eines Morgens -- am 2. Februar -- durch die Nachricht aufgeschreckt, daß einige Freunde, mit denen er noch Nachts vorher in jenem Häuschen beisammen gewesen, soeben ver- haftet worden. Erst diese Hiobspost brach seinen Trotz; in maßloser Aufregung suchte er eiligst die einzelnen Mitglieder auf und mahnte sie zu äußerster Vorsicht. Die Vollver- sammlungen wurden eingestellt, die Waffen in einem Keller vergraben. Damit noch nicht beruhigt, beschwor Büchner die anderen Vorstände der Gesellschaft, Koch, Kahlert und Niever- gelter, zu flüchten. Die beiden Letzteren vermochten diesem Rathe zu folgen und verließen Darmstadt in der ersten Hälfte des Februar, Koch blieb, weil ihm das Geld zur Flucht fehlte. Derselbe Grund zwang Büchner, zu bleiben. Er selbst besaß keinerlei Mittel, unter den Gesinnungsgenossen war Niemand, der sie ihm hätte leihen können, ein Geständ- niß an die Eltern hätte nur die Mutter trostlos gemacht, den Vater in heftigste Entrüstung versetzt, ohne zu dem ge- wünschten Resultate zu führen; Dr. Büchner war nicht der Mann, einen Schuldigen, auch wenn es sein eigen Fleisch und Blut war, den Gerichten zu entziehen. Vielleicht sei es gut so, tröstete Georg den besorgten Bruder, vielleicht sei die Flucht überflüssig, die Polizei tappe offenbar noch im Finstern, da ja auch Weidig bisher unbehelligt geblieben. Wie wenig er selbst an diese Hoffnung glaubte, bewies sein verstörtes Antlitz und die fieberhafte Aufregung, die seine Kräfte sichtlich aufrieb. Sein Auge glänzte unheimlich und war dann wieder wie erloschen; er aß fast nichts, sprach nur mühsam und fuhr zusammen wenn er angeredet wurde. Die Eltern drangen in ihn, sich Ruhe zu gönnen, er lehnte dies fast unwillig ab und saß vom frühen Morgen bis in
eines Morgens — am 2. Februar — durch die Nachricht aufgeſchreckt, daß einige Freunde, mit denen er noch Nachts vorher in jenem Häuschen beiſammen geweſen, ſoeben ver- haftet worden. Erſt dieſe Hiobspoſt brach ſeinen Trotz; in maßloſer Aufregung ſuchte er eiligſt die einzelnen Mitglieder auf und mahnte ſie zu äußerſter Vorſicht. Die Vollver- ſammlungen wurden eingeſtellt, die Waffen in einem Keller vergraben. Damit noch nicht beruhigt, beſchwor Büchner die anderen Vorſtände der Geſellſchaft, Koch, Kahlert und Niever- gelter, zu flüchten. Die beiden Letzteren vermochten dieſem Rathe zu folgen und verließen Darmſtadt in der erſten Hälfte des Februar, Koch blieb, weil ihm das Geld zur Flucht fehlte. Derſelbe Grund zwang Büchner, zu bleiben. Er ſelbſt beſaß keinerlei Mittel, unter den Geſinnungsgenoſſen war Niemand, der ſie ihm hätte leihen können, ein Geſtänd- niß an die Eltern hätte nur die Mutter troſtlos gemacht, den Vater in heftigſte Entrüſtung verſetzt, ohne zu dem ge- wünſchten Reſultate zu führen; Dr. Büchner war nicht der Mann, einen Schuldigen, auch wenn es ſein eigen Fleiſch und Blut war, den Gerichten zu entziehen. Vielleicht ſei es gut ſo, tröſtete Georg den beſorgten Bruder, vielleicht ſei die Flucht überflüſſig, die Polizei tappe offenbar noch im Finſtern, da ja auch Weidig bisher unbehelligt geblieben. Wie wenig er ſelbſt an dieſe Hoffnung glaubte, bewies ſein verſtörtes Antlitz und die fieberhafte Aufregung, die ſeine Kräfte ſichtlich aufrieb. Sein Auge glänzte unheimlich und war dann wieder wie erloſchen; er aß faſt nichts, ſprach nur mühſam und fuhr zuſammen wenn er angeredet wurde. Die Eltern drangen in ihn, ſich Ruhe zu gönnen, er lehnte dies faſt unwillig ab und ſaß vom frühen Morgen bis in
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[CLVII/0173]
eines Morgens — am 2. Februar — durch die Nachricht
aufgeſchreckt, daß einige Freunde, mit denen er noch Nachts
vorher in jenem Häuschen beiſammen geweſen, ſoeben ver-
haftet worden. Erſt dieſe Hiobspoſt brach ſeinen Trotz; in
maßloſer Aufregung ſuchte er eiligſt die einzelnen Mitglieder
auf und mahnte ſie zu äußerſter Vorſicht. Die Vollver-
ſammlungen wurden eingeſtellt, die Waffen in einem Keller
vergraben. Damit noch nicht beruhigt, beſchwor Büchner die
anderen Vorſtände der Geſellſchaft, Koch, Kahlert und Niever-
gelter, zu flüchten. Die beiden Letzteren vermochten dieſem
Rathe zu folgen und verließen Darmſtadt in der erſten Hälfte
des Februar, Koch blieb, weil ihm das Geld zur Flucht
fehlte. Derſelbe Grund zwang Büchner, zu bleiben. Er
ſelbſt beſaß keinerlei Mittel, unter den Geſinnungsgenoſſen
war Niemand, der ſie ihm hätte leihen können, ein Geſtänd-
niß an die Eltern hätte nur die Mutter troſtlos gemacht,
den Vater in heftigſte Entrüſtung verſetzt, ohne zu dem ge-
wünſchten Reſultate zu führen; Dr. Büchner war nicht der
Mann, einen Schuldigen, auch wenn es ſein eigen Fleiſch
und Blut war, den Gerichten zu entziehen. Vielleicht ſei
es gut ſo, tröſtete Georg den beſorgten Bruder, vielleicht ſei
die Flucht überflüſſig, die Polizei tappe offenbar noch im
Finſtern, da ja auch Weidig bisher unbehelligt geblieben.
Wie wenig er ſelbſt an dieſe Hoffnung glaubte, bewies ſein
verſtörtes Antlitz und die fieberhafte Aufregung, die ſeine
Kräfte ſichtlich aufrieb. Sein Auge glänzte unheimlich und
war dann wieder wie erloſchen; er aß faſt nichts, ſprach
nur mühſam und fuhr zuſammen wenn er angeredet wurde.
Die Eltern drangen in ihn, ſich Ruhe zu gönnen, er lehnte
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Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. CLVII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/173>, abgerufen am 27.11.2024.
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