mern, daß wir nicht da waren, als die Griechen Troja belagerten? Ebensowenig kann es uns bekümmern, daß wir nicht da sein werden, wenn zukünftige Kämpfe die Erde oder das Menschengeschlecht aufregen. Jm Gegen- theil ist die Jdee des ewigen Lebens, der Gedanke des Nichtsterbenkönnens wohl der abschreckendste, den die menschliche Phantasie ersinnen kann, und seine ganze Furchtbarkeit hat die Mythe längst in der Erzählung des nichtsterbenkönnenden Ahasverus ausgedrückt. -- Die Schulphilosophen, welche die Haltlosigkeit des Bodens, auf dem sie in der Unsterblichkeitsfrage stehen, wohl fühlen, aber gleichwohl Philosophie und Religion zusam- menschweißen wollen, haben sich mitunter auf sehr wunder- liche und unphilosophische Weise in dieser kitzlichen Frage zu helfen gesucht. "Die Sehnsucht unserer Natur," sagt z. B. Carriere, "der Drang der Erkenntniß nach der Lösung so vieler Räthsel verlangt die Unsterblichkeit, und viele Schmerzen der Erde würden eine schreiende Disso- nanz im Weltaccorde sein, wenn diese nicht dadurch ihre Auflösung in einer höheren Harmonie fände, daß jene für die Läuterung und Fortbildung der Persönlichkeit fruchtbar bleiben. Diese und andere Betrachtungen machen uns die Unsterblichkeit auf unserem Standpunkte zur subjectiven Gewißheit, zur Herzensüberzeugung etc." Herzensüberzeugungen können auch Philosophen haben, sollten aber lieber nicht davon reden. Entweder
mern, daß wir nicht da waren, als die Griechen Troja belagerten? Ebenſowenig kann es uns bekümmern, daß wir nicht da ſein werden, wenn zukünftige Kämpfe die Erde oder das Menſchengeſchlecht aufregen. Jm Gegen- theil iſt die Jdee des ewigen Lebens, der Gedanke des Nichtſterbenkönnens wohl der abſchreckendſte, den die menſchliche Phantaſie erſinnen kann, und ſeine ganze Furchtbarkeit hat die Mythe längſt in der Erzählung des nichtſterbenkönnenden Ahasverus ausgedrückt. — Die Schulphiloſophen, welche die Haltloſigkeit des Bodens, auf dem ſie in der Unſterblichkeitsfrage ſtehen, wohl fühlen, aber gleichwohl Philoſophie und Religion zuſam- menſchweißen wollen, haben ſich mitunter auf ſehr wunder- liche und unphiloſophiſche Weiſe in dieſer kitzlichen Frage zu helfen geſucht. „Die Sehnſucht unſerer Natur,‟ ſagt z. B. Carrière, „der Drang der Erkenntniß nach der Löſung ſo vieler Räthſel verlangt die Unſterblichkeit, und viele Schmerzen der Erde würden eine ſchreiende Diſſo- nanz im Weltaccorde ſein, wenn dieſe nicht dadurch ihre Auflöſung in einer höheren Harmonie fände, daß jene für die Läuterung und Fortbildung der Perſönlichkeit fruchtbar bleiben. Dieſe und andere Betrachtungen machen uns die Unſterblichkeit auf unſerem Standpunkte zur ſubjectiven Gewißheit, zur Herzensüberzeugung ꝛc.‟ Herzensüberzeugungen können auch Philoſophen haben, ſollten aber lieber nicht davon reden. Entweder
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mern, daß wir nicht da waren, als die Griechen Troja
belagerten? Ebenſowenig kann es uns bekümmern, daß
wir nicht da ſein werden, wenn zukünftige Kämpfe die
Erde oder das Menſchengeſchlecht aufregen. Jm Gegen-
theil iſt die Jdee des ewigen Lebens, der Gedanke des
Nichtſterbenkönnens wohl der abſchreckendſte, den die
menſchliche Phantaſie erſinnen kann, und ſeine ganze
Furchtbarkeit hat die Mythe längſt in der Erzählung
des nichtſterbenkönnenden Ahasverus ausgedrückt. — Die
Schulphiloſophen, welche die Haltloſigkeit des Bodens,
auf dem ſie in der Unſterblichkeitsfrage ſtehen, wohl
fühlen, aber gleichwohl Philoſophie und Religion zuſam-
menſchweißen wollen, haben ſich mitunter auf ſehr wunder-
liche und unphiloſophiſche Weiſe in dieſer kitzlichen Frage
zu helfen geſucht. „Die Sehnſucht unſerer Natur,‟ ſagt
z. B. Carrière, „der Drang der Erkenntniß nach der
Löſung ſo vieler Räthſel verlangt die Unſterblichkeit, und
viele Schmerzen der Erde würden eine ſchreiende Diſſo-
nanz im Weltaccorde ſein, wenn dieſe nicht dadurch ihre
Auflöſung in einer höheren Harmonie fände, daß jene
für die Läuterung und Fortbildung der Perſönlichkeit
fruchtbar bleiben. Dieſe und andere Betrachtungen machen
uns die Unſterblichkeit auf unſerem Standpunkte zur
ſubjectiven Gewißheit, zur Herzensüberzeugung ꝛc.‟
Herzensüberzeugungen können auch Philoſophen
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Büchner, Ludwig: Kraft und Stoff. Frankfurt (Main), 1855, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_kraft_1855/224>, abgerufen am 21.11.2024.
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