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Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879.

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durch freigewordene Zeit benutzte er, um sowohl seinen ana-
tomischen Cursus bis zu Ende vorzubereiten, als auch na-
mentlich zur Vervollständigung seiner philosophischen Studien.
Er präparirte, um mit zwei Fächern ausgerüstet nach Zürich
zu kommen, einen vollständigen Lehr-Cursus über "die phi-
losophischen Systeme der Deutschen seit Carte-
sius und Spinoza". In dem Nachlasse befindet sich
sowohl eine mit großer Gründlichkeit geschriebene Geschichte
und Darstellung der Systeme von Cartesius und Spinoza,
als auch eine ganz ausgearbeitete Geschichte der älteren
griechischen Philosophie. (Man vergl. S. 301-
321). Da Büchner in demselben Sommer auch dramatische
Poesien vollendete, von denen wir noch reden werden, so
beweisen diese Arbeiten einen enormen Fleiß. Seine Mutter
und Schwester, die ihn diesen Sommer in seinem Exil be-
suchten, fanden ihn zwar gesund, aber doch in einer großen
nervösen Aufgeregtheit und ermattet von den anhaltenden
geistigen Anstrengungen. Er äußerte damals oft: "Ich werde
nicht alt werden". Dennoch ließen sein angeborner Lebens-
muth und die Aussicht in eine ruhmreiche Zukunft ihn oft
sehr heiter sein. (Man vergl. den aus dieser Zeit stammen-
den Brief an Gutzkow auf S. 385-88.) --

Das Lustspiel "Leonce und Lena", das zweite
Stück der Sammlung, ist in demselben Sommer entstanden.
Die Cotta'sche Buchhandlung hatte bis zum 1. Juli 1836
einen Preis auf das beste Lustspiel ausgesetzt, und Büchner
wollte mit seiner Arbeit concurriren. Seine Trägheit im
Abschreiben des Concepts ließ ihn leider die Zeit versäumen;
er schickte das Manuscript zwei Tage zu spät und erhielt
es uneröffnet zurück. Außerdem muß er in derselben Zeit

durch freigewordene Zeit benutzte er, um ſowohl ſeinen ana-
tomiſchen Curſus bis zu Ende vorzubereiten, als auch na-
mentlich zur Vervollſtändigung ſeiner philoſophiſchen Studien.
Er präparirte, um mit zwei Fächern ausgerüſtet nach Zürich
zu kommen, einen vollſtändigen Lehr-Curſus über "die phi-
loſophiſchen Syſteme der Deutſchen ſeit Carte-
ſius und Spinoza". In dem Nachlaſſe befindet ſich
ſowohl eine mit großer Gründlichkeit geſchriebene Geſchichte
und Darſtellung der Syſteme von Carteſius und Spinoza,
als auch eine ganz ausgearbeitete Geſchichte der älteren
griechiſchen Philoſophie. (Man vergl. S. 301-
321). Da Büchner in demſelben Sommer auch dramatiſche
Poeſien vollendete, von denen wir noch reden werden, ſo
beweiſen dieſe Arbeiten einen enormen Fleiß. Seine Mutter
und Schweſter, die ihn dieſen Sommer in ſeinem Exil be-
ſuchten, fanden ihn zwar geſund, aber doch in einer großen
nervöſen Aufgeregtheit und ermattet von den anhaltenden
geiſtigen Anſtrengungen. Er äußerte damals oft: "Ich werde
nicht alt werden". Dennoch ließen ſein angeborner Lebens-
muth und die Ausſicht in eine ruhmreiche Zukunft ihn oft
ſehr heiter ſein. (Man vergl. den aus dieſer Zeit ſtammen-
den Brief an Gutzkow auf S. 385-88.) —

Das Luſtſpiel "Leonce und Lena", das zweite
Stück der Sammlung, iſt in demſelben Sommer entſtanden.
Die Cotta'ſche Buchhandlung hatte bis zum 1. Juli 1836
einen Preis auf das beſte Luſtſpiel ausgeſetzt, und Büchner
wollte mit ſeiner Arbeit concurriren. Seine Trägheit im
Abſchreiben des Concepts ließ ihn leider die Zeit verſäumen;
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[CLXXII/0188] durch freigewordene Zeit benutzte er, um ſowohl ſeinen ana- tomiſchen Curſus bis zu Ende vorzubereiten, als auch na- mentlich zur Vervollſtändigung ſeiner philoſophiſchen Studien. Er präparirte, um mit zwei Fächern ausgerüſtet nach Zürich zu kommen, einen vollſtändigen Lehr-Curſus über "die phi- loſophiſchen Syſteme der Deutſchen ſeit Carte- ſius und Spinoza". In dem Nachlaſſe befindet ſich ſowohl eine mit großer Gründlichkeit geſchriebene Geſchichte und Darſtellung der Syſteme von Carteſius und Spinoza, als auch eine ganz ausgearbeitete Geſchichte der älteren griechiſchen Philoſophie. (Man vergl. S. 301- 321). Da Büchner in demſelben Sommer auch dramatiſche Poeſien vollendete, von denen wir noch reden werden, ſo beweiſen dieſe Arbeiten einen enormen Fleiß. Seine Mutter und Schweſter, die ihn dieſen Sommer in ſeinem Exil be- ſuchten, fanden ihn zwar geſund, aber doch in einer großen nervöſen Aufgeregtheit und ermattet von den anhaltenden geiſtigen Anſtrengungen. Er äußerte damals oft: "Ich werde nicht alt werden". Dennoch ließen ſein angeborner Lebens- muth und die Ausſicht in eine ruhmreiche Zukunft ihn oft ſehr heiter ſein. (Man vergl. den aus dieſer Zeit ſtammen- den Brief an Gutzkow auf S. 385-88.) — Das Luſtſpiel "Leonce und Lena", das zweite Stück der Sammlung, iſt in demſelben Sommer entſtanden. Die Cotta'ſche Buchhandlung hatte bis zum 1. Juli 1836 einen Preis auf das beſte Luſtſpiel ausgeſetzt, und Büchner wollte mit ſeiner Arbeit concurriren. Seine Trägheit im Abſchreiben des Concepts ließ ihn leider die Zeit verſäumen; er ſchickte das Manuſcript zwei Tage zu ſpät und erhielt es uneröffnet zurück. Außerdem muß er in derſelben Zeit

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Zitationshilfe: Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. CLXXII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/188>, abgerufen am 27.11.2024.