Belieben angehört. Daher war das Fruchttödten bei den römischen Frauen gesetzlich und sittlich erlaubt, und schon Plato und Aristoteles sprachen sich für diese Sitte aus. Die Stoiker nahmen an, das Kind erhalte erst mit dem Athmen eine Seele. Erst unter Ulpian erfolgte ein Verbot der Fruchttödtung. Das Justinia- näische Gesetzbuch nimmt den vierzigsten Tag nach der Empfängniß als den Zeitpunkt der Beseelung der Frucht an! Die neueren Rechtslehrer erachten Empfängniß, Be- seelung und Belebung als gleichzeitig erfolgend -- eine Ansicht, die sich mit naturwissenschaftlichen Daten nicht in Einklang bringen läßt. Jn nicht christlichen Ländern weiß man nichts von einer beseelten Frucht. Nach den Berichten von Williams ist das Fruchttödten auf Ma- dagaskar ganz gewöhnlich, ebenso die Kindertödtung. Das Nämliche geschieht auf Otahaiti. Jn ganz China und auf den Gesellschaftsinseln ist es sehr gewöhnlich. -- Nur ein mit den Thatsachen im Widerspruch stehender Glaube kann eine wirkliche Beseelung der Frucht im Mutterleibe für möglich halten; kein einziges Zeichen, keine Aeußerung, keine Erinnerung verräth eine solche.
Auch mit dem Geborenwerden, mit der Lostrennung des kindlichen Körpers vom mütterlichen, ist es nicht möglich, daß irgend eine fertige, zum Voraus auf diesen Zeitpunkt lauernde Seele herzustürze und Besitz von der neuen Wohnung nehme, sondern diese Seele entwickelt
Belieben angehört. Daher war das Fruchttödten bei den römiſchen Frauen geſetzlich und ſittlich erlaubt, und ſchon Plato und Ariſtoteles ſprachen ſich für dieſe Sitte aus. Die Stoiker nahmen an, das Kind erhalte erſt mit dem Athmen eine Seele. Erſt unter Ulpian erfolgte ein Verbot der Fruchttödtung. Das Juſtinia- näiſche Geſetzbuch nimmt den vierzigſten Tag nach der Empfängniß als den Zeitpunkt der Beſeelung der Frucht an! Die neueren Rechtslehrer erachten Empfängniß, Be- ſeelung und Belebung als gleichzeitig erfolgend — eine Anſicht, die ſich mit naturwiſſenſchaftlichen Daten nicht in Einklang bringen läßt. Jn nicht chriſtlichen Ländern weiß man nichts von einer beſeelten Frucht. Nach den Berichten von Williams iſt das Fruchttödten auf Ma- dagaskar ganz gewöhnlich, ebenſo die Kindertödtung. Das Nämliche geſchieht auf Otahaiti. Jn ganz China und auf den Geſellſchaftsinſeln iſt es ſehr gewöhnlich. — Nur ein mit den Thatſachen im Widerſpruch ſtehender Glaube kann eine wirkliche Beſeelung der Frucht im Mutterleibe für möglich halten; kein einziges Zeichen, keine Aeußerung, keine Erinnerung verräth eine ſolche.
Auch mit dem Geborenwerden, mit der Lostrennung des kindlichen Körpers vom mütterlichen, iſt es nicht möglich, daß irgend eine fertige, zum Voraus auf dieſen Zeitpunkt lauernde Seele herzuſtürze und Beſitz von der neuen Wohnung nehme, ſondern dieſe Seele entwickelt
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Belieben angehört. Daher war das Fruchttödten bei
den römiſchen Frauen geſetzlich und ſittlich erlaubt, und
ſchon Plato und Ariſtoteles ſprachen ſich für dieſe
Sitte aus. Die Stoiker nahmen an, das Kind erhalte
erſt mit dem Athmen eine Seele. Erſt unter Ulpian
erfolgte ein Verbot der Fruchttödtung. Das Juſtinia-
näiſche Geſetzbuch nimmt den vierzigſten Tag nach der
Empfängniß als den Zeitpunkt der Beſeelung der Frucht
an! Die neueren Rechtslehrer erachten Empfängniß, Be-
ſeelung und Belebung als gleichzeitig erfolgend — eine
Anſicht, die ſich mit naturwiſſenſchaftlichen Daten nicht
in Einklang bringen läßt. Jn nicht chriſtlichen Ländern
weiß man nichts von einer beſeelten Frucht. Nach den
Berichten von Williams iſt das Fruchttödten auf Ma-
dagaskar ganz gewöhnlich, ebenſo die Kindertödtung.
Das Nämliche geſchieht auf Otahaiti. Jn ganz China
und auf den Geſellſchaftsinſeln iſt es ſehr gewöhnlich.
— Nur ein mit den Thatſachen im Widerſpruch ſtehender
Glaube kann eine wirkliche Beſeelung der Frucht im
Mutterleibe für möglich halten; kein einziges Zeichen,
keine Aeußerung, keine Erinnerung verräth eine ſolche.
Auch mit dem Geborenwerden, mit der Lostrennung
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Büchner, Ludwig: Kraft und Stoff. Frankfurt (Main), 1855, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_kraft_1855/180>, abgerufen am 21.11.2024.
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