Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879.
zuziehen, wenn die jungen Herren nicht die Hosen bei ihr herunterließen? Du Branntweinfaß, willst du verdursten, wenn das Brünnlein zu laufen aufhört? He? -- Wir arbeiten mit allen Gliedern, warum denn nicht auch damit; ihre Mutter hat damit geschafft, als sie zur Welt kam, und es hat ihr weh gethan; kann sie für ihre Mutter nicht auch damit schaffen, he? Und thut's ihr auch weh dabei, he? Du Dummkopf! Simon. Ha, Lucretia! ein Messer; gebt mir ein Messer, Römer! Ha, Appius Claudius! Erster Bürger. Ja, ein Messer, aber nicht für die arme Hure! Was that sie? Nichts! Ihr Hunger hurt und bettelt. Ein Messer für die Leute, die das Fleisch unserer Weiber und Töchter kaufen! Weh über die, so mit den Töchtern des Volkes huren! Ihr habt Kollern im Leib, und sie haben Magendrücken; ihr habt Löcher in den Jacken, und sie haben warme Röcke; ihr habt Schwielen in den Fäusten, und sie haben Sammthände. Ergo ihr arbeitet und sie thun nichts, ergo ihr habt's erworben und sie haben's gestohlen, ergo: wenn ihr von eurem gestohlnen Eigenthum ein Paar Heller wieder haben wollt, müßt ihr huren und betteln, ergo: sie sind Spitzbuben, und man muß sie todtschlagen. Dritter Bürger. Sie haben kein Blut in den Adern, als das sie uns ausgesaugt haben. Sie haben uns gesagt: schlagt die Aristokraten todt, das sind Wölfe! Wir haben die Aristokraten an die Laterne gehenkt. Sie haben gesagt: das Veto frißt euer Brod! wir haben das Veto todtgeschlagen. Sie haben gesagt: die Girondisten hungern euch aus; wir haben die Girondisten guillotinirt. Aber sie haben die Todten
zuziehen, wenn die jungen Herren nicht die Hoſen bei ihr herunterließen? Du Branntweinfaß, willſt du verdurſten, wenn das Brünnlein zu laufen aufhört? He? — Wir arbeiten mit allen Gliedern, warum denn nicht auch damit; ihre Mutter hat damit geſchafft, als ſie zur Welt kam, und es hat ihr weh gethan; kann ſie für ihre Mutter nicht auch damit ſchaffen, he? Und thut's ihr auch weh dabei, he? Du Dummkopf! Simon. Ha, Lucretia! ein Meſſer; gebt mir ein Meſſer, Römer! Ha, Appius Claudius! Erſter Bürger. Ja, ein Meſſer, aber nicht für die arme Hure! Was that ſie? Nichts! Ihr Hunger hurt und bettelt. Ein Meſſer für die Leute, die das Fleiſch unſerer Weiber und Töchter kaufen! Weh über die, ſo mit den Töchtern des Volkes huren! Ihr habt Kollern im Leib, und ſie haben Magendrücken; ihr habt Löcher in den Jacken, und ſie haben warme Röcke; ihr habt Schwielen in den Fäuſten, und ſie haben Sammthände. Ergo ihr arbeitet und ſie thun nichts, ergo ihr habt's erworben und ſie haben's geſtohlen, ergo: wenn ihr von eurem geſtohlnen Eigenthum ein Paar Heller wieder haben wollt, müßt ihr huren und betteln, ergo: ſie ſind Spitzbuben, und man muß ſie todtſchlagen. Dritter Bürger. Sie haben kein Blut in den Adern, als das ſie uns ausgeſaugt haben. Sie haben uns geſagt: ſchlagt die Ariſtokraten todt, das ſind Wölfe! Wir haben die Ariſtokraten an die Laterne gehenkt. Sie haben geſagt: das Veto frißt euer Brod! wir haben das Veto todtgeſchlagen. Sie haben geſagt: die Girondiſten hungern euch aus; wir haben die Girondiſten guillotinirt. Aber ſie haben die Todten <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div type="act" n="3"> <div type="scene" n="4"> <sp who="#WEI"> <p><pb facs="#f0208" n="12"/> zuziehen, wenn die jungen Herren nicht die Hoſen bei ihr<lb/> herunterließen? Du Branntweinfaß, willſt du verdurſten,<lb/> wenn das Brünnlein zu laufen aufhört? He? — Wir<lb/> arbeiten mit allen Gliedern, warum denn nicht auch damit;<lb/> ihre Mutter hat damit geſchafft, als ſie zur Welt kam, und<lb/> es hat ihr weh gethan; kann ſie für ihre Mutter nicht auch<lb/> damit ſchaffen, he? Und thut's ihr auch weh dabei, he?<lb/> Du Dummkopf!</p> </sp><lb/> <sp who="#SIM"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Simon.</hi> </hi> </speaker> <p>Ha, Lucretia! ein Meſſer; gebt mir ein Meſſer,<lb/> Römer! Ha, Appius Claudius!</p> </sp><lb/> <sp who="#ERBUERG"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Erſter Bürger.</hi> </hi> </speaker> <p>Ja, ein Meſſer, aber nicht für die<lb/> arme Hure! Was that ſie? Nichts! Ihr Hunger hurt<lb/> und bettelt. Ein Meſſer für die Leute, die das Fleiſch unſerer<lb/> Weiber und Töchter kaufen! Weh über die, ſo mit den<lb/> Töchtern des Volkes huren! <hi rendition="#g">Ihr</hi> habt Kollern im Leib,<lb/> und <hi rendition="#g">ſie</hi> haben Magendrücken; <hi rendition="#g">ihr</hi> habt Löcher in den<lb/> Jacken, und <hi rendition="#g">ſie</hi> haben warme Röcke; <hi rendition="#g">ihr</hi> habt Schwielen<lb/> in den Fäuſten, und <hi rendition="#g">ſie</hi> haben Sammthände. <hi rendition="#aq">Ergo</hi> <hi rendition="#g">ihr</hi><lb/> arbeitet und <hi rendition="#g">ſie</hi> thun nichts, <hi rendition="#aq">ergo</hi> <hi rendition="#g">ihr</hi> habt's erworben und<lb/><hi rendition="#g">ſie</hi> haben's geſtohlen, <hi rendition="#aq">ergo:</hi> wenn ihr von eurem geſtohlnen<lb/> Eigenthum ein Paar Heller wieder haben wollt, müßt ihr<lb/> huren und betteln, <hi rendition="#aq">ergo:</hi> ſie ſind Spitzbuben, und man muß<lb/> ſie todtſchlagen.</p> </sp><lb/> <sp who="#DRIBUERG"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Dritter Bürger.</hi> </hi> </speaker> <p>Sie haben kein Blut in den Adern,<lb/> als das ſie uns ausgeſaugt haben. Sie haben uns geſagt:<lb/> ſchlagt die Ariſtokraten todt, das ſind Wölfe! Wir haben<lb/> die Ariſtokraten an die Laterne gehenkt. Sie haben geſagt:<lb/> das Veto frißt euer Brod! wir haben das Veto todtgeſchlagen.<lb/> Sie haben geſagt: die Girondiſten hungern euch aus; wir<lb/> haben die Girondiſten guillotinirt. Aber ſie haben die Todten<lb/></p> </sp> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [12/0208]
zuziehen, wenn die jungen Herren nicht die Hoſen bei ihr
herunterließen? Du Branntweinfaß, willſt du verdurſten,
wenn das Brünnlein zu laufen aufhört? He? — Wir
arbeiten mit allen Gliedern, warum denn nicht auch damit;
ihre Mutter hat damit geſchafft, als ſie zur Welt kam, und
es hat ihr weh gethan; kann ſie für ihre Mutter nicht auch
damit ſchaffen, he? Und thut's ihr auch weh dabei, he?
Du Dummkopf!
Simon. Ha, Lucretia! ein Meſſer; gebt mir ein Meſſer,
Römer! Ha, Appius Claudius!
Erſter Bürger. Ja, ein Meſſer, aber nicht für die
arme Hure! Was that ſie? Nichts! Ihr Hunger hurt
und bettelt. Ein Meſſer für die Leute, die das Fleiſch unſerer
Weiber und Töchter kaufen! Weh über die, ſo mit den
Töchtern des Volkes huren! Ihr habt Kollern im Leib,
und ſie haben Magendrücken; ihr habt Löcher in den
Jacken, und ſie haben warme Röcke; ihr habt Schwielen
in den Fäuſten, und ſie haben Sammthände. Ergo ihr
arbeitet und ſie thun nichts, ergo ihr habt's erworben und
ſie haben's geſtohlen, ergo: wenn ihr von eurem geſtohlnen
Eigenthum ein Paar Heller wieder haben wollt, müßt ihr
huren und betteln, ergo: ſie ſind Spitzbuben, und man muß
ſie todtſchlagen.
Dritter Bürger. Sie haben kein Blut in den Adern,
als das ſie uns ausgeſaugt haben. Sie haben uns geſagt:
ſchlagt die Ariſtokraten todt, das ſind Wölfe! Wir haben
die Ariſtokraten an die Laterne gehenkt. Sie haben geſagt:
das Veto frißt euer Brod! wir haben das Veto todtgeſchlagen.
Sie haben geſagt: die Girondiſten hungern euch aus; wir
haben die Girondiſten guillotinirt. Aber ſie haben die Todten
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