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Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879.

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Bibliothek zur Verfügung; und Oken, nachdem der Züricher
Erziehungsrath Büchner zum Privatdocenten ernannt hatte,
empfahl die Vorlesungen desselben vom Katheder herab und
schickte seinen eigenen Sohn in dieselben. Dadurch wurde
Büchner mit Oken und dessen Familie bald sehr befreundet
und lernte in seinem Haus im Verlaufe des Winters mehrere
der bedeutendsten Männer jener Zeit kennen. Schönlein,
der damals noch in Zürich docirte, erkundigte sich bald nach
Büchner, lud denselben ein und stellte ihm seine werthvollen
Präparate zur Verfügung. Ueberhaupt wurde der junge Ge-
lehrte von allen Seiten auf das Zuvorkommendste aufge-
nommen, und man hatte sogar im Züricher Erziehungsrathe
die Absicht, für ihn eine Professur der vergleichenden Anatomie
zu creiren. Seine Vorlesung beschäftigte ihn vollauf, da es
damals in Zürich beinahe völlig an vergleichend ana-
tomischen Präparaten fehlte, und er dieselben fast alle selbst
anfertigen mußte. Er schreibt an seinen Bruder: "Ich sitze
am Tage mit dem Scalpell und die Nacht mit den Büchern".
-- Von früheren politischen Leidensgenossen fand er in Zürich
außer Schulz: Trapp, Geilfuß und Braubach. Mit Dr.
Wilhelm Schulz und dessen Frau, die ihn mit der auf-
opferndsten Sorgfalt auf seinem Krankenlager gepflegt hat,
war er namentlich aufs Innigste befreundet; ebenso mit Pro-
fessor Sell und dem damaligen Tagsatzungsgesandten Dr.
Zehnder, bei dem er wohnte.

Die Briefe aus der Zeit des Züricher Aufenthaltes sind
meist heiter und voll Zufriedenheit. Häufig fragt er in den-
selben nach den Darmstädter Gefangenen (Minnigerode,
Küchler, Gladbach und Andere), deren Untersuchungen da-
mals mit besonderer Strenge geführt wurden, und immer

Bibliothek zur Verfügung; und Oken, nachdem der Züricher
Erziehungsrath Büchner zum Privatdocenten ernannt hatte,
empfahl die Vorleſungen deſſelben vom Katheder herab und
ſchickte ſeinen eigenen Sohn in dieſelben. Dadurch wurde
Büchner mit Oken und deſſen Familie bald ſehr befreundet
und lernte in ſeinem Haus im Verlaufe des Winters mehrere
der bedeutendſten Männer jener Zeit kennen. Schönlein,
der damals noch in Zürich docirte, erkundigte ſich bald nach
Büchner, lud denſelben ein und ſtellte ihm ſeine werthvollen
Präparate zur Verfügung. Ueberhaupt wurde der junge Ge-
lehrte von allen Seiten auf das Zuvorkommendſte aufge-
nommen, und man hatte ſogar im Züricher Erziehungsrathe
die Abſicht, für ihn eine Profeſſur der vergleichenden Anatomie
zu creiren. Seine Vorleſung beſchäftigte ihn vollauf, da es
damals in Zürich beinahe völlig an vergleichend ana-
tomiſchen Präparaten fehlte, und er dieſelben faſt alle ſelbſt
anfertigen mußte. Er ſchreibt an ſeinen Bruder: "Ich ſitze
am Tage mit dem Scalpell und die Nacht mit den Büchern".
— Von früheren politiſchen Leidensgenoſſen fand er in Zürich
außer Schulz: Trapp, Geilfuß und Braubach. Mit Dr.
Wilhelm Schulz und deſſen Frau, die ihn mit der auf-
opferndſten Sorgfalt auf ſeinem Krankenlager gepflegt hat,
war er namentlich aufs Innigſte befreundet; ebenſo mit Pro-
feſſor Sell und dem damaligen Tagſatzungsgeſandten Dr.
Zehnder, bei dem er wohnte.

Die Briefe aus der Zeit des Züricher Aufenthaltes ſind
meiſt heiter und voll Zufriedenheit. Häufig fragt er in den-
ſelben nach den Darmſtädter Gefangenen (Minnigerode,
Küchler, Gladbach und Andere), deren Unterſuchungen da-
mals mit beſonderer Strenge geführt wurden, und immer

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[CLXXIV/0190] Bibliothek zur Verfügung; und Oken, nachdem der Züricher Erziehungsrath Büchner zum Privatdocenten ernannt hatte, empfahl die Vorleſungen deſſelben vom Katheder herab und ſchickte ſeinen eigenen Sohn in dieſelben. Dadurch wurde Büchner mit Oken und deſſen Familie bald ſehr befreundet und lernte in ſeinem Haus im Verlaufe des Winters mehrere der bedeutendſten Männer jener Zeit kennen. Schönlein, der damals noch in Zürich docirte, erkundigte ſich bald nach Büchner, lud denſelben ein und ſtellte ihm ſeine werthvollen Präparate zur Verfügung. Ueberhaupt wurde der junge Ge- lehrte von allen Seiten auf das Zuvorkommendſte aufge- nommen, und man hatte ſogar im Züricher Erziehungsrathe die Abſicht, für ihn eine Profeſſur der vergleichenden Anatomie zu creiren. Seine Vorleſung beſchäftigte ihn vollauf, da es damals in Zürich beinahe völlig an vergleichend ana- tomiſchen Präparaten fehlte, und er dieſelben faſt alle ſelbſt anfertigen mußte. Er ſchreibt an ſeinen Bruder: "Ich ſitze am Tage mit dem Scalpell und die Nacht mit den Büchern". — Von früheren politiſchen Leidensgenoſſen fand er in Zürich außer Schulz: Trapp, Geilfuß und Braubach. Mit Dr. Wilhelm Schulz und deſſen Frau, die ihn mit der auf- opferndſten Sorgfalt auf ſeinem Krankenlager gepflegt hat, war er namentlich aufs Innigſte befreundet; ebenſo mit Pro- feſſor Sell und dem damaligen Tagſatzungsgeſandten Dr. Zehnder, bei dem er wohnte. Die Briefe aus der Zeit des Züricher Aufenthaltes ſind meiſt heiter und voll Zufriedenheit. Häufig fragt er in den- ſelben nach den Darmſtädter Gefangenen (Minnigerode, Küchler, Gladbach und Andere), deren Unterſuchungen da- mals mit beſonderer Strenge geführt wurden, und immer

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Zitationshilfe: Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. CLXXIV. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/190>, abgerufen am 27.11.2024.