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Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879.

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Außer diesen nächtlichen Versammlungen vereinigten sich
die Jünglinge an einigen Tagen der Woche in kleineren
Gruppen zur Uebung in den Waffen. In einem verfallenen
Kornspeicher wurde das Säbel- und Bajonettfechten geübt
und mit der Pistole nach der Scheibe geschossen. Fast alle
Theilnehmer waren gut bewaffnet und hielten auch bedeutende
Schießvorräthe verborgen. Zu ihrem Glück ergab sich keinerlei
Gelegenheit, ernsten Gebrauch davon zu machen. Die äußere
Wirksamkeit der "Gesellschaft" beschränkte sich darauf, den
zu Darmstadt und Friedberg Verhafteten Nachrichten zu-
kommen zu lassen und Versuche zu ihrer Befreiung zu machen.
Beides wurde mit vielem Scharfsinn in's Werk gesetzt. So
war es den Gefangenen einzig gestattet, sich eine Bibel und
den Zuckervorrath von Auswärts kommen zu lassen, aber
die Verbündeten wußten dies auszunützen. In den Bibeln
wurden auf einer der ersten Seiten einzelne Buchstaben mit
Punkten versehen und so zu Worten und Sätzen formirt --
das Ganze mußte von der Rechten zur Linken, also nach
Art der Hebräer, zusammengelesen werden. Unter den Zucker-
stücken aber befanden sich immer einige mit fein eingebohrten
Röhrchen, in welche dicht zusammengerollte, eng beschriebene
Zettelchen gesteckt waren. Die Correspondenz durch die Bibel
wurde bald entdeckt und als der Kerkermeister einmal seinen
Morgenkaffee aus der Zuckerdüte der Gefangenen versüßte und
plötzlich zu seinem Erstaunen ein Zettelchen auf der Oberfläche
des braunen Tranke auftauchen sah, da ward auch dies an-
dere Mittel der Verständigung unmöglich gemacht. So führten
denn die Bemühungen Büchner's und seiner Anhänger nur
zu dem Resultat, daß ihre armen Freunde die Bibel ent-
behren und bittern Kaffee trinken mußten. Auch die Be-

Außer dieſen nächtlichen Verſammlungen vereinigten ſich
die Jünglinge an einigen Tagen der Woche in kleineren
Gruppen zur Uebung in den Waffen. In einem verfallenen
Kornſpeicher wurde das Säbel- und Bajonettfechten geübt
und mit der Piſtole nach der Scheibe geſchoſſen. Faſt alle
Theilnehmer waren gut bewaffnet und hielten auch bedeutende
Schießvorräthe verborgen. Zu ihrem Glück ergab ſich keinerlei
Gelegenheit, ernſten Gebrauch davon zu machen. Die äußere
Wirkſamkeit der "Geſellſchaft" beſchränkte ſich darauf, den
zu Darmſtadt und Friedberg Verhafteten Nachrichten zu-
kommen zu laſſen und Verſuche zu ihrer Befreiung zu machen.
Beides wurde mit vielem Scharfſinn in's Werk geſetzt. So
war es den Gefangenen einzig geſtattet, ſich eine Bibel und
den Zuckervorrath von Auswärts kommen zu laſſen, aber
die Verbündeten wußten dies auszunützen. In den Bibeln
wurden auf einer der erſten Seiten einzelne Buchſtaben mit
Punkten verſehen und ſo zu Worten und Sätzen formirt —
das Ganze mußte von der Rechten zur Linken, alſo nach
Art der Hebräer, zuſammengeleſen werden. Unter den Zucker-
ſtücken aber befanden ſich immer einige mit fein eingebohrten
Röhrchen, in welche dicht zuſammengerollte, eng beſchriebene
Zettelchen geſteckt waren. Die Correſpondenz durch die Bibel
wurde bald entdeckt und als der Kerkermeiſter einmal ſeinen
Morgenkaffee aus der Zuckerdüte der Gefangenen verſüßte und
plötzlich zu ſeinem Erſtaunen ein Zettelchen auf der Oberfläche
des braunen Tranke auftauchen ſah, da ward auch dies an-
dere Mittel der Verſtändigung unmöglich gemacht. So führten
denn die Bemühungen Büchner's und ſeiner Anhänger nur
zu dem Reſultat, daß ihre armen Freunde die Bibel ent-
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[CLII/0168] Außer dieſen nächtlichen Verſammlungen vereinigten ſich die Jünglinge an einigen Tagen der Woche in kleineren Gruppen zur Uebung in den Waffen. In einem verfallenen Kornſpeicher wurde das Säbel- und Bajonettfechten geübt und mit der Piſtole nach der Scheibe geſchoſſen. Faſt alle Theilnehmer waren gut bewaffnet und hielten auch bedeutende Schießvorräthe verborgen. Zu ihrem Glück ergab ſich keinerlei Gelegenheit, ernſten Gebrauch davon zu machen. Die äußere Wirkſamkeit der "Geſellſchaft" beſchränkte ſich darauf, den zu Darmſtadt und Friedberg Verhafteten Nachrichten zu- kommen zu laſſen und Verſuche zu ihrer Befreiung zu machen. Beides wurde mit vielem Scharfſinn in's Werk geſetzt. So war es den Gefangenen einzig geſtattet, ſich eine Bibel und den Zuckervorrath von Auswärts kommen zu laſſen, aber die Verbündeten wußten dies auszunützen. In den Bibeln wurden auf einer der erſten Seiten einzelne Buchſtaben mit Punkten verſehen und ſo zu Worten und Sätzen formirt — das Ganze mußte von der Rechten zur Linken, alſo nach Art der Hebräer, zuſammengeleſen werden. Unter den Zucker- ſtücken aber befanden ſich immer einige mit fein eingebohrten Röhrchen, in welche dicht zuſammengerollte, eng beſchriebene Zettelchen geſteckt waren. Die Correſpondenz durch die Bibel wurde bald entdeckt und als der Kerkermeiſter einmal ſeinen Morgenkaffee aus der Zuckerdüte der Gefangenen verſüßte und plötzlich zu ſeinem Erſtaunen ein Zettelchen auf der Oberfläche des braunen Tranke auftauchen ſah, da ward auch dies an- dere Mittel der Verſtändigung unmöglich gemacht. So führten denn die Bemühungen Büchner's und ſeiner Anhänger nur zu dem Reſultat, daß ihre armen Freunde die Bibel ent- behren und bittern Kaffee trinken mußten. Auch die Be-

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Zitationshilfe: Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. CLII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/168>, abgerufen am 23.11.2024.