komme daher, um die Veranlassung desselben zu fragen. Darauf erwiderte Rath Georgi, er habe diese Haussuchung nicht als Universitätsrichter, sondern als Regierungscommissär abgehalten, und habe in dieser Eigenschaft nichts weiter zu bemerken; hingegen müsse er als Universitätsrichter fragen, wo Büchner gewesen. Worauf dieser zu Protocoll gab, er sei nach Frankfurt gereist, um dort seinen durchreisenden Freund Boeckel aus Straßburg zu begrüßen. Damit war die Vernehmung zu Ende. Die Siegel an Büchner's Thüre wurden abgenommen und ihm seine sämmtlichen Papiere zu- rückgegeben, mit Ausnahme der in französischer Sprache ge- schriebenen Briefe einiger Straßburger Freunde und des in Darmstadt lebenden französischen Exilirten Muston, welchen er im Frühlinge kennen gelernt. Doch geschah dies nur deßhalb, weil Georgi des Französischen unkundig war und daher die Briefe durch einen Dolmetsch prüfen lassen mußte; auch sie enthielten keine Zeile, welche Büchner hätte verderb- lich werden können. Darauf pochend, von Minnigerode's Verschwiegenheit überzeugt und durch das Benehmen Georgi's in seiner Vermuthung bestärkt, daß kein bestimmter Verdacht gegen ihn vorliege, ging Büchner nun so weit, bei dem Dis- ciplinargericht der Universität eine Beschwerde gegen diesen Beamten einzureichen. Das hessische Gesetz verordnete nämlich, daß eine Haussuchung nur in Folge dringenden Verdachtes, ferner nur unter Beiziehung dreier Urkundspersonen, und endlich nur dann in Abwesenheit des Betroffenen erfolgen dürfe, wenn dieser sich drei Tage nach erfolgter Vorladung nicht dem Gerichte gestellt. Da nun Georgi keine solche Vor- ladung erlassen, keine Urkundspersonen beigezogen und endlich auch keinen "dringenden Verdacht" nachweisen konnte, so
komme daher, um die Veranlaſſung desſelben zu fragen. Darauf erwiderte Rath Georgi, er habe dieſe Hausſuchung nicht als Univerſitätsrichter, ſondern als Regierungscommiſſär abgehalten, und habe in dieſer Eigenſchaft nichts weiter zu bemerken; hingegen müſſe er als Univerſitätsrichter fragen, wo Büchner geweſen. Worauf dieſer zu Protocoll gab, er ſei nach Frankfurt gereiſt, um dort ſeinen durchreiſenden Freund Boeckel aus Straßburg zu begrüßen. Damit war die Vernehmung zu Ende. Die Siegel an Büchner's Thüre wurden abgenommen und ihm ſeine ſämmtlichen Papiere zu- rückgegeben, mit Ausnahme der in franzöſiſcher Sprache ge- ſchriebenen Briefe einiger Straßburger Freunde und des in Darmſtadt lebenden franzöſiſchen Exilirten Muſton, welchen er im Frühlinge kennen gelernt. Doch geſchah dies nur deßhalb, weil Georgi des Franzöſiſchen unkundig war und daher die Briefe durch einen Dolmetſch prüfen laſſen mußte; auch ſie enthielten keine Zeile, welche Büchner hätte verderb- lich werden können. Darauf pochend, von Minnigerode's Verſchwiegenheit überzeugt und durch das Benehmen Georgi's in ſeiner Vermuthung beſtärkt, daß kein beſtimmter Verdacht gegen ihn vorliege, ging Büchner nun ſo weit, bei dem Dis- ciplinargericht der Univerſität eine Beſchwerde gegen dieſen Beamten einzureichen. Das heſſiſche Geſetz verordnete nämlich, daß eine Hausſuchung nur in Folge dringenden Verdachtes, ferner nur unter Beiziehung dreier Urkundsperſonen, und endlich nur dann in Abweſenheit des Betroffenen erfolgen dürfe, wenn dieſer ſich drei Tage nach erfolgter Vorladung nicht dem Gerichte geſtellt. Da nun Georgi keine ſolche Vor- ladung erlaſſen, keine Urkundsperſonen beigezogen und endlich auch keinen "dringenden Verdacht" nachweiſen konnte, ſo
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[CXXXII/0148]
komme daher, um die Veranlaſſung desſelben zu fragen.
Darauf erwiderte Rath Georgi, er habe dieſe Hausſuchung
nicht als Univerſitätsrichter, ſondern als Regierungscommiſſär
abgehalten, und habe in dieſer Eigenſchaft nichts weiter zu
bemerken; hingegen müſſe er als Univerſitätsrichter fragen,
wo Büchner geweſen. Worauf dieſer zu Protocoll gab, er
ſei nach Frankfurt gereiſt, um dort ſeinen durchreiſenden
Freund Boeckel aus Straßburg zu begrüßen. Damit war die
Vernehmung zu Ende. Die Siegel an Büchner's Thüre
wurden abgenommen und ihm ſeine ſämmtlichen Papiere zu-
rückgegeben, mit Ausnahme der in franzöſiſcher Sprache ge-
ſchriebenen Briefe einiger Straßburger Freunde und des in
Darmſtadt lebenden franzöſiſchen Exilirten Muſton, welchen
er im Frühlinge kennen gelernt. Doch geſchah dies nur
deßhalb, weil Georgi des Franzöſiſchen unkundig war und
daher die Briefe durch einen Dolmetſch prüfen laſſen mußte;
auch ſie enthielten keine Zeile, welche Büchner hätte verderb-
lich werden können. Darauf pochend, von Minnigerode's
Verſchwiegenheit überzeugt und durch das Benehmen Georgi's
in ſeiner Vermuthung beſtärkt, daß kein beſtimmter Verdacht
gegen ihn vorliege, ging Büchner nun ſo weit, bei dem Dis-
ciplinargericht der Univerſität eine Beſchwerde gegen dieſen
Beamten einzureichen. Das heſſiſche Geſetz verordnete nämlich,
daß eine Hausſuchung nur in Folge dringenden Verdachtes,
ferner nur unter Beiziehung dreier Urkundsperſonen, und
endlich nur dann in Abweſenheit des Betroffenen erfolgen
dürfe, wenn dieſer ſich drei Tage nach erfolgter Vorladung
nicht dem Gerichte geſtellt. Da nun Georgi keine ſolche Vor-
ladung erlaſſen, keine Urkundsperſonen beigezogen und endlich
auch keinen "dringenden Verdacht" nachweiſen konnte, ſo
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Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. CXXXII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/148>, abgerufen am 21.11.2024.
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