Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879.
etwas Vollkommenes was Vollkommenes schaffen? -- Ist das nicht unmöglich, weil das Geschaffene doch nie seinen Grund in sich haben kann, was doch, wie Sie sagten, zur Voll- kommenheit gehört? Chaumette. Schweigen Sie! Schweigen Sie! Payne. Beruhige dich, Philosoph. Sie haben Recht; aber, muß denn Gott einmal schaffen, kann er nur was Un- vollkommenes schaffen, so läßt er es gescheidter ganz bleiben. Ist's nicht sehr menschlich, uns Gott nur als schaffend denken zu können? Weil wir uns immer rühren und schütteln müssen, um uns nur immer sagen zu können: wir sind! müssen wir Gott auch dies elende Bedürfniß andichten? -- Müssen wir, wenn sich unser Geist in das Wesen einer har- monisch in sich ruhenden, ewigen Seligkeit versenkt, gleich annehmen, sie müsse den Finger ausstrecken und über Tisch Brodmännchen kneten, -- aus überschwenglichem Liebesbedürf- niß, wie wir uns ganz geheimnißvoll in die Ohren sagen? Müssen wir das Alles, bloß um uns zu Göttersöhnen zu machen? Ich nehme mit einem geringeren Vater vorlieb, wenigstens werde ich ihm nicht nachsagen können, daß er mich unter seinem Stande in Schweinställen oder auf den Galeeren habe erziehen lassen. -- Schafft das Unvollkommene weg; dann allein könnt ihr Gott demonstriren, Spinoza hat es versucht. Man kann das Böse leugnen, aber nicht den Schmerz, nur der Verstand kann Gott beweisen, das Gefühl empört sich dagegen. -- Merke dir es, Anaxagoras, warum leide ich? Das ist der Fels des Atheismus. Das leiseste Zucken des Schmerzes, und rege es sich nur in einem Atom, macht einen Riß in der Schöpfung von oben bis unten. Mercier. Und die Moral?
etwas Vollkommenes was Vollkommenes ſchaffen? — Iſt das nicht unmöglich, weil das Geſchaffene doch nie ſeinen Grund in ſich haben kann, was doch, wie Sie ſagten, zur Voll- kommenheit gehört? Chaumette. Schweigen Sie! Schweigen Sie! Payne. Beruhige dich, Philoſoph. Sie haben Recht; aber, muß denn Gott einmal ſchaffen, kann er nur was Un- vollkommenes ſchaffen, ſo läßt er es geſcheidter ganz bleiben. Iſt's nicht ſehr menſchlich, uns Gott nur als ſchaffend denken zu können? Weil wir uns immer rühren und ſchütteln müſſen, um uns nur immer ſagen zu können: wir ſind! müſſen wir Gott auch dies elende Bedürfniß andichten? — Müſſen wir, wenn ſich unſer Geiſt in das Weſen einer har- moniſch in ſich ruhenden, ewigen Seligkeit verſenkt, gleich annehmen, ſie müſſe den Finger ausſtrecken und über Tiſch Brodmännchen kneten, — aus überſchwenglichem Liebesbedürf- niß, wie wir uns ganz geheimnißvoll in die Ohren ſagen? Müſſen wir das Alles, bloß um uns zu Götterſöhnen zu machen? Ich nehme mit einem geringeren Vater vorlieb, wenigſtens werde ich ihm nicht nachſagen können, daß er mich unter ſeinem Stande in Schweinſtällen oder auf den Galeeren habe erziehen laſſen. — Schafft das Unvollkommene weg; dann allein könnt ihr Gott demonſtriren, Spinoza hat es verſucht. Man kann das Böſe leugnen, aber nicht den Schmerz, nur der Verſtand kann Gott beweiſen, das Gefühl empört ſich dagegen. — Merke dir es, Anaxagoras, warum leide ich? Das iſt der Fels des Atheismus. Das leiſeſte Zucken des Schmerzes, und rege es ſich nur in einem Atom, macht einen Riß in der Schöpfung von oben bis unten. Mercier. Und die Moral? <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div type="act" n="3"> <div type="scene" n="4"> <sp who="#MERCIER"> <p><pb facs="#f0255" n="59"/> etwas Vollkommenes was Vollkommenes ſchaffen? — Iſt das<lb/> nicht unmöglich, weil das Geſchaffene doch nie ſeinen Grund<lb/> in ſich haben kann, was doch, wie Sie ſagten, zur Voll-<lb/> kommenheit gehört?</p> </sp><lb/> <sp who="#CHA"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Chaumette.</hi> </hi> </speaker> <p>Schweigen Sie! Schweigen Sie!</p> </sp><lb/> <sp who="#PAY"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Payne.</hi> </hi> </speaker> <p>Beruhige dich, Philoſoph. Sie haben Recht;<lb/> aber, muß denn Gott einmal ſchaffen, kann er nur was Un-<lb/> vollkommenes ſchaffen, ſo läßt er es geſcheidter ganz bleiben.<lb/> Iſt's nicht ſehr menſchlich, uns Gott nur als ſchaffend denken<lb/> zu können? Weil wir uns immer rühren und ſchütteln<lb/> müſſen, um uns nur immer ſagen zu können: wir ſind!<lb/> müſſen wir Gott auch dies elende Bedürfniß andichten? —<lb/> Müſſen wir, wenn ſich unſer Geiſt in das Weſen einer har-<lb/> moniſch in ſich ruhenden, ewigen Seligkeit verſenkt, gleich<lb/> annehmen, ſie müſſe den Finger ausſtrecken und über Tiſch<lb/> Brodmännchen kneten, — aus überſchwenglichem Liebesbedürf-<lb/> niß, wie wir uns ganz geheimnißvoll in die Ohren ſagen?<lb/> Müſſen wir das Alles, bloß um uns zu Götterſöhnen zu<lb/> machen? Ich nehme mit einem geringeren Vater vorlieb,<lb/> wenigſtens werde ich ihm nicht nachſagen können, daß er<lb/> mich unter ſeinem Stande in Schweinſtällen oder auf den<lb/> Galeeren habe erziehen laſſen. — Schafft das Unvollkommene<lb/> weg; dann allein könnt ihr Gott demonſtriren, Spinoza hat<lb/> es verſucht. Man kann das Böſe leugnen, aber nicht den<lb/> Schmerz, nur der Verſtand kann Gott beweiſen, das Gefühl<lb/> empört ſich dagegen. — Merke dir es, Anaxagoras, warum<lb/> leide ich? Das iſt der Fels des Atheismus. Das leiſeſte<lb/> Zucken des Schmerzes, und rege es ſich nur in einem Atom,<lb/> macht einen Riß in der Schöpfung von oben bis unten.</p> </sp><lb/> <sp who="#MERCIER"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Mercier.</hi> </hi> </speaker> <p>Und die Moral?</p> </sp><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [59/0255]
etwas Vollkommenes was Vollkommenes ſchaffen? — Iſt das
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in ſich haben kann, was doch, wie Sie ſagten, zur Voll-
kommenheit gehört?
Chaumette. Schweigen Sie! Schweigen Sie!
Payne. Beruhige dich, Philoſoph. Sie haben Recht;
aber, muß denn Gott einmal ſchaffen, kann er nur was Un-
vollkommenes ſchaffen, ſo läßt er es geſcheidter ganz bleiben.
Iſt's nicht ſehr menſchlich, uns Gott nur als ſchaffend denken
zu können? Weil wir uns immer rühren und ſchütteln
müſſen, um uns nur immer ſagen zu können: wir ſind!
müſſen wir Gott auch dies elende Bedürfniß andichten? —
Müſſen wir, wenn ſich unſer Geiſt in das Weſen einer har-
moniſch in ſich ruhenden, ewigen Seligkeit verſenkt, gleich
annehmen, ſie müſſe den Finger ausſtrecken und über Tiſch
Brodmännchen kneten, — aus überſchwenglichem Liebesbedürf-
niß, wie wir uns ganz geheimnißvoll in die Ohren ſagen?
Müſſen wir das Alles, bloß um uns zu Götterſöhnen zu
machen? Ich nehme mit einem geringeren Vater vorlieb,
wenigſtens werde ich ihm nicht nachſagen können, daß er
mich unter ſeinem Stande in Schweinſtällen oder auf den
Galeeren habe erziehen laſſen. — Schafft das Unvollkommene
weg; dann allein könnt ihr Gott demonſtriren, Spinoza hat
es verſucht. Man kann das Böſe leugnen, aber nicht den
Schmerz, nur der Verſtand kann Gott beweiſen, das Gefühl
empört ſich dagegen. — Merke dir es, Anaxagoras, warum
leide ich? Das iſt der Fels des Atheismus. Das leiſeſte
Zucken des Schmerzes, und rege es ſich nur in einem Atom,
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