich die Abſonderung der
Galle auf Seelenſtimmungen! Entartungen der Eierſtöcke
verurſachen Satyriaſis und Nymphomanie; Leiden der
Sexualorgane oft einen unbezähmbaren Trieb zum Mor-
den oder zu ſonſtigen Verbrechen. Wie oft hängt Fröm-
melei mit Ausſchweifungen in ſinnlicher Liebe zuſammen
u. ſ. w. u. ſ. w.
Endlich überhäuft uns die Pathologie mit einer Un-
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Büchner, Ludwig: Kraft und Stoff. Frankfurt (Main), 1855, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_kraft_1855/152>, abgerufen am 21.11.2024.
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