vorgefunden werde. Jn der That aber lehrt uns eine genaue Kenntniß und unbefangene Beobachtung der Ein- zelnen wie der Völker in rohen und unentwickelten Bil- dungszuständen gerade das Gegentheil. Gewiß nur eine bereits befangene Meinung wird im Stande sein, in den s. g. Thierreligionen alter und neuer Völker etwas dem wahren Gottesglauben Analoges zu erkennen. Es entspricht keineswegs dem Begriffe einer Gottesidee, wenn wir die Menschen solchen Thieren eine besondere Verehrung erweisen sehen, welche ihnen erfahrungsmäßig Nutzen oder Schaden bringen; wenn der Aegypter die Kuh oder das Krokodil, wenn der Jndianer die Klapper- schlange, der Afrikaner die Congoschlange anbetet u. s. w. Den Negern auf Guinea ist ein Stein, ein Klotz, ein Baum, ein Fluß, ein Alligator, ein Bündel Lumpen, eine Schlange göttliches Jdol. Es drückt sich in solcher Verehrung nicht die Jdee an ein über Natur und Men- schen herrschendes allmächtiges und allweises Wesen, wel- ches die Weltregierung leitet, aus, sondern nur eine blinde Angst vor Naturmächten, welche dem ungebildeten Men- schen furchtbar oder überirdisch scheinen, weil er nicht im Stande ist, den inneren natürlichen Zusammenhang der Dinge zu erkennen. Wäre wirklich die Jdee eines höchsten Wesens der menschlichen Natur durch über- irdische Weisheit und in unverwischbarer Weise einge- prägt worden, so könnte es nicht möglich sein, daß dieser
vorgefunden werde. Jn der That aber lehrt uns eine genaue Kenntniß und unbefangene Beobachtung der Ein- zelnen wie der Völker in rohen und unentwickelten Bil- dungszuſtänden gerade das Gegentheil. Gewiß nur eine bereits befangene Meinung wird im Stande ſein, in den ſ. g. Thierreligionen alter und neuer Völker etwas dem wahren Gottesglauben Analoges zu erkennen. Es entſpricht keineswegs dem Begriffe einer Gottesidee, wenn wir die Menſchen ſolchen Thieren eine beſondere Verehrung erweiſen ſehen, welche ihnen erfahrungsmäßig Nutzen oder Schaden bringen; wenn der Aegypter die Kuh oder das Krokodil, wenn der Jndianer die Klapper- ſchlange, der Afrikaner die Congoſchlange anbetet u. ſ. w. Den Negern auf Guinea iſt ein Stein, ein Klotz, ein Baum, ein Fluß, ein Alligator, ein Bündel Lumpen, eine Schlange göttliches Jdol. Es drückt ſich in ſolcher Verehrung nicht die Jdee an ein über Natur und Men- ſchen herrſchendes allmächtiges und allweiſes Weſen, wel- ches die Weltregierung leitet, aus, ſondern nur eine blinde Angſt vor Naturmächten, welche dem ungebildeten Men- ſchen furchtbar oder überirdiſch ſcheinen, weil er nicht im Stande iſt, den inneren natürlichen Zuſammenhang der Dinge zu erkennen. Wäre wirklich die Jdee eines höchſten Weſens der menſchlichen Natur durch über- irdiſche Weisheit und in unverwiſchbarer Weiſe einge- prägt worden, ſo könnte es nicht möglich ſein, daß dieſer
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vorgefunden werde. Jn der That aber lehrt uns eine
genaue Kenntniß und unbefangene Beobachtung der Ein-
zelnen wie der Völker in rohen und unentwickelten Bil-
dungszuſtänden gerade das Gegentheil. Gewiß nur eine
bereits befangene Meinung wird im Stande ſein, in den
ſ. g. Thierreligionen alter und neuer Völker etwas
dem wahren Gottesglauben Analoges zu erkennen. Es
entſpricht keineswegs dem Begriffe einer Gottesidee,
wenn wir die Menſchen ſolchen Thieren eine beſondere
Verehrung erweiſen ſehen, welche ihnen erfahrungsmäßig
Nutzen oder Schaden bringen; wenn der Aegypter die
Kuh oder das Krokodil, wenn der Jndianer die Klapper-
ſchlange, der Afrikaner die Congoſchlange anbetet u. ſ. w.
Den Negern auf Guinea iſt ein Stein, ein Klotz, ein
Baum, ein Fluß, ein Alligator, ein Bündel Lumpen,
eine Schlange göttliches Jdol. Es drückt ſich in ſolcher
Verehrung nicht die Jdee an ein über Natur und Men-
ſchen herrſchendes allmächtiges und allweiſes Weſen, wel-
ches die Weltregierung leitet, aus, ſondern nur eine blinde
Angſt vor Naturmächten, welche dem ungebildeten Men-
ſchen furchtbar oder überirdiſch ſcheinen, weil er nicht im
Stande iſt, den inneren natürlichen Zuſammenhang der
Dinge zu erkennen. Wäre wirklich die Jdee eines
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irdiſche Weisheit und in unverwiſchbarer Weiſe einge-
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Büchner, Ludwig: Kraft und Stoff. Frankfurt (Main), 1855, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_kraft_1855/202>, abgerufen am 21.11.2024.
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