Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Büchner, Ludwig: Kraft und Stoff. Frankfurt (Main), 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

stituiren, und nirgends und niemals wird dieses ge-
schehen! Ueberall konnte man aus der Combination na-
türlicher Verhältnisse die Möglichkeit der sichtbaren Effekte
nachweisen oder sich vorstellen; überall fand man die-
selben Gesetze, dieselbe Regel, denselben Stoff! "Die
geschichtliche Forschung (über die Entstehungsgeschichte
der Erde) hat den Beweis geführt, daß Sonst und Jetzt
auf ganz gleicher Basis ruhen; daß die Vergangenheit
in ähnlicher Weise sich aufgewickelt hat, wie die Gegen-
wart weiterrollt, und daß die Kräfte, welche auf unserer
Erde wirksam gewesen sind, von jeher dieselben blieben."
(Burmeister.) Somit bedarf es für einen aufgeklärten
Verstand auch nicht mehr jener gewaltigen Hand, welche
von Außen hereingreifend die glühenden Geister des
Erdinnern zu einem plötzlichen Tumult aufrührt, welche
die Gewässer als Sündfluth über die Erde stürzt und
den ganzen Bau, wie weichen Thon, zu ihren Zwecken
zurechtknetet. -- Welche Abenteuerlichkeit und Ungereimt-
heit der Vorstellung liegt überdem darin, von einer
schaffenden Kraft zu reden, welche die Erde und ihre
Bewohner durch einzelne Uebergangsstufen und unge-
heure Zeiträume hindurch zu stets entwickelteren Formen
geführt habe, um sie am Ende zu einem passenden Wohn-
platz für das zuletzt auftretende Glied der Schöpfung,
für das höchst organisirte Thier, für den Menschen,
werden zu lassen! Kann eine willkührliche und mit der

ſtituiren, und nirgends und niemals wird dieſes ge-
ſchehen! Ueberall konnte man aus der Combination na-
türlicher Verhältniſſe die Möglichkeit der ſichtbaren Effekte
nachweiſen oder ſich vorſtellen; überall fand man die-
ſelben Geſetze, dieſelbe Regel, denſelben Stoff! „Die
geſchichtliche Forſchung (über die Entſtehungsgeſchichte
der Erde) hat den Beweis geführt, daß Sonſt und Jetzt
auf ganz gleicher Baſis ruhen; daß die Vergangenheit
in ähnlicher Weiſe ſich aufgewickelt hat, wie die Gegen-
wart weiterrollt, und daß die Kräfte, welche auf unſerer
Erde wirkſam geweſen ſind, von jeher dieſelben blieben.‟
(Burmeiſter.) Somit bedarf es für einen aufgeklärten
Verſtand auch nicht mehr jener gewaltigen Hand, welche
von Außen hereingreifend die glühenden Geiſter des
Erdinnern zu einem plötzlichen Tumult aufrührt, welche
die Gewäſſer als Sündfluth über die Erde ſtürzt und
den ganzen Bau, wie weichen Thon, zu ihren Zwecken
zurechtknetet. — Welche Abenteuerlichkeit und Ungereimt-
heit der Vorſtellung liegt überdem darin, von einer
ſchaffenden Kraft zu reden, welche die Erde und ihre
Bewohner durch einzelne Uebergangsſtufen und unge-
heure Zeiträume hindurch zu ſtets entwickelteren Formen
geführt habe, um ſie am Ende zu einem paſſenden Wohn-
platz für das zuletzt auftretende Glied der Schöpfung,
für das höchſt organiſirte Thier, für den Menſchen,
werden zu laſſen! Kann eine willkührliche und mit der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0083" n="63"/>
&#x017F;tituiren, und nirgends und niemals wird die&#x017F;es ge-<lb/>
&#x017F;chehen! Ueberall konnte man aus der Combination na-<lb/>
türlicher Verhältni&#x017F;&#x017F;e die Möglichkeit der &#x017F;ichtbaren Effekte<lb/>
nachwei&#x017F;en oder &#x017F;ich vor&#x017F;tellen; überall fand man die-<lb/>
&#x017F;elben Ge&#x017F;etze, die&#x017F;elbe Regel, den&#x017F;elben Stoff! &#x201E;Die<lb/>
ge&#x017F;chichtliche For&#x017F;chung (über die Ent&#x017F;tehungsge&#x017F;chichte<lb/>
der Erde) hat den Beweis geführt, daß Son&#x017F;t und Jetzt<lb/>
auf ganz gleicher Ba&#x017F;is ruhen; daß die Vergangenheit<lb/>
in ähnlicher Wei&#x017F;e &#x017F;ich aufgewickelt hat, wie die Gegen-<lb/>
wart weiterrollt, und daß die Kräfte, welche auf un&#x017F;erer<lb/>
Erde wirk&#x017F;am gewe&#x017F;en &#x017F;ind, von jeher die&#x017F;elben blieben.&#x201F;<lb/>
(Burmei&#x017F;ter.) Somit bedarf es für einen aufgeklärten<lb/>
Ver&#x017F;tand auch nicht mehr jener gewaltigen Hand, welche<lb/>
von Außen hereingreifend die glühenden Gei&#x017F;ter des<lb/>
Erdinnern zu einem plötzlichen Tumult aufrührt, welche<lb/>
die Gewä&#x017F;&#x017F;er als Sündfluth über die Erde &#x017F;türzt und<lb/>
den ganzen Bau, wie weichen Thon, zu ihren Zwecken<lb/>
zurechtknetet. &#x2014; Welche Abenteuerlichkeit und Ungereimt-<lb/>
heit der Vor&#x017F;tellung liegt überdem darin, von einer<lb/>
&#x017F;chaffenden Kraft zu reden, welche die Erde und ihre<lb/>
Bewohner durch einzelne Uebergangs&#x017F;tufen und unge-<lb/>
heure Zeiträume hindurch zu &#x017F;tets entwickelteren Formen<lb/>
geführt habe, um &#x017F;ie am Ende zu einem pa&#x017F;&#x017F;enden Wohn-<lb/>
platz für das zuletzt auftretende Glied der Schöpfung,<lb/>
für das höch&#x017F;t organi&#x017F;irte Thier, für den <hi rendition="#g">Men&#x017F;chen,</hi><lb/>
werden zu la&#x017F;&#x017F;en! Kann eine willkührliche und mit der<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[63/0083] ſtituiren, und nirgends und niemals wird dieſes ge- ſchehen! Ueberall konnte man aus der Combination na- türlicher Verhältniſſe die Möglichkeit der ſichtbaren Effekte nachweiſen oder ſich vorſtellen; überall fand man die- ſelben Geſetze, dieſelbe Regel, denſelben Stoff! „Die geſchichtliche Forſchung (über die Entſtehungsgeſchichte der Erde) hat den Beweis geführt, daß Sonſt und Jetzt auf ganz gleicher Baſis ruhen; daß die Vergangenheit in ähnlicher Weiſe ſich aufgewickelt hat, wie die Gegen- wart weiterrollt, und daß die Kräfte, welche auf unſerer Erde wirkſam geweſen ſind, von jeher dieſelben blieben.‟ (Burmeiſter.) Somit bedarf es für einen aufgeklärten Verſtand auch nicht mehr jener gewaltigen Hand, welche von Außen hereingreifend die glühenden Geiſter des Erdinnern zu einem plötzlichen Tumult aufrührt, welche die Gewäſſer als Sündfluth über die Erde ſtürzt und den ganzen Bau, wie weichen Thon, zu ihren Zwecken zurechtknetet. — Welche Abenteuerlichkeit und Ungereimt- heit der Vorſtellung liegt überdem darin, von einer ſchaffenden Kraft zu reden, welche die Erde und ihre Bewohner durch einzelne Uebergangsſtufen und unge- heure Zeiträume hindurch zu ſtets entwickelteren Formen geführt habe, um ſie am Ende zu einem paſſenden Wohn- platz für das zuletzt auftretende Glied der Schöpfung, für das höchſt organiſirte Thier, für den Menſchen, werden zu laſſen! Kann eine willkührliche und mit der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_kraft_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_kraft_1855/83
Zitationshilfe: Büchner, Ludwig: Kraft und Stoff. Frankfurt (Main), 1855, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_kraft_1855/83>, abgerufen am 23.11.2024.