Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879.
Sie die Truppen anrücken! Herr Finanzminister Kreuz- spinne, ich brauche Geld! Liebe Hofdame Libelle, was macht meine theure Gemahlin Bohnenstange? Ach bester Herr Leibmedicus Cantharide, ich bin um einen Erbprinzen ver- legen. Und zu diesen köstlichen Phantasieen bekommt man gute Suppe, gutes Fleisch, gutes Brod, ein gutes Bett und das Haar umsonst geschoren -- im Narrenhaus nämlich -- während ich mit meiner gesunden Vernunft mich höchstens noch zur Beförderung der Reife auf einen Kirschbaum ver- dingen könnte, um -- nun? -- um? Leonce. Um die Kirschen durch die Löcher in deinen Hosen schamroth zu machen! Aber Edelster, dein Hand- werk, deine Profession, dein Gewerbe, dein Stand, deine Kunst? Valerio (mit Würde). Herr, ich habe die große Be- schäftigung, müßig zu gehen, ich habe eine ungemeine Fer- tigkeit im Nichtsthun, ich besitze eine ungeheure Ausdauer in der Faulheit. Keine Schwiele schändet meine Hände, der Boden hat noch keinen Tropfen von meiner Stirne getrunken, ich bin noch Jungfrau in der Arbeit, und wenn es mir nicht der Mühe zu viel wäre, würde ich mir die Mühe nehmen, Ihnen diese Verdienste weitläufiger auseinander- zusetzen. Leonce (mit komischem Enthusiasmus). Komm an meine Brust! Bist du einer von den Göttlichen, welche mühelos mit reiner Stirne durch den Schweiß und Staub über die Heerstraße des Lebens wandeln, und mit glänzenden Sohlen und blühenden Leibern gleich seligen Göttern in den Olym- pus treten? Komm! Komm!
Sie die Truppen anrücken! Herr Finanzminiſter Kreuz- ſpinne, ich brauche Geld! Liebe Hofdame Libelle, was macht meine theure Gemahlin Bohnenſtange? Ach beſter Herr Leibmedicus Cantharide, ich bin um einen Erbprinzen ver- legen. Und zu dieſen köſtlichen Phantaſieen bekommt man gute Suppe, gutes Fleiſch, gutes Brod, ein gutes Bett und das Haar umſonſt geſchoren — im Narrenhaus nämlich — während ich mit meiner geſunden Vernunft mich höchſtens noch zur Beförderung der Reife auf einen Kirſchbaum ver- dingen könnte, um — nun? — um? Leonce. Um die Kirſchen durch die Löcher in deinen Hoſen ſchamroth zu machen! Aber Edelſter, dein Hand- werk, deine Profeſſion, dein Gewerbe, dein Stand, deine Kunſt? Valerio (mit Würde). Herr, ich habe die große Be- ſchäftigung, müßig zu gehen, ich habe eine ungemeine Fer- tigkeit im Nichtsthun, ich beſitze eine ungeheure Ausdauer in der Faulheit. Keine Schwiele ſchändet meine Hände, der Boden hat noch keinen Tropfen von meiner Stirne getrunken, ich bin noch Jungfrau in der Arbeit, und wenn es mir nicht der Mühe zu viel wäre, würde ich mir die Mühe nehmen, Ihnen dieſe Verdienſte weitläufiger auseinander- zuſetzen. Leonce (mit komiſchem Enthuſiasmus). Komm an meine Bruſt! Biſt du einer von den Göttlichen, welche mühelos mit reiner Stirne durch den Schweiß und Staub über die Heerſtraße des Lebens wandeln, und mit glänzenden Sohlen und blühenden Leibern gleich ſeligen Göttern in den Olym- pus treten? Komm! Komm! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div type="act" n="3"> <div type="scene" n="4"> <sp who="#VAL"> <p><pb facs="#f0316" n="120"/> Sie die Truppen anrücken! Herr Finanzminiſter Kreuz-<lb/> ſpinne, ich brauche Geld! Liebe Hofdame Libelle, was macht<lb/> meine theure Gemahlin Bohnenſtange? Ach beſter Herr<lb/> Leibmedicus Cantharide, ich bin um einen Erbprinzen ver-<lb/> legen. Und zu dieſen köſtlichen Phantaſieen bekommt man<lb/> gute Suppe, gutes Fleiſch, gutes Brod, ein gutes Bett und<lb/> das Haar umſonſt geſchoren — im Narrenhaus nämlich —<lb/> während ich mit meiner geſunden Vernunft mich höchſtens<lb/> noch zur Beförderung der Reife auf einen Kirſchbaum ver-<lb/> dingen könnte, um — nun? — um?</p> </sp><lb/> <sp who="#LEO"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Leonce.</hi> </hi> </speaker> <p>Um die Kirſchen durch die Löcher in deinen<lb/> Hoſen ſchamroth zu machen! Aber Edelſter, dein Hand-<lb/> werk, deine Profeſſion, dein Gewerbe, dein Stand, deine<lb/> Kunſt?</p> </sp><lb/> <sp who="#VAL"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Valerio</hi> </hi> </speaker> <stage>(mit Würde).</stage> <p>Herr, ich habe die große Be-<lb/> ſchäftigung, müßig zu gehen, ich habe eine ungemeine Fer-<lb/> tigkeit im Nichtsthun, ich beſitze eine ungeheure Ausdauer in<lb/> der Faulheit. Keine Schwiele ſchändet meine Hände, der<lb/> Boden hat noch keinen Tropfen von meiner Stirne getrunken,<lb/> ich bin noch Jungfrau in der Arbeit, und wenn es mir<lb/> nicht der Mühe zu viel wäre, würde ich mir die Mühe<lb/> nehmen, Ihnen dieſe Verdienſte weitläufiger auseinander-<lb/> zuſetzen.</p> </sp><lb/> <sp who="#LEO"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Leonce</hi> </hi> </speaker> <stage>(mit komiſchem Enthuſiasmus).</stage> <p>Komm an meine<lb/> Bruſt! Biſt du einer von den Göttlichen, welche mühelos<lb/> mit reiner Stirne durch den Schweiß und Staub über die<lb/> Heerſtraße des Lebens wandeln, und mit glänzenden Sohlen<lb/> und blühenden Leibern gleich ſeligen Göttern in den Olym-<lb/> pus treten? Komm! Komm!</p> </sp><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [120/0316]
Sie die Truppen anrücken! Herr Finanzminiſter Kreuz-
ſpinne, ich brauche Geld! Liebe Hofdame Libelle, was macht
meine theure Gemahlin Bohnenſtange? Ach beſter Herr
Leibmedicus Cantharide, ich bin um einen Erbprinzen ver-
legen. Und zu dieſen köſtlichen Phantaſieen bekommt man
gute Suppe, gutes Fleiſch, gutes Brod, ein gutes Bett und
das Haar umſonſt geſchoren — im Narrenhaus nämlich —
während ich mit meiner geſunden Vernunft mich höchſtens
noch zur Beförderung der Reife auf einen Kirſchbaum ver-
dingen könnte, um — nun? — um?
Leonce. Um die Kirſchen durch die Löcher in deinen
Hoſen ſchamroth zu machen! Aber Edelſter, dein Hand-
werk, deine Profeſſion, dein Gewerbe, dein Stand, deine
Kunſt?
Valerio (mit Würde). Herr, ich habe die große Be-
ſchäftigung, müßig zu gehen, ich habe eine ungemeine Fer-
tigkeit im Nichtsthun, ich beſitze eine ungeheure Ausdauer in
der Faulheit. Keine Schwiele ſchändet meine Hände, der
Boden hat noch keinen Tropfen von meiner Stirne getrunken,
ich bin noch Jungfrau in der Arbeit, und wenn es mir
nicht der Mühe zu viel wäre, würde ich mir die Mühe
nehmen, Ihnen dieſe Verdienſte weitläufiger auseinander-
zuſetzen.
Leonce (mit komiſchem Enthuſiasmus). Komm an meine
Bruſt! Biſt du einer von den Göttlichen, welche mühelos
mit reiner Stirne durch den Schweiß und Staub über die
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pus treten? Komm! Komm!
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