wohl, wie grade der Abfall des Buches, der unseren Sitten und unseren Verhältnissen geopfert werden mußte, der beste, nämlich der individuellste, der eigenthümlichste Theil des Ganzen war. Lange zweideutige Dialoge in den Volksscenen, die von Witz und Gedankenfülle sprudelten, mußten zurückbleiben Die Spitzen der Wortspiele mußten abgestumpft werden, oder durch aushelfende dumme Redensarten, die ich hinzusetzte, krumm gebogen. Der echte Danton von Büchner ist nicht erschienen. Was davon herauskam, ist ein nothdürftiger Rest, die Ruine einer Ver- wüstung, die mich Ueberwindung genug gekostet hat. An dem merkan- tilischen Titel jedoch "dramatische Bilder aus Frankreichs Schreckens- herrschaft" bin ich unschuldig. Diesen setzte der Verfasser der fort- gesetzten Döring'schen Phantasiegemälde *) darauf. Verklärter Geist, hier wasche ich meine Hände in Unschuld!" --
Der Dichter erhielt sein Werk Ende Juli 1835 und mit welchen Empfindungen er es begrüßte, mag man in den Briefen an die Eltern nachlesen. Was aber den Text betrifft, so war er sehr erregt darüber, "daß die Erlaubniß, einige Aenderungen machen zu dürfen, allzusehr benützt worden. Fast auf jeder Seite weggelassen, zu- gesetzt, und fast immer auf die dem Ganzen nachtheiligste Weise. Manchmal ist der Sinn ganz entstellt oder ganz und gar weg und fast glatter Unsinn steht an der Stelle. Außerdem wimmelt das Buch von den abscheulichsten Druckfehlern. Man hat mir keine Correcturbogen zugeschickt. Der Titel ist abgeschmackt und mein Name steht darauf, was ich ausdrücklich verboten hatte; er steht außerdem nicht auf dem Titel meines Manuscripts. Außerdem hat mir der Corrector einige Gemeinheiten in den Mund gelegt, die ich in meinem Leben nicht gesagt haben würde." ...
Mag Manches in diesen Vorwürfen übertrieben und nur eben durch die nervöse Aufregung des jungen Autors, der sich zum ersten Male gedruckt sieht, hervorgerufen sein -- im Allgemeinen hat Büchner nicht Unrecht. Nur darf man darum nicht Gutzkow an- klagen, sondern die Censur, welche ihn zu solchem Vorgehen zwang und wohl noch andere und täppische Hände, die gleichfalls an dem
*) Eduard Duller, der von 1835 ab das bis dahin von Döring herausgegebene Album "Phantasiegemälde" (Frankfurt, Sauerländer) redigirte.
7 *
wohl, wie grade der Abfall des Buches, der unſeren Sitten und unſeren Verhältniſſen geopfert werden mußte, der beſte, nämlich der individuellſte, der eigenthümlichſte Theil des Ganzen war. Lange zweideutige Dialoge in den Volksſcenen, die von Witz und Gedankenfülle ſprudelten, mußten zurückbleiben Die Spitzen der Wortſpiele mußten abgeſtumpft werden, oder durch aushelfende dumme Redensarten, die ich hinzuſetzte, krumm gebogen. Der echte Danton von Büchner iſt nicht erſchienen. Was davon herauskam, iſt ein nothdürftiger Reſt, die Ruine einer Ver- wüſtung, die mich Ueberwindung genug gekoſtet hat. An dem merkan- tiliſchen Titel jedoch "dramatiſche Bilder aus Frankreichs Schreckens- herrſchaft" bin ich unſchuldig. Dieſen ſetzte der Verfaſſer der fort- geſetzten Döring'ſchen Phantaſiegemälde *) darauf. Verklärter Geiſt, hier waſche ich meine Hände in Unſchuld!" —
Der Dichter erhielt ſein Werk Ende Juli 1835 und mit welchen Empfindungen er es begrüßte, mag man in den Briefen an die Eltern nachleſen. Was aber den Text betrifft, ſo war er ſehr erregt darüber, "daß die Erlaubniß, einige Aenderungen machen zu dürfen, allzuſehr benützt worden. Faſt auf jeder Seite weggelaſſen, zu- geſetzt, und faſt immer auf die dem Ganzen nachtheiligſte Weiſe. Manchmal iſt der Sinn ganz entſtellt oder ganz und gar weg und faſt glatter Unſinn ſteht an der Stelle. Außerdem wimmelt das Buch von den abſcheulichſten Druckfehlern. Man hat mir keine Correcturbogen zugeſchickt. Der Titel iſt abgeſchmackt und mein Name ſteht darauf, was ich ausdrücklich verboten hatte; er ſteht außerdem nicht auf dem Titel meines Manuſcripts. Außerdem hat mir der Corrector einige Gemeinheiten in den Mund gelegt, die ich in meinem Leben nicht geſagt haben würde." ...
Mag Manches in dieſen Vorwürfen übertrieben und nur eben durch die nervöſe Aufregung des jungen Autors, der ſich zum erſten Male gedruckt ſieht, hervorgerufen ſein — im Allgemeinen hat Büchner nicht Unrecht. Nur darf man darum nicht Gutzkow an- klagen, ſondern die Cenſur, welche ihn zu ſolchem Vorgehen zwang und wohl noch andere und täppiſche Hände, die gleichfalls an dem
*) Eduard Duller, der von 1835 ab das bis dahin von Döring herausgegebene Album "Phantaſiegemälde" (Frankfurt, Sauerländer) redigirte.
7 *
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0295"n="99"/>
wohl, wie grade der Abfall des Buches, der unſeren Sitten und<lb/>
unſeren Verhältniſſen geopfert werden mußte, der <hirendition="#g">beſte</hi>, nämlich<lb/>
der <hirendition="#g">individuellſte</hi>, der <hirendition="#g">eigenthümlichſte</hi> Theil des Ganzen<lb/>
war. Lange zweideutige Dialoge in den Volksſcenen, die von Witz<lb/>
und Gedankenfülle ſprudelten, mußten zurückbleiben Die Spitzen<lb/>
der Wortſpiele mußten abgeſtumpft werden, oder durch aushelfende<lb/>
dumme Redensarten, die ich hinzuſetzte, krumm gebogen. <hirendition="#g">Der<lb/>
echte Danton von Büchner iſt nicht erſchienen</hi>. Was<lb/>
davon herauskam, iſt ein nothdürftiger Reſt, die Ruine einer Ver-<lb/>
wüſtung, die mich Ueberwindung genug gekoſtet hat. An dem merkan-<lb/>
tiliſchen Titel jedoch "dramatiſche Bilder aus Frankreichs Schreckens-<lb/>
herrſchaft" bin ich unſchuldig. Dieſen ſetzte der Verfaſſer der fort-<lb/>
geſetzten Döring'ſchen Phantaſiegemälde <noteplace="foot"n="*)">Eduard Duller, der von 1835 ab das bis dahin von Döring herausgegebene<lb/>
Album "Phantaſiegemälde" (Frankfurt, Sauerländer) redigirte.</note> darauf. Verklärter Geiſt,<lb/><hirendition="#g">hier</hi> waſche ich meine Hände in Unſchuld!" —</p><lb/><p>Der Dichter erhielt ſein Werk Ende Juli 1835 und mit welchen<lb/>
Empfindungen er es begrüßte, mag man in den Briefen an die<lb/>
Eltern nachleſen. Was aber den Text betrifft, ſo war er ſehr erregt<lb/>
darüber, "daß die Erlaubniß, einige Aenderungen machen zu dürfen,<lb/>
allzuſehr benützt worden. Faſt auf jeder Seite weggelaſſen, zu-<lb/>
geſetzt, und faſt immer auf die dem Ganzen nachtheiligſte Weiſe.<lb/>
Manchmal iſt der Sinn ganz entſtellt oder ganz und gar weg und<lb/>
faſt glatter Unſinn ſteht an der Stelle. Außerdem wimmelt das<lb/>
Buch von den abſcheulichſten Druckfehlern. Man hat mir keine<lb/>
Correcturbogen zugeſchickt. Der Titel iſt abgeſchmackt und mein<lb/>
Name ſteht darauf, was ich ausdrücklich verboten hatte; er ſteht<lb/>
außerdem nicht auf dem Titel meines Manuſcripts. Außerdem hat<lb/>
mir der Corrector einige Gemeinheiten in den Mund gelegt, die<lb/>
ich in meinem Leben nicht geſagt haben würde." ...</p><lb/><p>Mag Manches in dieſen Vorwürfen übertrieben und nur eben<lb/>
durch die nervöſe Aufregung des jungen Autors, der ſich zum erſten<lb/>
Male gedruckt ſieht, hervorgerufen ſein — im Allgemeinen hat<lb/>
Büchner nicht Unrecht. Nur darf man darum nicht Gutzkow an-<lb/>
klagen, ſondern die Cenſur, welche ihn zu ſolchem Vorgehen zwang<lb/>
und wohl noch andere und täppiſche Hände, die gleichfalls an dem<lb/><fwplace="bottom"type="sig">7 *</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[99/0295]
wohl, wie grade der Abfall des Buches, der unſeren Sitten und
unſeren Verhältniſſen geopfert werden mußte, der beſte, nämlich
der individuellſte, der eigenthümlichſte Theil des Ganzen
war. Lange zweideutige Dialoge in den Volksſcenen, die von Witz
und Gedankenfülle ſprudelten, mußten zurückbleiben Die Spitzen
der Wortſpiele mußten abgeſtumpft werden, oder durch aushelfende
dumme Redensarten, die ich hinzuſetzte, krumm gebogen. Der
echte Danton von Büchner iſt nicht erſchienen. Was
davon herauskam, iſt ein nothdürftiger Reſt, die Ruine einer Ver-
wüſtung, die mich Ueberwindung genug gekoſtet hat. An dem merkan-
tiliſchen Titel jedoch "dramatiſche Bilder aus Frankreichs Schreckens-
herrſchaft" bin ich unſchuldig. Dieſen ſetzte der Verfaſſer der fort-
geſetzten Döring'ſchen Phantaſiegemälde *) darauf. Verklärter Geiſt,
hier waſche ich meine Hände in Unſchuld!" —
Der Dichter erhielt ſein Werk Ende Juli 1835 und mit welchen
Empfindungen er es begrüßte, mag man in den Briefen an die
Eltern nachleſen. Was aber den Text betrifft, ſo war er ſehr erregt
darüber, "daß die Erlaubniß, einige Aenderungen machen zu dürfen,
allzuſehr benützt worden. Faſt auf jeder Seite weggelaſſen, zu-
geſetzt, und faſt immer auf die dem Ganzen nachtheiligſte Weiſe.
Manchmal iſt der Sinn ganz entſtellt oder ganz und gar weg und
faſt glatter Unſinn ſteht an der Stelle. Außerdem wimmelt das
Buch von den abſcheulichſten Druckfehlern. Man hat mir keine
Correcturbogen zugeſchickt. Der Titel iſt abgeſchmackt und mein
Name ſteht darauf, was ich ausdrücklich verboten hatte; er ſteht
außerdem nicht auf dem Titel meines Manuſcripts. Außerdem hat
mir der Corrector einige Gemeinheiten in den Mund gelegt, die
ich in meinem Leben nicht geſagt haben würde." ...
Mag Manches in dieſen Vorwürfen übertrieben und nur eben
durch die nervöſe Aufregung des jungen Autors, der ſich zum erſten
Male gedruckt ſieht, hervorgerufen ſein — im Allgemeinen hat
Büchner nicht Unrecht. Nur darf man darum nicht Gutzkow an-
klagen, ſondern die Cenſur, welche ihn zu ſolchem Vorgehen zwang
und wohl noch andere und täppiſche Hände, die gleichfalls an dem
*) Eduard Duller, der von 1835 ab das bis dahin von Döring herausgegebene
Album "Phantaſiegemälde" (Frankfurt, Sauerländer) redigirte.
7 *
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/295>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.