"In den letzten Tagen des Februars 1835", berichtet derselbe im "Frankfurter Telegraph", Nr. 42 vom Juni 1837, "dieses für die Geschichte unserer neueren schönen Literatur so stürmischen Jahres, war es, als ich einen Kreis von älteren und jüngeren Kunstgenossen und Wahrheitsfreunden bei mir sah. Wir wollten einen Autor feiern, der bei seiner Durchreise durch Frankfurt a. M. nach Literaten-Art das Handwerk begrüßte. Kurz vor Versammlung der Erwarteten erhielt ich aus Darmstadt ein Manuscript nebst einem Brief, dessen wunderlicher und ängstlicher Inhalt mich reizte, in ersterem zu blättern. Es war ein Drama: "Danton's Tod". Man sah es der Production an, mit welcher Eile sie hingeworfen war. Es war ein zufällig er- griffener Stoff, dessen künstlerische Durchführung der Dichter abgehetzt hatte. Die Szenen, die Worte folgten sich rapid und ungestüm. Es war die ängstliche Sprache eines Ver- folgten, der schnell noch etwas abzumachen und dann sein Heil in der Flucht zu suchen hat. Aber diese Hast hinderte den Genius nicht, seine außerordentliche Begabung in kurzen, scharfen Umrissen schnell, im Fluge an die Wand zu schreiben. Die ersten Szenen die ich gelesen, sicherten ihm die gefällige, freundliche Theilnahme des Buchhändlers Sauerländer noch an jenem Abend selbst. Die Vorlesung einer Auswahl von Szenen, obschon von diesem oder jenem mit der Bemerkung, dies oder das stände im Thiers, unterbrochen, erregte Be- wunderung vor dem Talent des jugendlichen Verfassers".
So hatte sich Büchners Hoffnung erfüllt; Gutzkow schloß mit dem Verleger einen Vertrag, wonach dieser gegen Be- zahlung von Hundert Gulden das Recht erwarb, zuerst ein- zelne Szenen in der von ihm verlegten Zeitschrift "Phönix"
"In den letzten Tagen des Februars 1835", berichtet derſelbe im "Frankfurter Telegraph", Nr. 42 vom Juni 1837, "dieſes für die Geſchichte unſerer neueren ſchönen Literatur ſo ſtürmiſchen Jahres, war es, als ich einen Kreis von älteren und jüngeren Kunſtgenoſſen und Wahrheitsfreunden bei mir ſah. Wir wollten einen Autor feiern, der bei ſeiner Durchreiſe durch Frankfurt a. M. nach Literaten-Art das Handwerk begrüßte. Kurz vor Verſammlung der Erwarteten erhielt ich aus Darmſtadt ein Manuſcript nebſt einem Brief, deſſen wunderlicher und ängſtlicher Inhalt mich reizte, in erſterem zu blättern. Es war ein Drama: "Danton's Tod". Man ſah es der Production an, mit welcher Eile ſie hingeworfen war. Es war ein zufällig er- griffener Stoff, deſſen künſtleriſche Durchführung der Dichter abgehetzt hatte. Die Szenen, die Worte folgten ſich rapid und ungeſtüm. Es war die ängſtliche Sprache eines Ver- folgten, der ſchnell noch etwas abzumachen und dann ſein Heil in der Flucht zu ſuchen hat. Aber dieſe Haſt hinderte den Genius nicht, ſeine außerordentliche Begabung in kurzen, ſcharfen Umriſſen ſchnell, im Fluge an die Wand zu ſchreiben. Die erſten Szenen die ich geleſen, ſicherten ihm die gefällige, freundliche Theilnahme des Buchhändlers Sauerländer noch an jenem Abend ſelbſt. Die Vorleſung einer Auswahl von Szenen, obſchon von dieſem oder jenem mit der Bemerkung, dies oder das ſtände im Thiers, unterbrochen, erregte Be- wunderung vor dem Talent des jugendlichen Verfaſſers".
So hatte ſich Büchners Hoffnung erfüllt; Gutzkow ſchloß mit dem Verleger einen Vertrag, wonach dieſer gegen Be- zahlung von Hundert Gulden das Recht erwarb, zuerſt ein- zelne Szenen in der von ihm verlegten Zeitſchrift "Phönix"
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0180"n="CLXIV"/><p>"In den letzten Tagen des Februars 1835", berichtet<lb/>
derſelbe im "Frankfurter Telegraph", Nr. 42 vom Juni<lb/>
1837, "dieſes für die Geſchichte unſerer neueren ſchönen<lb/>
Literatur ſo ſtürmiſchen Jahres, war es, als ich einen Kreis<lb/>
von älteren und jüngeren Kunſtgenoſſen und Wahrheitsfreunden<lb/>
bei mir ſah. Wir wollten einen Autor feiern, der bei ſeiner<lb/>
Durchreiſe durch Frankfurt a. M. nach Literaten-Art das<lb/>
Handwerk begrüßte. Kurz vor Verſammlung der Erwarteten<lb/>
erhielt ich aus Darmſtadt ein Manuſcript nebſt einem<lb/>
Brief, deſſen wunderlicher und ängſtlicher Inhalt mich<lb/>
reizte, in erſterem zu blättern. Es war ein Drama:<lb/>
"Danton's Tod". Man ſah es der Production an, mit<lb/>
welcher Eile ſie hingeworfen war. Es war ein zufällig er-<lb/>
griffener Stoff, deſſen künſtleriſche Durchführung der Dichter<lb/>
abgehetzt hatte. Die Szenen, die Worte folgten ſich rapid<lb/>
und ungeſtüm. Es war die ängſtliche Sprache eines Ver-<lb/>
folgten, der ſchnell noch etwas abzumachen und dann ſein<lb/>
Heil in der Flucht zu ſuchen hat. Aber dieſe Haſt hinderte<lb/>
den Genius nicht, ſeine außerordentliche Begabung in kurzen,<lb/>ſcharfen Umriſſen ſchnell, im Fluge an die Wand zu ſchreiben.<lb/>
Die erſten Szenen die ich geleſen, ſicherten ihm die gefällige,<lb/>
freundliche Theilnahme des Buchhändlers Sauerländer noch<lb/>
an jenem Abend ſelbſt. Die Vorleſung einer Auswahl von<lb/>
Szenen, obſchon von dieſem oder jenem mit der Bemerkung,<lb/>
dies oder das ſtände im Thiers, unterbrochen, erregte Be-<lb/>
wunderung vor dem Talent des jugendlichen Verfaſſers".</p><lb/><p>So hatte ſich Büchners Hoffnung erfüllt; Gutzkow ſchloß<lb/>
mit dem Verleger einen Vertrag, wonach dieſer gegen Be-<lb/>
zahlung von Hundert Gulden das Recht erwarb, zuerſt ein-<lb/>
zelne Szenen in der von ihm verlegten Zeitſchrift "Phönix"<lb/></p></div></body></text></TEI>
[CLXIV/0180]
"In den letzten Tagen des Februars 1835", berichtet
derſelbe im "Frankfurter Telegraph", Nr. 42 vom Juni
1837, "dieſes für die Geſchichte unſerer neueren ſchönen
Literatur ſo ſtürmiſchen Jahres, war es, als ich einen Kreis
von älteren und jüngeren Kunſtgenoſſen und Wahrheitsfreunden
bei mir ſah. Wir wollten einen Autor feiern, der bei ſeiner
Durchreiſe durch Frankfurt a. M. nach Literaten-Art das
Handwerk begrüßte. Kurz vor Verſammlung der Erwarteten
erhielt ich aus Darmſtadt ein Manuſcript nebſt einem
Brief, deſſen wunderlicher und ängſtlicher Inhalt mich
reizte, in erſterem zu blättern. Es war ein Drama:
"Danton's Tod". Man ſah es der Production an, mit
welcher Eile ſie hingeworfen war. Es war ein zufällig er-
griffener Stoff, deſſen künſtleriſche Durchführung der Dichter
abgehetzt hatte. Die Szenen, die Worte folgten ſich rapid
und ungeſtüm. Es war die ängſtliche Sprache eines Ver-
folgten, der ſchnell noch etwas abzumachen und dann ſein
Heil in der Flucht zu ſuchen hat. Aber dieſe Haſt hinderte
den Genius nicht, ſeine außerordentliche Begabung in kurzen,
ſcharfen Umriſſen ſchnell, im Fluge an die Wand zu ſchreiben.
Die erſten Szenen die ich geleſen, ſicherten ihm die gefällige,
freundliche Theilnahme des Buchhändlers Sauerländer noch
an jenem Abend ſelbſt. Die Vorleſung einer Auswahl von
Szenen, obſchon von dieſem oder jenem mit der Bemerkung,
dies oder das ſtände im Thiers, unterbrochen, erregte Be-
wunderung vor dem Talent des jugendlichen Verfaſſers".
So hatte ſich Büchners Hoffnung erfüllt; Gutzkow ſchloß
mit dem Verleger einen Vertrag, wonach dieſer gegen Be-
zahlung von Hundert Gulden das Recht erwarb, zuerſt ein-
zelne Szenen in der von ihm verlegten Zeitſchrift "Phönix"
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. CLXIV. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/180>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.