Büchner, Ludwig: Kraft und Stoff. Frankfurt (Main), 1855.der Schnelligkeit des Gedanken's einander Mittheilungen Jm Mittelalter, in dieser wüsten Zeit roher Adels- der Schnelligkeit des Gedanken’s einander Mittheilungen Jm Mittelalter, in dieſer wüſten Zeit roher Adels- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0047" n="27"/> der Schnelligkeit des Gedanken’s einander Mittheilungen<lb/> machen. Solchen Thaten gegenüber muß die Mißgunſt<lb/> ſchweigen, und die Zeiten ſind vorüber, in denen eine<lb/> von der Phantaſie trüglich vorgeſpiegelte Welt den Men-<lb/> ſchen mehr galt, als die wirkliche. Mögen auch Manche<lb/> die Geſichter noch ſo ſcheinheilig verziehen, es iſt ihnen<lb/> nicht Ernſt darum; in dem, was ſie <hi rendition="#g">thun,</hi> zeigt ſich<lb/> das Gegentheil von dem, was ſie <hi rendition="#g">reden</hi>. Niemand<lb/> geißelt, Niemand kreuzigt ſich mehr; Niemand ſucht zu<lb/> entbehren, ſtatt zu genießen. Aber Jeder haſcht und<lb/> jagt mit den beſten Kräften ſeines Lebens nach den <hi rendition="#g">ma-<lb/> teriellen</hi> Gütern und Beſitzthümern der Erde, nach den<lb/> Freuden und Genüſſen, welche ihm der tauſendfach ver-<lb/> feinerte und veredelte Stoff bietet. „Die Heuchelei der<lb/> Selbſtbethörung‟, ſagt Feuerbach, „iſt das Grundlaſter<lb/> der Gegenwart.‟</p><lb/> <p>Jm Mittelalter, in dieſer wüſten Zeit roher Adels-<lb/> willkühr und fanatiſcher Pfaffenherrſchaft, hatten es an-<lb/> gebliche Diener Gottes ſo weit gebracht, daß man dem<lb/> Stoff eine conſequente Verachtung bewies und den eignen<lb/> Leib, das edle Bildwerk der Natur, an den Schandpfahl<lb/> nagelte. Einige kreuzigten, Andere marterten ſich; Haufen<lb/> von Flagellanten durchzogen das Land, ihre ſch<supplied>reck</supplied>lich<lb/> zerfleiſchten Leiber zur öffentlichen Schau trage<supplied>nd; au</supplied>f<lb/> raffinirte Weiſe ſuchte man ſich um Kraft und Geſund-<lb/> heit zu bringen, um dem Geiſte, den man als etwas<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [27/0047]
der Schnelligkeit des Gedanken’s einander Mittheilungen
machen. Solchen Thaten gegenüber muß die Mißgunſt
ſchweigen, und die Zeiten ſind vorüber, in denen eine
von der Phantaſie trüglich vorgeſpiegelte Welt den Men-
ſchen mehr galt, als die wirkliche. Mögen auch Manche
die Geſichter noch ſo ſcheinheilig verziehen, es iſt ihnen
nicht Ernſt darum; in dem, was ſie thun, zeigt ſich
das Gegentheil von dem, was ſie reden. Niemand
geißelt, Niemand kreuzigt ſich mehr; Niemand ſucht zu
entbehren, ſtatt zu genießen. Aber Jeder haſcht und
jagt mit den beſten Kräften ſeines Lebens nach den ma-
teriellen Gütern und Beſitzthümern der Erde, nach den
Freuden und Genüſſen, welche ihm der tauſendfach ver-
feinerte und veredelte Stoff bietet. „Die Heuchelei der
Selbſtbethörung‟, ſagt Feuerbach, „iſt das Grundlaſter
der Gegenwart.‟
Jm Mittelalter, in dieſer wüſten Zeit roher Adels-
willkühr und fanatiſcher Pfaffenherrſchaft, hatten es an-
gebliche Diener Gottes ſo weit gebracht, daß man dem
Stoff eine conſequente Verachtung bewies und den eignen
Leib, das edle Bildwerk der Natur, an den Schandpfahl
nagelte. Einige kreuzigten, Andere marterten ſich; Haufen
von Flagellanten durchzogen das Land, ihre ſch<supplied>reck</supplied>lich
zerfleiſchten Leiber zur öffentlichen Schau trage<supplied>nd; au</supplied>f
raffinirte Weiſe ſuchte man ſich um Kraft und Geſund-
heit zu bringen, um dem Geiſte, den man als etwas
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