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Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879.

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zu hoch, um den Meineid zu predigen. Im Prozesse gegen
den ersteren bildete die Meineids-Theorie einen der Haupt-
punkte der Anklage, was jedoch an "Beweisen" hiefür auf-
gebracht wurde, könnte keinen gerechten Richter zu einem
"Schuldig!" bewegen. Das rechte Licht über die Aussage
jenes bereitwilligen Zeugen gibt übrigens folgende Mitthei-
lung August Beckers: "Es gehörte zu den Verkehrtheiten
meiner Jugend, die unsinnigsten Paradoxen aufzustellen und
sie mit der größten Hartnäckigkeit zu vertheidigen. Wenn
ich z. B. einmal öffentlich behauptete, daß Dr. Luther und
Schinderhannes die zwei größten Deutschen gewesen, so wird
mir jeder, der mich kennt, zugeben, daß dies nicht mein Ernst
gewesen sein könne. Ich könnte eine ganze Liste ähnlicher
Sätze, die ich vertheidigt habe, anführen. In diesem
Sinne mag ich vielleicht auch einmal den falschen Eid
vertheidigt haben. Auch Büchner hatte einige Sophismen
über den falschen Eid in Bereitschaft, die er oft zum Scherz
aufstellte und die "falsche Eidestheorie" nannte."Das klingt
nach jeder Richtung glaubwürdig. Ueber einen anderen Dis-
cussionsabend berichtet Wilhelm Büchner, jedoch nur vom
Hörensagen, da ihn sein Bruder nie in jene Gesellschaft
einführte. Man debattirte mehrere Stunden darüber, ob es
klüger sei, sogleich eine einheitliche Republik anzustreben, oder
sich vorerst darauf zu beschränken, die anderen Dynastien zu
Gunsten der Hohenzollern zu beseitigen und im geeinten
Deutschland die Revolution zu bewirken. Für beide An-
sichten seien leidenschaftliche Verfechter aufgetreten, bis sich die
Versammlung endlich, mit der Motivirung, "das mit den
Hohenzollern gäbe nur doppelte Arbeit", für den ersteren
Weg entschieden.


zu hoch, um den Meineid zu predigen. Im Prozeſſe gegen
den erſteren bildete die Meineids-Theorie einen der Haupt-
punkte der Anklage, was jedoch an "Beweiſen" hiefür auf-
gebracht wurde, könnte keinen gerechten Richter zu einem
"Schuldig!" bewegen. Das rechte Licht über die Ausſage
jenes bereitwilligen Zeugen gibt übrigens folgende Mitthei-
lung Auguſt Beckers: "Es gehörte zu den Verkehrtheiten
meiner Jugend, die unſinnigſten Paradoxen aufzuſtellen und
ſie mit der größten Hartnäckigkeit zu vertheidigen. Wenn
ich z. B. einmal öffentlich behauptete, daß Dr. Luther und
Schinderhannes die zwei größten Deutſchen geweſen, ſo wird
mir jeder, der mich kennt, zugeben, daß dies nicht mein Ernſt
geweſen ſein könne. Ich könnte eine ganze Liſte ähnlicher
Sätze, die ich vertheidigt habe, anführen. In dieſem
Sinne mag ich vielleicht auch einmal den falſchen Eid
vertheidigt haben. Auch Büchner hatte einige Sophismen
über den falſchen Eid in Bereitſchaft, die er oft zum Scherz
aufſtellte und die "falſche Eidestheorie" nannte."Das klingt
nach jeder Richtung glaubwürdig. Ueber einen anderen Dis-
cuſſionsabend berichtet Wilhelm Büchner, jedoch nur vom
Hörenſagen, da ihn ſein Bruder nie in jene Geſellſchaft
einführte. Man debattirte mehrere Stunden darüber, ob es
klüger ſei, ſogleich eine einheitliche Republik anzuſtreben, oder
ſich vorerſt darauf zu beſchränken, die anderen Dynaſtien zu
Gunſten der Hohenzollern zu beſeitigen und im geeinten
Deutſchland die Revolution zu bewirken. Für beide An-
ſichten ſeien leidenſchaftliche Verfechter aufgetreten, bis ſich die
Verſammlung endlich, mit der Motivirung, "das mit den
Hohenzollern gäbe nur doppelte Arbeit", für den erſteren
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Zitationshilfe: Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. CLI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/167>, abgerufen am 23.11.2024.