klagte ihn Büchner wegen Mißbrauchs der Amtsgewalt an. Das Disciplinargericht wies die Klage ab, weil Georgi nicht als Universitätsrichter, sondern als Regierungscommissär gehandelt und Büchner hielt es im Bewußtsein seiner Schuld für klug, sich damit zu begnügen und die Sache nicht auf die Spitze zu treiben. Jene Briefe wurden ihm nicht erstattet, im Uebrigen ließ man ihn ganz unbehelligt.
Daß Minnigerode keineswegs durch einen Zufall, sondern in Folge einer Denunciation verhaftet worden, hat Büchner erst nach Jahren erfahren und er ist aus der Welt geschieden, ohne den wirklichen Verräther zu kennen. Der Jüngling, den er später mit diesem Verdachte belud, sein einstiger Freund Gustav Klemm, hatte wirklich Vieles auf dem Gewissen, aber von dieser Schandthat war er frei. Der Denunciant war ein Anderer, kein Mitglied der "Gesellschaft der Men- schenrechte", sondern ein Mann aus Weidig's "zwanglosem und darum doppelt verläßlichem Kreise", ein Butzbacher Bürger, Namens Kuhl. Der Charakter dieses Menschen, und die Art, wie er seine Denunciationen betrieb, werfen ein so grelles Licht auf den Staat, welcher sich seiner be- diente, und sind an sich so merkwürdig, daß wir uns selbst dann eine nähere Darstellung derselben schwer versagen würden, wenn dies Subject keinen Einfluß auf Büchner's Schicksal gehabt hätte. Doch war dies thatsächlich der Fall; sein Wille allein bestimmte es, daß Büchner nicht gleichzeitig mit Minnigerode verhaftet wurde, daß er noch bis zum Früh- ling 1835 in der Heimath verweilen und dann noch recht- zeitig flüchten konnte. Der Wille und das Wohlwollen eines der schändlichsten Menschen, die je gelebt! Wahrlich!
klagte ihn Büchner wegen Mißbrauchs der Amtsgewalt an. Das Disciplinargericht wies die Klage ab, weil Georgi nicht als Univerſitätsrichter, ſondern als Regierungscommiſſär gehandelt und Büchner hielt es im Bewußtſein ſeiner Schuld für klug, ſich damit zu begnügen und die Sache nicht auf die Spitze zu treiben. Jene Briefe wurden ihm nicht erſtattet, im Uebrigen ließ man ihn ganz unbehelligt.
Daß Minnigerode keineswegs durch einen Zufall, ſondern in Folge einer Denunciation verhaftet worden, hat Büchner erſt nach Jahren erfahren und er iſt aus der Welt geſchieden, ohne den wirklichen Verräther zu kennen. Der Jüngling, den er ſpäter mit dieſem Verdachte belud, ſein einſtiger Freund Guſtav Klemm, hatte wirklich Vieles auf dem Gewiſſen, aber von dieſer Schandthat war er frei. Der Denunciant war ein Anderer, kein Mitglied der "Geſellſchaft der Men- ſchenrechte", ſondern ein Mann aus Weidig's "zwangloſem und darum doppelt verläßlichem Kreiſe", ein Butzbacher Bürger, Namens Kuhl. Der Charakter dieſes Menſchen, und die Art, wie er ſeine Denunciationen betrieb, werfen ein ſo grelles Licht auf den Staat, welcher ſich ſeiner be- diente, und ſind an ſich ſo merkwürdig, daß wir uns ſelbſt dann eine nähere Darſtellung derſelben ſchwer verſagen würden, wenn dies Subject keinen Einfluß auf Büchner's Schickſal gehabt hätte. Doch war dies thatſächlich der Fall; ſein Wille allein beſtimmte es, daß Büchner nicht gleichzeitig mit Minnigerode verhaftet wurde, daß er noch bis zum Früh- ling 1835 in der Heimath verweilen und dann noch recht- zeitig flüchten konnte. Der Wille und das Wohlwollen eines der ſchändlichſten Menſchen, die je gelebt! Wahrlich!
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0149"n="CXXXIII"/>
klagte ihn Büchner wegen Mißbrauchs der Amtsgewalt an.<lb/>
Das Disciplinargericht wies die Klage ab, weil Georgi nicht<lb/>
als Univerſitätsrichter, ſondern als Regierungscommiſſär<lb/>
gehandelt und Büchner hielt es im Bewußtſein ſeiner Schuld<lb/>
für klug, ſich damit zu begnügen und die Sache nicht auf die<lb/>
Spitze zu treiben. Jene Briefe wurden ihm nicht erſtattet,<lb/>
im Uebrigen ließ man ihn ganz unbehelligt.</p><lb/><p>Daß Minnigerode keineswegs durch einen Zufall, ſondern<lb/>
in Folge einer Denunciation verhaftet worden, hat Büchner<lb/>
erſt nach Jahren erfahren und er iſt aus der Welt geſchieden,<lb/>
ohne den wirklichen Verräther zu kennen. Der Jüngling,<lb/>
den er ſpäter mit dieſem Verdachte belud, ſein einſtiger Freund<lb/>
Guſtav Klemm, hatte wirklich Vieles auf dem Gewiſſen,<lb/>
aber von dieſer Schandthat war er frei. Der Denunciant<lb/>
war ein Anderer, kein Mitglied der "Geſellſchaft der Men-<lb/>ſchenrechte", ſondern ein Mann aus Weidig's "zwangloſem<lb/>
und darum doppelt verläßlichem Kreiſe", ein Butzbacher<lb/>
Bürger, Namens <hirendition="#g">Kuhl</hi>. Der Charakter dieſes Menſchen,<lb/>
und die Art, wie er ſeine Denunciationen betrieb, werfen<lb/>
ein ſo grelles Licht auf den Staat, welcher ſich ſeiner be-<lb/>
diente, und ſind an ſich ſo merkwürdig, daß wir uns ſelbſt<lb/>
dann eine nähere Darſtellung derſelben ſchwer verſagen würden,<lb/>
wenn dies Subject keinen Einfluß auf Büchner's Schickſal<lb/>
gehabt hätte. Doch war dies thatſächlich der Fall; ſein<lb/>
Wille allein beſtimmte es, daß Büchner nicht gleichzeitig mit<lb/>
Minnigerode verhaftet wurde, daß er noch bis zum Früh-<lb/>
ling 1835 in der Heimath verweilen und dann noch recht-<lb/>
zeitig flüchten konnte. Der Wille und das Wohlwollen<lb/>
eines der ſchändlichſten Menſchen, die je gelebt! Wahrlich!<lb/></p></div></body></text></TEI>
[CXXXIII/0149]
klagte ihn Büchner wegen Mißbrauchs der Amtsgewalt an.
Das Disciplinargericht wies die Klage ab, weil Georgi nicht
als Univerſitätsrichter, ſondern als Regierungscommiſſär
gehandelt und Büchner hielt es im Bewußtſein ſeiner Schuld
für klug, ſich damit zu begnügen und die Sache nicht auf die
Spitze zu treiben. Jene Briefe wurden ihm nicht erſtattet,
im Uebrigen ließ man ihn ganz unbehelligt.
Daß Minnigerode keineswegs durch einen Zufall, ſondern
in Folge einer Denunciation verhaftet worden, hat Büchner
erſt nach Jahren erfahren und er iſt aus der Welt geſchieden,
ohne den wirklichen Verräther zu kennen. Der Jüngling,
den er ſpäter mit dieſem Verdachte belud, ſein einſtiger Freund
Guſtav Klemm, hatte wirklich Vieles auf dem Gewiſſen,
aber von dieſer Schandthat war er frei. Der Denunciant
war ein Anderer, kein Mitglied der "Geſellſchaft der Men-
ſchenrechte", ſondern ein Mann aus Weidig's "zwangloſem
und darum doppelt verläßlichem Kreiſe", ein Butzbacher
Bürger, Namens Kuhl. Der Charakter dieſes Menſchen,
und die Art, wie er ſeine Denunciationen betrieb, werfen
ein ſo grelles Licht auf den Staat, welcher ſich ſeiner be-
diente, und ſind an ſich ſo merkwürdig, daß wir uns ſelbſt
dann eine nähere Darſtellung derſelben ſchwer verſagen würden,
wenn dies Subject keinen Einfluß auf Büchner's Schickſal
gehabt hätte. Doch war dies thatſächlich der Fall; ſein
Wille allein beſtimmte es, daß Büchner nicht gleichzeitig mit
Minnigerode verhaftet wurde, daß er noch bis zum Früh-
ling 1835 in der Heimath verweilen und dann noch recht-
zeitig flüchten konnte. Der Wille und das Wohlwollen
eines der ſchändlichſten Menſchen, die je gelebt! Wahrlich!
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. CXXXIII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/149>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.