selbst nur ein winziges Stückchen Natur und Theilchen Materie, unmöglich auch nur die Natur und Materie überhaupt, geschweige denn zugleich auch innerlich durch- dringend, begreifen könnten! Ein Raisonnement, so pfäf- fisch, als einfältig. Haben diejenigen, welche von Gott und nicht von der Materie ausgehen, uns jemals eine Auskunft über die Qualitäten des Stoff's oder die Ge- setze, nach denen, wie sie sagen, die Welt regiert wird, geben können? Konnten sie uns sagen, ob die Sonne gehe oder stehe? ob die Erde rund sei oder eine Ebne? was Gottes Plan und Absicht sei? u. s. w. Nein! denn es wäre eine Unmöglichkeit. "Jn der Betrachtung und Erforschung der Natur von Gott ausgehen" ist eine Redensart ohne Sinn, welche nichts bedeutet und nichts erreicht. Diejenige traurige Richtung der Naturforschung und philosophischen Naturbetrachtung, welche glaubte, von theoretischen Vordersätzen ausgehend, das Weltall con- struiren und Naturwahrheiten auf speculativem Wege ergründen zu können, ist glücklicherweise längst über- wunden, und grade aus der entgegengesetzten wissenschaft- lichen Richtung sind jene großen Fortschritte und segens- reichen Wirkungen der Naturforschung in den letzten Jahrzehnten hervorgegangen. Warum sollen also die- jenigen, welche von der Materie ausgehen, die Materie nicht begreifen können? Jn der Materie wohnen alle Natur- und geistigen Kräfte, in ihr allein können sie
ſelbſt nur ein winziges Stückchen Natur und Theilchen Materie, unmöglich auch nur die Natur und Materie überhaupt, geſchweige denn zugleich auch innerlich durch- dringend, begreifen könnten! Ein Raiſonnement, ſo pfäf- fiſch, als einfältig. Haben diejenigen, welche von Gott und nicht von der Materie ausgehen, uns jemals eine Auskunft über die Qualitäten des Stoff’s oder die Ge- ſetze, nach denen, wie ſie ſagen, die Welt regiert wird, geben können? Konnten ſie uns ſagen, ob die Sonne gehe oder ſtehe? ob die Erde rund ſei oder eine Ebne? was Gottes Plan und Abſicht ſei? u. ſ. w. Nein! denn es wäre eine Unmöglichkeit. „Jn der Betrachtung und Erforſchung der Natur von Gott ausgehen‟ iſt eine Redensart ohne Sinn, welche nichts bedeutet und nichts erreicht. Diejenige traurige Richtung der Naturforſchung und philoſophiſchen Naturbetrachtung, welche glaubte, von theoretiſchen Vorderſätzen ausgehend, das Weltall con- ſtruiren und Naturwahrheiten auf ſpeculativem Wege ergründen zu können, iſt glücklicherweiſe längſt über- wunden, und grade aus der entgegengeſetzten wiſſenſchaft- lichen Richtung ſind jene großen Fortſchritte und ſegens- reichen Wirkungen der Naturforſchung in den letzten Jahrzehnten hervorgegangen. Warum ſollen alſo die- jenigen, welche von der Materie ausgehen, die Materie nicht begreifen können? Jn der Materie wohnen alle Natur- und geiſtigen Kräfte, in ihr allein können ſie
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ſelbſt nur ein winziges Stückchen Natur und Theilchen
Materie, unmöglich auch nur die Natur und Materie
überhaupt, geſchweige denn zugleich auch innerlich durch-
dringend, begreifen könnten! Ein Raiſonnement, ſo pfäf-
fiſch, als einfältig. Haben diejenigen, welche von Gott
und nicht von der Materie ausgehen, uns jemals eine
Auskunft über die Qualitäten des Stoff’s oder die Ge-
ſetze, nach denen, wie ſie ſagen, die Welt regiert wird,
geben können? Konnten ſie uns ſagen, ob die Sonne
gehe oder ſtehe? ob die Erde rund ſei oder eine Ebne?
was Gottes Plan und Abſicht ſei? u. ſ. w. Nein!
denn es wäre eine Unmöglichkeit. „Jn der Betrachtung
und Erforſchung der Natur von Gott ausgehen‟ iſt eine
Redensart ohne Sinn, welche nichts bedeutet und nichts
erreicht. Diejenige traurige Richtung der Naturforſchung
und philoſophiſchen Naturbetrachtung, welche glaubte, von
theoretiſchen Vorderſätzen ausgehend, das Weltall con-
ſtruiren und Naturwahrheiten auf ſpeculativem Wege
ergründen zu können, iſt glücklicherweiſe längſt über-
wunden, und grade aus der entgegengeſetzten wiſſenſchaft-
lichen Richtung ſind jene großen Fortſchritte und ſegens-
reichen Wirkungen der Naturforſchung in den letzten
Jahrzehnten hervorgegangen. Warum ſollen alſo die-
jenigen, welche von der Materie ausgehen, die Materie
nicht begreifen können? Jn der Materie wohnen alle
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Büchner, Ludwig: Kraft und Stoff. Frankfurt (Main), 1855, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_kraft_1855/50>, abgerufen am 21.11.2024.
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