organische Complikation kraftbegabter Stoffe im Thierleib eine Gesammtsumme von Effekten, welche zu einer Einheit verbunden von uns Geist, Seele, Gedanke genannt wird. Diese Kräftesumme ist nichts Materielles, kann nicht durch die Sinne unmittelbar wahrgenommen werden, ebenso wenig wie jede andere einfache Kraft, Magnetismus, Electricität u. s. w., sondern nur aus ihren Aeußerungen ideal construirt werden. Wir haben Kraft als eine Eigenschaft des Stoffes definirt und gesehen, daß beide unzertrennlich sind; dennoch sind beide begrifflich sehr weit auseinanderliegend, ja in einem gewissen Sinne gradezu einander negirend. Wenigstens wüßten wir nicht, wie man Geist, Kraft als etwas anderes, denn als Jmmaterielles, an sich die Materie Ausschließendes oder ihr Entgegengesetztes definiren wollte. Dem gegen- über sind Galle, Urin nicht eine Gesammtsumme ideeller Kraft-Effekte, sondern selbst materielle Körper, welche aus kraftbegabten Stoffen zusammengesetzt und aus sol- chen hervorgegangen sind. Die Leber, die Nieren müssen Stoffe abgeben, um jene Secrete zu erzeugen; das Ge- hirn gibt, um den Gedanken zu secerniren, keinen Stoff ab, sondern behält alle seine Stoffe, wenn auch in steter regster Wechselwirkung und Aenderung, für sich. Auch das Gehirn erzeugt einen materiellen Stoff; es secer- nirt die äußerst geringe Menge flüssiger Substanz, welche sich auf den Wandungen seiner inneren Höhlen vorfindet,
organiſche Complikation kraftbegabter Stoffe im Thierleib eine Geſammtſumme von Effekten, welche zu einer Einheit verbunden von uns Geiſt, Seele, Gedanke genannt wird. Dieſe Kräfteſumme iſt nichts Materielles, kann nicht durch die Sinne unmittelbar wahrgenommen werden, ebenſo wenig wie jede andere einfache Kraft, Magnetismus, Electricität u. ſ. w., ſondern nur aus ihren Aeußerungen ideal conſtruirt werden. Wir haben Kraft als eine Eigenſchaft des Stoffes definirt und geſehen, daß beide unzertrennlich ſind; dennoch ſind beide begrifflich ſehr weit auseinanderliegend, ja in einem gewiſſen Sinne gradezu einander negirend. Wenigſtens wüßten wir nicht, wie man Geiſt, Kraft als etwas anderes, denn als Jmmaterielles, an ſich die Materie Ausſchließendes oder ihr Entgegengeſetztes definiren wollte. Dem gegen- über ſind Galle, Urin nicht eine Geſammtſumme ideeller Kraft-Effekte, ſondern ſelbſt materielle Körper, welche aus kraftbegabten Stoffen zuſammengeſetzt und aus ſol- chen hervorgegangen ſind. Die Leber, die Nieren müſſen Stoffe abgeben, um jene Secrete zu erzeugen; das Ge- hirn gibt, um den Gedanken zu ſecerniren, keinen Stoff ab, ſondern behält alle ſeine Stoffe, wenn auch in ſteter regſter Wechſelwirkung und Aenderung, für ſich. Auch das Gehirn erzeugt einen materiellen Stoff; es ſecer- nirt die äußerſt geringe Menge flüſſiger Subſtanz, welche ſich auf den Wandungen ſeiner inneren Höhlen vorfindet,
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0171"n="151"/>
organiſche Complikation kraftbegabter Stoffe im Thierleib<lb/>
eine Geſammtſumme von Effekten, welche zu einer Einheit<lb/>
verbunden von uns Geiſt, Seele, Gedanke genannt wird.<lb/>
Dieſe Kräfteſumme iſt nichts Materielles, kann nicht durch<lb/>
die Sinne <hirendition="#g">unmittelbar</hi> wahrgenommen werden, ebenſo<lb/>
wenig wie jede andere einfache Kraft, Magnetismus,<lb/>
Electricität u. ſ. w., ſondern nur aus ihren Aeußerungen<lb/>
ideal conſtruirt werden. Wir haben Kraft als eine<lb/>
Eigenſchaft des Stoffes definirt und geſehen, daß beide<lb/>
unzertrennlich ſind; dennoch ſind beide <hirendition="#g">begrifflich</hi>ſehr<lb/>
weit auseinanderliegend, ja in einem gewiſſen Sinne<lb/>
gradezu einander negirend. Wenigſtens wüßten wir<lb/>
nicht, wie man Geiſt, Kraft als etwas anderes, denn<lb/>
als Jmmaterielles, <hirendition="#g">an ſich</hi> die Materie Ausſchließendes<lb/>
oder ihr Entgegengeſetztes definiren wollte. Dem gegen-<lb/>
über ſind Galle, Urin nicht eine Geſammtſumme ideeller<lb/>
Kraft-Effekte, ſondern ſelbſt materielle Körper, welche<lb/>
aus kraftbegabten Stoffen zuſammengeſetzt und aus ſol-<lb/>
chen hervorgegangen ſind. Die Leber, die Nieren müſſen<lb/>
Stoffe abgeben, um jene Secrete zu erzeugen; das Ge-<lb/>
hirn gibt, um den Gedanken zu ſecerniren, keinen Stoff<lb/>
ab, ſondern behält alle ſeine Stoffe, wenn auch in ſteter<lb/>
regſter Wechſelwirkung und Aenderung, für ſich. Auch<lb/>
das Gehirn erzeugt einen materiellen Stoff; es ſecer-<lb/>
nirt die äußerſt geringe Menge flüſſiger Subſtanz, welche<lb/>ſich auf den Wandungen ſeiner inneren Höhlen vorfindet,<lb/></p></div></body></text></TEI>
[151/0171]
organiſche Complikation kraftbegabter Stoffe im Thierleib
eine Geſammtſumme von Effekten, welche zu einer Einheit
verbunden von uns Geiſt, Seele, Gedanke genannt wird.
Dieſe Kräfteſumme iſt nichts Materielles, kann nicht durch
die Sinne unmittelbar wahrgenommen werden, ebenſo
wenig wie jede andere einfache Kraft, Magnetismus,
Electricität u. ſ. w., ſondern nur aus ihren Aeußerungen
ideal conſtruirt werden. Wir haben Kraft als eine
Eigenſchaft des Stoffes definirt und geſehen, daß beide
unzertrennlich ſind; dennoch ſind beide begrifflich ſehr
weit auseinanderliegend, ja in einem gewiſſen Sinne
gradezu einander negirend. Wenigſtens wüßten wir
nicht, wie man Geiſt, Kraft als etwas anderes, denn
als Jmmaterielles, an ſich die Materie Ausſchließendes
oder ihr Entgegengeſetztes definiren wollte. Dem gegen-
über ſind Galle, Urin nicht eine Geſammtſumme ideeller
Kraft-Effekte, ſondern ſelbſt materielle Körper, welche
aus kraftbegabten Stoffen zuſammengeſetzt und aus ſol-
chen hervorgegangen ſind. Die Leber, die Nieren müſſen
Stoffe abgeben, um jene Secrete zu erzeugen; das Ge-
hirn gibt, um den Gedanken zu ſecerniren, keinen Stoff
ab, ſondern behält alle ſeine Stoffe, wenn auch in ſteter
regſter Wechſelwirkung und Aenderung, für ſich. Auch
das Gehirn erzeugt einen materiellen Stoff; es ſecer-
nirt die äußerſt geringe Menge flüſſiger Subſtanz, welche
ſich auf den Wandungen ſeiner inneren Höhlen vorfindet,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Büchner, Ludwig: Kraft und Stoff. Frankfurt (Main), 1855, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_kraft_1855/171>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.