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Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879.

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Phrasen, sondern ein scharfer, kluger Verstand stellt Zahlen
und Thatsachen nach einem wohlberechneten Plane zusammen,
um einen bestimmten Effect zu erzielen. Eine Schrift in
welcher eine edle, freie Seele ihre tiefsten, besten Gedanken
und Empfindungen ausströmt, mit der einzigen Absicht, Gleich-
gesinnte zu stählen oder Kältere zu gleicher Gluth zu er-
wärmen, eine Schrift, in welcher nur sittliche Wahrheit und
Würde waltet, eine Schrift endlich, die keine Behauptung,
keine Folgerung, keine Phrase enthält, an welche der Autor
nicht selbst geglaubt hätte -- eine solche Schrift ist der
"Landbote" nicht und wer ihn so charakterisirt, hat ihn
nicht gelesen oder aus falscher Pietät für den Verfasser gegen
sein eigenes besseres Wissen gesündigt -- ein Drittes ist un-
denkbar. Denn der Charakter des "Landboten" liegt klar
zu Tage: ein Pamphlet, welches nur solche Thatsachen an-
führt, die zur Erreichung einer bestimmten Absicht dienlich
sind, andere Thatsachen, welche dieser Absicht entgegenstehen
könnten, verschweigt oder entstellt, und endlich auch Behaup-
tungen aufstellt, für welche der Autor die ernstliche Verant-
wortung nicht übernehmen könnte -- kurz, ein Pamphlet
von so entschieden tendenziösem Charakter, wie deren unsere
Literatur nur wenige zu verzeichnen hat. Der Beweis hie-
für wird durch wenige Hinweise erbracht sein. Konnte es
Büchner's Ueberzeugung sein, wenn er den Ertrag der Staats-
güter (anderthalb Millionen, also ein Viertheil aller Ein-
künfte) gleichfalls in die "Steuerlast", den "Blutzehnten"
einbezog? wenn er von der hessischen Justiz sagte: "Unbe-
stechlich ist sie, weil sie sich gerade theuer genug bezahlen
läßt, um keine Bestechung zu brauchen!" wenn er den Posten
"Pensionen" mit den Worten commentirte: "Dafür werden

Phraſen, ſondern ein ſcharfer, kluger Verſtand ſtellt Zahlen
und Thatſachen nach einem wohlberechneten Plane zuſammen,
um einen beſtimmten Effect zu erzielen. Eine Schrift in
welcher eine edle, freie Seele ihre tiefſten, beſten Gedanken
und Empfindungen ausſtrömt, mit der einzigen Abſicht, Gleich-
geſinnte zu ſtählen oder Kältere zu gleicher Gluth zu er-
wärmen, eine Schrift, in welcher nur ſittliche Wahrheit und
Würde waltet, eine Schrift endlich, die keine Behauptung,
keine Folgerung, keine Phraſe enthält, an welche der Autor
nicht ſelbſt geglaubt hätte — eine ſolche Schrift iſt der
"Landbote" nicht und wer ihn ſo charakteriſirt, hat ihn
nicht geleſen oder aus falſcher Pietät für den Verfaſſer gegen
ſein eigenes beſſeres Wiſſen geſündigt — ein Drittes iſt un-
denkbar. Denn der Charakter des "Landboten" liegt klar
zu Tage: ein Pamphlet, welches nur ſolche Thatſachen an-
führt, die zur Erreichung einer beſtimmten Abſicht dienlich
ſind, andere Thatſachen, welche dieſer Abſicht entgegenſtehen
könnten, verſchweigt oder entſtellt, und endlich auch Behaup-
tungen aufſtellt, für welche der Autor die ernſtliche Verant-
wortung nicht übernehmen könnte — kurz, ein Pamphlet
von ſo entſchieden tendenziöſem Charakter, wie deren unſere
Literatur nur wenige zu verzeichnen hat. Der Beweis hie-
für wird durch wenige Hinweiſe erbracht ſein. Konnte es
Büchner's Ueberzeugung ſein, wenn er den Ertrag der Staats-
güter (anderthalb Millionen, alſo ein Viertheil aller Ein-
künfte) gleichfalls in die "Steuerlaſt", den "Blutzehnten"
einbezog? wenn er von der heſſiſchen Juſtiz ſagte: "Unbe-
ſtechlich iſt ſie, weil ſie ſich gerade theuer genug bezahlen
läßt, um keine Beſtechung zu brauchen!" wenn er den Poſten
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[CXVII/0133] Phraſen, ſondern ein ſcharfer, kluger Verſtand ſtellt Zahlen und Thatſachen nach einem wohlberechneten Plane zuſammen, um einen beſtimmten Effect zu erzielen. Eine Schrift in welcher eine edle, freie Seele ihre tiefſten, beſten Gedanken und Empfindungen ausſtrömt, mit der einzigen Abſicht, Gleich- geſinnte zu ſtählen oder Kältere zu gleicher Gluth zu er- wärmen, eine Schrift, in welcher nur ſittliche Wahrheit und Würde waltet, eine Schrift endlich, die keine Behauptung, keine Folgerung, keine Phraſe enthält, an welche der Autor nicht ſelbſt geglaubt hätte — eine ſolche Schrift iſt der "Landbote" nicht und wer ihn ſo charakteriſirt, hat ihn nicht geleſen oder aus falſcher Pietät für den Verfaſſer gegen ſein eigenes beſſeres Wiſſen geſündigt — ein Drittes iſt un- denkbar. Denn der Charakter des "Landboten" liegt klar zu Tage: ein Pamphlet, welches nur ſolche Thatſachen an- führt, die zur Erreichung einer beſtimmten Abſicht dienlich ſind, andere Thatſachen, welche dieſer Abſicht entgegenſtehen könnten, verſchweigt oder entſtellt, und endlich auch Behaup- tungen aufſtellt, für welche der Autor die ernſtliche Verant- wortung nicht übernehmen könnte — kurz, ein Pamphlet von ſo entſchieden tendenziöſem Charakter, wie deren unſere Literatur nur wenige zu verzeichnen hat. Der Beweis hie- für wird durch wenige Hinweiſe erbracht ſein. Konnte es Büchner's Ueberzeugung ſein, wenn er den Ertrag der Staats- güter (anderthalb Millionen, alſo ein Viertheil aller Ein- künfte) gleichfalls in die "Steuerlaſt", den "Blutzehnten" einbezog? wenn er von der heſſiſchen Juſtiz ſagte: "Unbe- ſtechlich iſt ſie, weil ſie ſich gerade theuer genug bezahlen läßt, um keine Beſtechung zu brauchen!" wenn er den Poſten "Penſionen" mit den Worten commentirte: "Dafür werden

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Zitationshilfe: Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. CXVII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/133>, abgerufen am 24.11.2024.