Büchner, Ludwig: Kraft und Stoff. Frankfurt (Main), 1855."Jch will zur Ruh' und sterben jetzt im Schlaf -- Gegen diese ganze Anschauung hat man die Träume „Jch will zur Ruh’ und ſterben jetzt im Schlaf — Gegen dieſe ganze Anſchauung hat man die Träume <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0219" n="199"/> <cit> <quote>„Jch will zur Ruh’ und ſterben jetzt im Schlaf —<lb/> „Denn Schlaf iſt Tod. Hinweg, o Seele, fliehe<lb/> „Und ſchwebe ob dem ruhenden Gerüſt,<lb/> „Das leblos lebt, und ſchütz’ und hüte es<lb/> „Vor der heimtück’ſchen Nacht, daß ſie mich wieder<lb/> „Heraus dem Leben gibt, ꝛc.‟ —</quote> </cit><lb/> <p>Gegen dieſe ganze Anſchauung hat man die <hi rendition="#g">Träume</hi><lb/> als faktiſchen Gegenbeweis geltend zu machen verſucht<lb/> und behauptet, dieſelben zeigten, daß der Geiſt auch im<lb/> Schlafe, wenn auch in einer untergeordneten Weiſe,<lb/> thätig ſei. Dieſer ganze Einwand beruht auf einem that-<lb/> ſächlichen Jrrthum. Es iſt bekannt genug, daß die Träume<lb/> nicht den Zuſtand des eigentlichen Schlafs, ſondern nur<lb/> der Uebergangszeit zwiſchen Schlaf und Wachen, alſo<lb/> eine Art Halbwachen bezeichnen. Dieſe Bemerkung kann<lb/> jeder aufmerkſame Beobachter an ſich ſelbſt machen.<lb/> Ganz geſunde Menſchen kennen nicht einmal dieſen Ueber-<lb/> gang, ſie träumen bekanntlich überhaupt nicht. <hi rendition="#g">Der<lb/> tiefe Schlaf kennt keinen Traum,</hi> und ein aus<lb/> ſolchem Zuſtand plötzlich aufgerüttelter Menſch beſitzt<lb/> gewöhnlich eine zeitlang nach dem Erwecken ſowenig den<lb/> Gebrauch ſeiner geiſtigen Kräfte, daß dieſer Zuſtand als<lb/> criminelle Unzurechnungsfähigkeit bedingend angeſehen<lb/> wird, indem der Uebergang aus dem einen Zuſtand in<lb/> den andern allzu ſchroff und unvermittelt iſt. — Noch<lb/> mehr als der Schlaf ſind gewiſſe krankhafte Zuſtände<lb/> geeignet, dieſe Vernichtbarkeit unſers geiſtigen Weſens<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [199/0219]
„Jch will zur Ruh’ und ſterben jetzt im Schlaf —
„Denn Schlaf iſt Tod. Hinweg, o Seele, fliehe
„Und ſchwebe ob dem ruhenden Gerüſt,
„Das leblos lebt, und ſchütz’ und hüte es
„Vor der heimtück’ſchen Nacht, daß ſie mich wieder
„Heraus dem Leben gibt, ꝛc.‟ —
Gegen dieſe ganze Anſchauung hat man die Träume
als faktiſchen Gegenbeweis geltend zu machen verſucht
und behauptet, dieſelben zeigten, daß der Geiſt auch im
Schlafe, wenn auch in einer untergeordneten Weiſe,
thätig ſei. Dieſer ganze Einwand beruht auf einem that-
ſächlichen Jrrthum. Es iſt bekannt genug, daß die Träume
nicht den Zuſtand des eigentlichen Schlafs, ſondern nur
der Uebergangszeit zwiſchen Schlaf und Wachen, alſo
eine Art Halbwachen bezeichnen. Dieſe Bemerkung kann
jeder aufmerkſame Beobachter an ſich ſelbſt machen.
Ganz geſunde Menſchen kennen nicht einmal dieſen Ueber-
gang, ſie träumen bekanntlich überhaupt nicht. Der
tiefe Schlaf kennt keinen Traum, und ein aus
ſolchem Zuſtand plötzlich aufgerüttelter Menſch beſitzt
gewöhnlich eine zeitlang nach dem Erwecken ſowenig den
Gebrauch ſeiner geiſtigen Kräfte, daß dieſer Zuſtand als
criminelle Unzurechnungsfähigkeit bedingend angeſehen
wird, indem der Uebergang aus dem einen Zuſtand in
den andern allzu ſchroff und unvermittelt iſt. — Noch
mehr als der Schlaf ſind gewiſſe krankhafte Zuſtände
geeignet, dieſe Vernichtbarkeit unſers geiſtigen Weſens
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