der Freiheit verzweifelnd, wollte er durch eine Dichtung, welche den Triumph der Republik verherrlichen sollte, sich und An- deren Muth einsprechen. Es war also nur ein Aufbäumen seiner trotzigen Natur, welche darnach rang, die eigene Reue und Hoffnungslosigkeit abzuschütteln. Daß er den Stoff aus der französischen Revolution entnehmen müsse, stand ihm bei seiner genauen Vertrautheit mit dieser Geschichts-Epoche sofort fest, aber ebenso schwankte er keinen Augenblick, die dramatische Form zu wählen. Leitete ihn schon bei diesem letzteren Entschlusse sein poetischer Instinkt, so trat derselbe noch weit mehr hervor, als er den Stoff zu sichten begann, um die passende Periode herauszufinden. Er hatte ursprünglich an die erste glorreiche und noch wenig von Greueln befleckte Epoche der Revolution gedacht, weil sich dieselbe für seine Tendenz am Besten schickte, aber je ernstlicher er sich mit seinem Plane beschäftigte, desto mehr interessirte ihn die Epoche des Schreckens und ihr Höhepunkt: der Untergang Danton's. Indem er sich für letzteren Stoff entschied, hatte bereits der Poet in ihm über den Politiker gesiegt: die Schil- derung der Zeit, wo sich die Republik selbst zerfleischte, war nicht geeignet, Propaganda für ihre Ideen zu machen. Und vollends verflüchtigten sich diese Tendenz-Gedanken, als er nun an die Ausführung ging, denn er that dies in trübster Gemüthsstimmung, verzweifelnd an dem Sieg seiner Ideale, und darum weder gewillt noch vermögend, Andere hiefür zu begeistern. Mehr als je vorher fühlte er sich "zernichtet unter dem gräßlichen Fatalismus der Geschichte" und dem Druck des eigenen Geschicks. So war der politische En- thusiasmus wohl der Motor gewesen, der ihn zu poetischer Pro- duction hingeleitet, aber er verließ ihn noch vor Beginn der Arbeit.
der Freiheit verzweifelnd, wollte er durch eine Dichtung, welche den Triumph der Republik verherrlichen ſollte, ſich und An- deren Muth einſprechen. Es war alſo nur ein Aufbäumen ſeiner trotzigen Natur, welche darnach rang, die eigene Reue und Hoffnungsloſigkeit abzuſchütteln. Daß er den Stoff aus der franzöſiſchen Revolution entnehmen müſſe, ſtand ihm bei ſeiner genauen Vertrautheit mit dieſer Geſchichts-Epoche ſofort feſt, aber ebenſo ſchwankte er keinen Augenblick, die dramatiſche Form zu wählen. Leitete ihn ſchon bei dieſem letzteren Entſchluſſe ſein poetiſcher Inſtinkt, ſo trat derſelbe noch weit mehr hervor, als er den Stoff zu ſichten begann, um die paſſende Periode herauszufinden. Er hatte urſprünglich an die erſte glorreiche und noch wenig von Greueln befleckte Epoche der Revolution gedacht, weil ſich dieſelbe für ſeine Tendenz am Beſten ſchickte, aber je ernſtlicher er ſich mit ſeinem Plane beſchäftigte, deſto mehr intereſſirte ihn die Epoche des Schreckens und ihr Höhepunkt: der Untergang Danton's. Indem er ſich für letzteren Stoff entſchied, hatte bereits der Poet in ihm über den Politiker geſiegt: die Schil- derung der Zeit, wo ſich die Republik ſelbſt zerfleiſchte, war nicht geeignet, Propaganda für ihre Ideen zu machen. Und vollends verflüchtigten ſich dieſe Tendenz-Gedanken, als er nun an die Ausführung ging, denn er that dies in trübſter Gemüthsſtimmung, verzweifelnd an dem Sieg ſeiner Ideale, und darum weder gewillt noch vermögend, Andere hiefür zu begeiſtern. Mehr als je vorher fühlte er ſich "zernichtet unter dem gräßlichen Fatalismus der Geſchichte" und dem Druck des eigenen Geſchicks. So war der politiſche En- thuſiasmus wohl der Motor geweſen, der ihn zu poetiſcher Pro- duction hingeleitet, aber er verließ ihn noch vor Beginn der Arbeit.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0170"n="CLIV"/>
der Freiheit verzweifelnd, wollte er durch eine Dichtung, welche<lb/>
den Triumph der Republik verherrlichen ſollte, ſich und An-<lb/>
deren Muth einſprechen. Es war alſo nur ein Aufbäumen<lb/>ſeiner trotzigen Natur, welche darnach rang, die eigene Reue<lb/>
und Hoffnungsloſigkeit abzuſchütteln. Daß er den Stoff<lb/>
aus der franzöſiſchen Revolution entnehmen müſſe, ſtand ihm<lb/>
bei ſeiner genauen Vertrautheit mit dieſer Geſchichts-Epoche<lb/>ſofort feſt, aber ebenſo ſchwankte er keinen Augenblick, die<lb/>
dramatiſche Form zu wählen. Leitete ihn ſchon bei dieſem<lb/>
letzteren Entſchluſſe ſein poetiſcher Inſtinkt, ſo trat derſelbe<lb/>
noch weit mehr hervor, als er den Stoff zu ſichten begann, um<lb/>
die paſſende Periode herauszufinden. Er hatte urſprünglich<lb/>
an die erſte glorreiche und noch wenig von Greueln befleckte<lb/>
Epoche der Revolution gedacht, weil ſich dieſelbe für ſeine<lb/>
Tendenz am Beſten ſchickte, aber je ernſtlicher er ſich mit<lb/>ſeinem Plane beſchäftigte, deſto mehr intereſſirte ihn die<lb/>
Epoche des Schreckens und ihr Höhepunkt: der Untergang<lb/>
Danton's. Indem er ſich für letzteren Stoff entſchied, hatte<lb/>
bereits der Poet in ihm über den Politiker geſiegt: die Schil-<lb/>
derung der Zeit, wo ſich die Republik ſelbſt zerfleiſchte, war<lb/>
nicht geeignet, Propaganda für ihre Ideen zu machen. Und<lb/>
vollends verflüchtigten ſich dieſe Tendenz-Gedanken, als er<lb/>
nun an die Ausführung ging, denn er that dies in trübſter<lb/>
Gemüthsſtimmung, verzweifelnd an dem Sieg ſeiner Ideale,<lb/>
und darum weder gewillt noch vermögend, Andere hiefür zu<lb/>
begeiſtern. Mehr als je vorher fühlte er ſich "zernichtet<lb/>
unter dem gräßlichen Fatalismus der Geſchichte" und dem<lb/>
Druck des eigenen Geſchicks. So war der politiſche En-<lb/>
thuſiasmus wohl der Motor geweſen, der ihn zu poetiſcher Pro-<lb/>
duction hingeleitet, aber er verließ ihn noch vor Beginn der Arbeit.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[CLIV/0170]
der Freiheit verzweifelnd, wollte er durch eine Dichtung, welche
den Triumph der Republik verherrlichen ſollte, ſich und An-
deren Muth einſprechen. Es war alſo nur ein Aufbäumen
ſeiner trotzigen Natur, welche darnach rang, die eigene Reue
und Hoffnungsloſigkeit abzuſchütteln. Daß er den Stoff
aus der franzöſiſchen Revolution entnehmen müſſe, ſtand ihm
bei ſeiner genauen Vertrautheit mit dieſer Geſchichts-Epoche
ſofort feſt, aber ebenſo ſchwankte er keinen Augenblick, die
dramatiſche Form zu wählen. Leitete ihn ſchon bei dieſem
letzteren Entſchluſſe ſein poetiſcher Inſtinkt, ſo trat derſelbe
noch weit mehr hervor, als er den Stoff zu ſichten begann, um
die paſſende Periode herauszufinden. Er hatte urſprünglich
an die erſte glorreiche und noch wenig von Greueln befleckte
Epoche der Revolution gedacht, weil ſich dieſelbe für ſeine
Tendenz am Beſten ſchickte, aber je ernſtlicher er ſich mit
ſeinem Plane beſchäftigte, deſto mehr intereſſirte ihn die
Epoche des Schreckens und ihr Höhepunkt: der Untergang
Danton's. Indem er ſich für letzteren Stoff entſchied, hatte
bereits der Poet in ihm über den Politiker geſiegt: die Schil-
derung der Zeit, wo ſich die Republik ſelbſt zerfleiſchte, war
nicht geeignet, Propaganda für ihre Ideen zu machen. Und
vollends verflüchtigten ſich dieſe Tendenz-Gedanken, als er
nun an die Ausführung ging, denn er that dies in trübſter
Gemüthsſtimmung, verzweifelnd an dem Sieg ſeiner Ideale,
und darum weder gewillt noch vermögend, Andere hiefür zu
begeiſtern. Mehr als je vorher fühlte er ſich "zernichtet
unter dem gräßlichen Fatalismus der Geſchichte" und dem
Druck des eigenen Geſchicks. So war der politiſche En-
thuſiasmus wohl der Motor geweſen, der ihn zu poetiſcher Pro-
duction hingeleitet, aber er verließ ihn noch vor Beginn der Arbeit.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. CLIV. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/170>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.