sie sich nur durch gleichartige Zeugung, nur unter Vor- aussetzung von Eltern entwickeln, so bleibt die Frage nach der ersten Zeugung, nach der Urzeugung dieser Wesen eine offne und scheint auf den ersten Anblick nicht ohne die Annahme einer höheren Macht gelöst werden zu können, welche die ersten Organismen aus eigner Machtvollkommenheit und nach freiem Belieben geschaffen und ihnen die Fähigkeit der Fortpflanzung mit auf den Weg gegeben habe. Mit Befriedigung weisen gläubige Naturforscher auf diese Thatsache hin, erinnern zugleich an die kunstvolle und zusammengesetzte Construc- tion der organischen Welt und erkennen darin mit Ueber- zeugung das Walten und die Absicht jener höheren un- mittelbaren Schöpferkraft, welche man bald mit diesem, bald mit jenem Namen zu bezeichnen pflegt. "Ein un- lösbares Räthsel", sagt B. Cotta, "bei dem wir nur an die unerforschliche Macht eines Schöpfers appelliren können, ist ebenso wie der erste Ursprung der Erdmasse, auch die Entstehung organischer Wesen." -- Man könnte diesen Gläubigen, ohne sich allzuviel mit einer natürlichen Erklärung des organischen Wachsthums zu bemühen, ant- worten, es seien die Keime zu allem Lebendigen, versehen mit der Jdee der Gattung, von Ewigkeit her und der Einwirkung gewisser äußerer Umstände harrend, in jener formlosen Dunstmasse, aus welcher heraus sich die Erde nach und nach consolidirt hat, oder im Weltraum vor-
ſie ſich nur durch gleichartige Zeugung, nur unter Vor- ausſetzung von Eltern entwickeln, ſo bleibt die Frage nach der erſten Zeugung, nach der Urzeugung dieſer Weſen eine offne und ſcheint auf den erſten Anblick nicht ohne die Annahme einer höheren Macht gelöſt werden zu können, welche die erſten Organismen aus eigner Machtvollkommenheit und nach freiem Belieben geſchaffen und ihnen die Fähigkeit der Fortpflanzung mit auf den Weg gegeben habe. Mit Befriedigung weiſen gläubige Naturforſcher auf dieſe Thatſache hin, erinnern zugleich an die kunſtvolle und zuſammengeſetzte Conſtruc- tion der organiſchen Welt und erkennen darin mit Ueber- zeugung das Walten und die Abſicht jener höheren un- mittelbaren Schöpferkraft, welche man bald mit dieſem, bald mit jenem Namen zu bezeichnen pflegt. „Ein un- lösbares Räthſel‟, ſagt B. Cotta, „bei dem wir nur an die unerforſchliche Macht eines Schöpfers appelliren können, iſt ebenſo wie der erſte Urſprung der Erdmaſſe, auch die Entſtehung organiſcher Weſen.‟ — Man könnte dieſen Gläubigen, ohne ſich allzuviel mit einer natürlichen Erklärung des organiſchen Wachsthums zu bemühen, ant- worten, es ſeien die Keime zu allem Lebendigen, verſehen mit der Jdee der Gattung, von Ewigkeit her und der Einwirkung gewiſſer äußerer Umſtände harrend, in jener formloſen Dunſtmaſſe, aus welcher heraus ſich die Erde nach und nach conſolidirt hat, oder im Weltraum vor-
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ſie ſich nur durch gleichartige Zeugung, nur unter Vor-
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nach der erſten Zeugung, nach der Urzeugung dieſer
Weſen eine offne und ſcheint auf den erſten Anblick
nicht ohne die Annahme einer höheren Macht gelöſt
werden zu können, welche die erſten Organismen aus
eigner Machtvollkommenheit und nach freiem Belieben
geſchaffen und ihnen die Fähigkeit der Fortpflanzung mit
auf den Weg gegeben habe. Mit Befriedigung weiſen
gläubige Naturforſcher auf dieſe Thatſache hin, erinnern
zugleich an die kunſtvolle und zuſammengeſetzte Conſtruc-
tion der organiſchen Welt und erkennen darin mit Ueber-
zeugung das Walten und die Abſicht jener höheren un-
mittelbaren Schöpferkraft, welche man bald mit dieſem,
bald mit jenem Namen zu bezeichnen pflegt. „Ein un-
lösbares Räthſel‟, ſagt B. Cotta, „bei dem wir nur
an die unerforſchliche Macht eines Schöpfers appelliren
können, iſt ebenſo wie der erſte Urſprung der Erdmaſſe,
auch die Entſtehung organiſcher Weſen.‟ — Man könnte
dieſen Gläubigen, ohne ſich allzuviel mit einer natürlichen
Erklärung des organiſchen Wachsthums zu bemühen, ant-
worten, es ſeien die Keime zu allem Lebendigen, verſehen
mit der Jdee der Gattung, von Ewigkeit her und der
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Büchner, Ludwig: Kraft und Stoff. Frankfurt (Main), 1855, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_kraft_1855/94>, abgerufen am 23.11.2024.
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