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Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879.

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und, sagt du Thil "es war kein Grund vorhanden, ihm
dies zu versagen". So schrieb, unterschrieb und siegelte denn
Ludwig II. zu Darmstadt den 17. Juni 1833 eine neue
Urkunde auf Kuhl's Namen lautend, und diese wurde ihm
eingehändigt, nachdem er jene erste zurückgegeben. Aber
siehe! -- die zweite unterschied sich gar sehr von der ersten,
es stand kein Wort mehr darin von der "Verschwiegenheit"
und "Erkenntlichkeit" und statt "Ungestraftheit der Person"
war dem Kuhl nur eine "Begnadigung" für den Fall seiner
Verurtheilung zugesichert!!! Was Kuhl dazu sagte, steht
nicht in den Acten, wohl aber wie er handelte: als miß-
trauischer Geschäftsmann, oder, wie Herr du Thil klagt: "er
trieb von da ab ein doppeltes Spiel". Das bezieht sich nicht
darauf, daß er in fortwährendem Verkehr mit Weidig und Ge-
nossen blieb -- das mußte er als Denunciant von Amts-
wegen thun; auch nicht darauf, daß er eine ganze Reihe un-
mündiger Bursche für die revolutionäre Partei warb und zu
wahnwitzigen Streichen entflammte -- ist ein Denunciant
so geschickt, zugleich als Agent provocateur zu dienen, so kann
dies seinen Auftraggebern gewiß nur recht sein. Auch Herrn
du Thil war es recht -- seine Klage bezog sich nur darauf,
daß Kuhl auch der Polizei nicht die volle Wahrheit sage.
Und diese Klage war begründet, Kuhl hatte sich da ein
eigenes System zurechtgelegt. Erstens machte er keine neue
Anzeige, ehe er nicht für die frühere baar bezahlt worden,
zweitens verrieth er nur Jene, die ihm gleichgiltig waren oder
denen er übel wollte, drittens verrieth er Jene, die er haßte, nur
insoweit, daß hiedurch keinesfalls die ganze Verschwörung in die
Hände der Regierung fallen konnte -- sonst hätte er sich ja
mit eigener Hand sein ganzes schönes Geschäft ruinirt!

und, ſagt du Thil "es war kein Grund vorhanden, ihm
dies zu verſagen". So ſchrieb, unterſchrieb und ſiegelte denn
Ludwig II. zu Darmſtadt den 17. Juni 1833 eine neue
Urkunde auf Kuhl's Namen lautend, und dieſe wurde ihm
eingehändigt, nachdem er jene erſte zurückgegeben. Aber
ſiehe! — die zweite unterſchied ſich gar ſehr von der erſten,
es ſtand kein Wort mehr darin von der "Verſchwiegenheit"
und "Erkenntlichkeit" und ſtatt "Ungeſtraftheit der Perſon"
war dem Kuhl nur eine "Begnadigung" für den Fall ſeiner
Verurtheilung zugeſichert!!! Was Kuhl dazu ſagte, ſteht
nicht in den Acten, wohl aber wie er handelte: als miß-
trauiſcher Geſchäftsmann, oder, wie Herr du Thil klagt: "er
trieb von da ab ein doppeltes Spiel". Das bezieht ſich nicht
darauf, daß er in fortwährendem Verkehr mit Weidig und Ge-
noſſen blieb — das mußte er als Denunciant von Amts-
wegen thun; auch nicht darauf, daß er eine ganze Reihe un-
mündiger Burſche für die revolutionäre Partei warb und zu
wahnwitzigen Streichen entflammte — iſt ein Denunciant
ſo geſchickt, zugleich als Agent provocateur zu dienen, ſo kann
dies ſeinen Auftraggebern gewiß nur recht ſein. Auch Herrn
du Thil war es recht — ſeine Klage bezog ſich nur darauf,
daß Kuhl auch der Polizei nicht die volle Wahrheit ſage.
Und dieſe Klage war begründet, Kuhl hatte ſich da ein
eigenes Syſtem zurechtgelegt. Erſtens machte er keine neue
Anzeige, ehe er nicht für die frühere baar bezahlt worden,
zweitens verrieth er nur Jene, die ihm gleichgiltig waren oder
denen er übel wollte, drittens verrieth er Jene, die er haßte, nur
inſoweit, daß hiedurch keinesfalls die ganze Verſchwörung in die
Hände der Regierung fallen konnte — ſonſt hätte er ſich ja
mit eigener Hand ſein ganzes ſchönes Geſchäft ruinirt!

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[CXXXVIII/0154] und, ſagt du Thil "es war kein Grund vorhanden, ihm dies zu verſagen". So ſchrieb, unterſchrieb und ſiegelte denn Ludwig II. zu Darmſtadt den 17. Juni 1833 eine neue Urkunde auf Kuhl's Namen lautend, und dieſe wurde ihm eingehändigt, nachdem er jene erſte zurückgegeben. Aber ſiehe! — die zweite unterſchied ſich gar ſehr von der erſten, es ſtand kein Wort mehr darin von der "Verſchwiegenheit" und "Erkenntlichkeit" und ſtatt "Ungeſtraftheit der Perſon" war dem Kuhl nur eine "Begnadigung" für den Fall ſeiner Verurtheilung zugeſichert!!! Was Kuhl dazu ſagte, ſteht nicht in den Acten, wohl aber wie er handelte: als miß- trauiſcher Geſchäftsmann, oder, wie Herr du Thil klagt: "er trieb von da ab ein doppeltes Spiel". Das bezieht ſich nicht darauf, daß er in fortwährendem Verkehr mit Weidig und Ge- noſſen blieb — das mußte er als Denunciant von Amts- wegen thun; auch nicht darauf, daß er eine ganze Reihe un- mündiger Burſche für die revolutionäre Partei warb und zu wahnwitzigen Streichen entflammte — iſt ein Denunciant ſo geſchickt, zugleich als Agent provocateur zu dienen, ſo kann dies ſeinen Auftraggebern gewiß nur recht ſein. Auch Herrn du Thil war es recht — ſeine Klage bezog ſich nur darauf, daß Kuhl auch der Polizei nicht die volle Wahrheit ſage. Und dieſe Klage war begründet, Kuhl hatte ſich da ein eigenes Syſtem zurechtgelegt. Erſtens machte er keine neue Anzeige, ehe er nicht für die frühere baar bezahlt worden, zweitens verrieth er nur Jene, die ihm gleichgiltig waren oder denen er übel wollte, drittens verrieth er Jene, die er haßte, nur inſoweit, daß hiedurch keinesfalls die ganze Verſchwörung in die Hände der Regierung fallen konnte — ſonſt hätte er ſich ja mit eigener Hand ſein ganzes ſchönes Geſchäft ruinirt!

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Zitationshilfe: Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. CXXXVIII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/154>, abgerufen am 23.11.2024.