Gewissen sein, wie er handelt, vorausgesetzt, daß er die Conflicte mit der menschlichen Gesellschaft und ihren Gesetzen vermeidet. Man könnte demnach mit demselben Rechte, mit dem man vorgibt, das Gute um seiner selbst willen auszuüben, behaupten, man wolle das Schlechte um seiner selbst willen thun, und es ließe sich kaum etwas logisch Triftiges dagegen einwenden. -- Jn der That nun sind alle diese theoretischen Streitigkeiten, Vorgeben, Maximen u. s. w. nach unserer Ansicht zum größten Theil nutz- und inhaltloses, unpraktisches Gerede, da die Handlungen der Menschen sich nicht nach ihnen bestimmen und niemals nach ihnen bestimmt haben. Der Einfluß, den s. g. moralische Betrachtungen auf das menschliche Thun sowohl im Leben der Völker als der Einzelnen zu allen Zeiten gehabt haben und noch haben, ist nachweisbar ein sehr geringer und im Verhältniß zu anderweitigen Motiven verschwindend kleiner. Weder thun wir das Gute, noch thun wir das Schlechte um seiner selbst willen, sondern wir thun es um unserer selbst willen, wir thun, was unserer Natur in jedem einzelnen Falle entspricht und wozu die äußeren Umstände am entscheidendsten hindrängen. "Gut ist," sagt Feuer- bach, "was dem Menschen gemäß ist, entspricht; schlecht, verwerflich, was ihm widerspricht." -- "Die Handlungen der Menschen," läßt Auerbach seinen Baumann sagen, "sind unabhängig von dem, was sie über Gott
Gewiſſen ſein, wie er handelt, vorausgeſetzt, daß er die Conflicte mit der menſchlichen Geſellſchaft und ihren Geſetzen vermeidet. Man könnte demnach mit demſelben Rechte, mit dem man vorgibt, das Gute um ſeiner ſelbſt willen auszuüben, behaupten, man wolle das Schlechte um ſeiner ſelbſt willen thun, und es ließe ſich kaum etwas logiſch Triftiges dagegen einwenden. — Jn der That nun ſind alle dieſe theoretiſchen Streitigkeiten, Vorgeben, Maximen u. ſ. w. nach unſerer Anſicht zum größten Theil nutz- und inhaltloſes, unpraktiſches Gerede, da die Handlungen der Menſchen ſich nicht nach ihnen beſtimmen und niemals nach ihnen beſtimmt haben. Der Einfluß, den ſ. g. moraliſche Betrachtungen auf das menſchliche Thun ſowohl im Leben der Völker als der Einzelnen zu allen Zeiten gehabt haben und noch haben, iſt nachweisbar ein ſehr geringer und im Verhältniß zu anderweitigen Motiven verſchwindend kleiner. Weder thun wir das Gute, noch thun wir das Schlechte um ſeiner ſelbſt willen, ſondern wir thun es um unſerer ſelbſt willen, wir thun, was unſerer Natur in jedem einzelnen Falle entſpricht und wozu die äußeren Umſtände am entſcheidendſten hindrängen. „Gut iſt,‟ ſagt Feuer- bach, „was dem Menſchen gemäß iſt, entſpricht; ſchlecht, verwerflich, was ihm widerſpricht.‟ — „Die Handlungen der Menſchen,‟ läßt Auerbach ſeinen Baumann ſagen, „ſind unabhängig von dem, was ſie über Gott
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Gewiſſen ſein, wie er handelt, vorausgeſetzt, daß er
die Conflicte mit der menſchlichen Geſellſchaft und ihren
Geſetzen vermeidet. Man könnte demnach mit demſelben
Rechte, mit dem man vorgibt, das Gute um ſeiner
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Schlechte um ſeiner ſelbſt willen thun, und es ließe ſich
kaum etwas logiſch Triftiges dagegen einwenden. — Jn
der That nun ſind alle dieſe theoretiſchen Streitigkeiten,
Vorgeben, Maximen u. ſ. w. nach unſerer Anſicht zum
größten Theil nutz- und inhaltloſes, unpraktiſches Gerede,
da die Handlungen der Menſchen ſich nicht nach ihnen
beſtimmen und niemals nach ihnen beſtimmt haben. Der
Einfluß, den ſ. g. moraliſche Betrachtungen auf das
menſchliche Thun ſowohl im Leben der Völker als der
Einzelnen zu allen Zeiten gehabt haben und noch haben,
iſt nachweisbar ein ſehr geringer und im Verhältniß zu
anderweitigen Motiven verſchwindend kleiner. Weder
thun wir das Gute, noch thun wir das Schlechte um
ſeiner ſelbſt willen, ſondern wir thun es um unſerer
ſelbſt willen, wir thun, was unſerer Natur in jedem
einzelnen Falle entſpricht und wozu die äußeren Umſtände
am entſcheidendſten hindrängen. „Gut iſt,‟ ſagt Feuer-
bach, „was dem Menſchen gemäß iſt, entſpricht; ſchlecht,
verwerflich, was ihm widerſpricht.‟ — „Die Handlungen
der Menſchen,‟ läßt Auerbach ſeinen Baumann
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Büchner, Ludwig: Kraft und Stoff. Frankfurt (Main), 1855, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_kraft_1855/268>, abgerufen am 21.11.2024.
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