wirft die Erinnerung an seine unglücklichen Freunde, die leiden müssen, während er frei ist, einen düstern Schatten in seine sonst fröhliche Stimmung.
Was Büchner's literarisch-produktive Thätigkeit in Zürich angeht, so ist nicht mit Bestimmtheit zu sagen, ob hier etwas Neues entstanden oder nur früher Angefangenes weiter ge- führt worden ist. Kurz vor Beginn der tödtlichen Krankheit schrieb er an seine Braut, er würde "in längstens acht Ta- gen Leonce und Lena mit noch zwei anderen Dramen erscheinen lassen." (S. 378). Diese Briefstelle ist räthsel- haft, wie die früher schon angeführte. In dem Nachlasse fand sich außer Leonce und Lena und einem ziemlich weit gediehenen Fragment eines bürgerlichen Trauerspiels (man vergl. S. 201-204) Nichts von dramatischen Sachen vor. Das dritte Drama, dessen Büchner Erwähnung thut, kann nur dasselbe sein, das schon in dem angeführten Straßburger Briefe (S. 368) vorkommt, und von dem keine Spur auf- gefunden werden konnte. Es handelte, wie aus mündlichen Mittheilungen des Dichters an seine Braut hervorzugehen scheint, von dem Florentiner Pietro Aretino. -- Es ist bemerkenswerth, daß Büchner während der Fieber- delirien seiner Krankheit sich vergebens anstrengte, von etwas Mittheilung zu machen, das ihm Sorge zu machen schien. Der Tod schloß seine Zunge. * Als man unter seinen Papieren das Drama nicht fand, vermuthete man, daß jene Anstrengung zu reden sich auf dasselbe bezogen haben möchte, und ließ das Zimmer nochmals genau durchsuchen, ohne etwas zu finden.
* Auf diesen Moment beziehen sich einige, sonst unverständ- liche, Verse in Herwegh's Gedicht an Büchner.
wirft die Erinnerung an ſeine unglücklichen Freunde, die leiden müſſen, während er frei iſt, einen düſtern Schatten in ſeine ſonſt fröhliche Stimmung.
Was Büchner's literariſch-produktive Thätigkeit in Zürich angeht, ſo iſt nicht mit Beſtimmtheit zu ſagen, ob hier etwas Neues entſtanden oder nur früher Angefangenes weiter ge- führt worden iſt. Kurz vor Beginn der tödtlichen Krankheit ſchrieb er an ſeine Braut, er würde "in längſtens acht Ta- gen Leonce und Lena mit noch zwei anderen Dramen erſcheinen laſſen." (S. 378). Dieſe Briefſtelle iſt räthſel- haft, wie die früher ſchon angeführte. In dem Nachlaſſe fand ſich außer Leonce und Lena und einem ziemlich weit gediehenen Fragment eines bürgerlichen Trauerſpiels (man vergl. S. 201-204) Nichts von dramatiſchen Sachen vor. Das dritte Drama, deſſen Büchner Erwähnung thut, kann nur daſſelbe ſein, das ſchon in dem angeführten Straßburger Briefe (S. 368) vorkommt, und von dem keine Spur auf- gefunden werden konnte. Es handelte, wie aus mündlichen Mittheilungen des Dichters an ſeine Braut hervorzugehen ſcheint, von dem Florentiner Pietro Aretino. — Es iſt bemerkenswerth, daß Büchner während der Fieber- delirien ſeiner Krankheit ſich vergebens anſtrengte, von etwas Mittheilung zu machen, das ihm Sorge zu machen ſchien. Der Tod ſchloß ſeine Zunge. * Als man unter ſeinen Papieren das Drama nicht fand, vermuthete man, daß jene Anſtrengung zu reden ſich auf daſſelbe bezogen haben möchte, und ließ das Zimmer nochmals genau durchſuchen, ohne etwas zu finden.
* Auf dieſen Moment beziehen ſich einige, ſonſt unverſtänd- liche, Verſe in Herwegh's Gedicht an Büchner.
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[CLXXV/0191]
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Was Büchner's literariſch-produktive Thätigkeit in Zürich
angeht, ſo iſt nicht mit Beſtimmtheit zu ſagen, ob hier etwas
Neues entſtanden oder nur früher Angefangenes weiter ge-
führt worden iſt. Kurz vor Beginn der tödtlichen Krankheit
ſchrieb er an ſeine Braut, er würde "in längſtens acht Ta-
gen Leonce und Lena mit noch zwei anderen Dramen
erſcheinen laſſen." (S. 378). Dieſe Briefſtelle iſt räthſel-
haft, wie die früher ſchon angeführte. In dem Nachlaſſe
fand ſich außer Leonce und Lena und einem ziemlich weit
gediehenen Fragment eines bürgerlichen Trauerſpiels (man
vergl. S. 201-204) Nichts von dramatiſchen Sachen vor.
Das dritte Drama, deſſen Büchner Erwähnung thut, kann
nur daſſelbe ſein, das ſchon in dem angeführten Straßburger
Briefe (S. 368) vorkommt, und von dem keine Spur auf-
gefunden werden konnte. Es handelte, wie aus mündlichen
Mittheilungen des Dichters an ſeine Braut hervorzugehen
ſcheint, von dem Florentiner Pietro Aretino. —
Es iſt bemerkenswerth, daß Büchner während der Fieber-
delirien ſeiner Krankheit ſich vergebens anſtrengte, von etwas
Mittheilung zu machen, das ihm Sorge zu machen ſchien.
Der Tod ſchloß ſeine Zunge. * Als man unter ſeinen
Papieren das Drama nicht fand, vermuthete man, daß jene
Anſtrengung zu reden ſich auf daſſelbe bezogen haben möchte,
und ließ das Zimmer nochmals genau durchſuchen, ohne
etwas zu finden.
* Auf dieſen Moment beziehen ſich einige, ſonſt unverſtänd-
liche, Verſe in Herwegh's Gedicht an Büchner.
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Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. CLXXV. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/191>, abgerufen am 27.11.2024.
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