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Büchner, Ludwig: Kraft und Stoff. Frankfurt (Main), 1855.

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daß er schon aus diesem Grunde ein unwahrer sein müsse.
Abgesehen davon, daß eine solche Appellation an das
Gefühl sehr unklare und unwissenschaftliche Standpunkte
voraussetzt, so muß gewiß zugegeben werden, daß der
Gedanke an ein ewiges Leben unendlich abschreckender
ist und das innerste Gefühl unendlich mehr abstößt, als
der Gedanke an eine ewige Vernichtung. Ja dieser
letztere kann für einen philosophisch denkenden Menschen
nicht einmal etwas Abschreckendes haben. Vernichtung,
Nichtsein ist vollkommene Ruhe, Schmerzlosigkeit, Be-
freiung von allen quälenden oder überhaupt das geistige
Wesen alterirenden Eindrücken und darum auch nicht zu
fürchten. Es kann kein Schmerz in der Vernichtung
liegen, sowenig wie in der Ruhe des Schlafes, sondern
nur in dem Gedanken daran. "Die allen Menschen,
selbst den Unglücklichsten oder auch den Weisesten natür-
liche Furcht vor dem Tode ist nicht ein Grauen vor dem
Sterben, sondern, wie Montaigne richtig sagt, vor dem
Gedanken, gestorben zu sein; den also der Candidat
des Todes nach dem Sterben noch zu haben vermeint,
indem er das Cadaver, was nicht mehr er selbst ist,
doch als sich selbst im düsteren Grabe oder irgend sonstwo
denkt." Sehr wahr sagt Fichte: "Es ist ganz klar,
daß derjenige, welcher nicht existirt, auch keinerlei Schmerz
fühlt. Vernichtung, wenn sie stattfindet, ist daher aus
diesem Grunde gar kein Uebel." Kann es uns beküm-

daß er ſchon aus dieſem Grunde ein unwahrer ſein müſſe.
Abgeſehen davon, daß eine ſolche Appellation an das
Gefühl ſehr unklare und unwiſſenſchaftliche Standpunkte
vorausſetzt, ſo muß gewiß zugegeben werden, daß der
Gedanke an ein ewiges Leben unendlich abſchreckender
iſt und das innerſte Gefühl unendlich mehr abſtößt, als
der Gedanke an eine ewige Vernichtung. Ja dieſer
letztere kann für einen philoſophiſch denkenden Menſchen
nicht einmal etwas Abſchreckendes haben. Vernichtung,
Nichtſein iſt vollkommene Ruhe, Schmerzloſigkeit, Be-
freiung von allen quälenden oder überhaupt das geiſtige
Weſen alterirenden Eindrücken und darum auch nicht zu
fürchten. Es kann kein Schmerz in der Vernichtung
liegen, ſowenig wie in der Ruhe des Schlafes, ſondern
nur in dem Gedanken daran. „Die allen Menſchen,
ſelbſt den Unglücklichſten oder auch den Weiſeſten natür-
liche Furcht vor dem Tode iſt nicht ein Grauen vor dem
Sterben, ſondern, wie Montaigne richtig ſagt, vor dem
Gedanken, geſtorben zu ſein; den alſo der Candidat
des Todes nach dem Sterben noch zu haben vermeint,
indem er das Cadaver, was nicht mehr er ſelbſt iſt,
doch als ſich ſelbſt im düſteren Grabe oder irgend ſonſtwo
denkt.‟ Sehr wahr ſagt Fichte: „Es iſt ganz klar,
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[203/0223] daß er ſchon aus dieſem Grunde ein unwahrer ſein müſſe. Abgeſehen davon, daß eine ſolche Appellation an das Gefühl ſehr unklare und unwiſſenſchaftliche Standpunkte vorausſetzt, ſo muß gewiß zugegeben werden, daß der Gedanke an ein ewiges Leben unendlich abſchreckender iſt und das innerſte Gefühl unendlich mehr abſtößt, als der Gedanke an eine ewige Vernichtung. Ja dieſer letztere kann für einen philoſophiſch denkenden Menſchen nicht einmal etwas Abſchreckendes haben. Vernichtung, Nichtſein iſt vollkommene Ruhe, Schmerzloſigkeit, Be- freiung von allen quälenden oder überhaupt das geiſtige Weſen alterirenden Eindrücken und darum auch nicht zu fürchten. Es kann kein Schmerz in der Vernichtung liegen, ſowenig wie in der Ruhe des Schlafes, ſondern nur in dem Gedanken daran. „Die allen Menſchen, ſelbſt den Unglücklichſten oder auch den Weiſeſten natür- liche Furcht vor dem Tode iſt nicht ein Grauen vor dem Sterben, ſondern, wie Montaigne richtig ſagt, vor dem Gedanken, geſtorben zu ſein; den alſo der Candidat des Todes nach dem Sterben noch zu haben vermeint, indem er das Cadaver, was nicht mehr er ſelbſt iſt, doch als ſich ſelbſt im düſteren Grabe oder irgend ſonſtwo denkt.‟ Sehr wahr ſagt Fichte: „Es iſt ganz klar, daß derjenige, welcher nicht exiſtirt, auch keinerlei Schmerz fühlt. Vernichtung, wenn ſie ſtattfindet, iſt daher aus dieſem Grunde gar kein Uebel.‟ Kann es uns beküm-

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Zitationshilfe: Büchner, Ludwig: Kraft und Stoff. Frankfurt (Main), 1855, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_kraft_1855/223>, abgerufen am 21.11.2024.