Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879. Hauptmann. Laufen Sie nicht! Ein guter Mensch geht nicht so schnell. (Heftig schnaufend.) Ein guter Mensch -- ein guter -- Sie hetzen sich ja hinter dem Tod d'rein -- Sie machen mir Angst! Doctor. Ich stehle meine Zeit nicht. Hauptmann. Ein guter Mensch -- (Erwischt den Doctor beim Rock.) Herr Doctor, die Pferde machen mir ganz Angst, wenn ich denke, daß die armen Bestien zu Fuß gehen müssen. Rennen Sie nicht so, Herr Sargnagel! Rudern Sie mit dem Stock nicht so in der Luft! Sie schleifen sich ja Ihre Beine auf dem Pflaster ab. (Hält ihn fest.) Erlauben Sie, daß ich ein Menschenleben rette -- Doctor. Frau, in vier Wochen todt, cancer uteri. Habe schon zwanzig solche Patienten gehabt -- in vier Wochen -- Hauptmann. Doctor! erschrecken Sie mich nicht, es sind schon Leute am Schreck gestorben, am puren hellen Schreck! Doctor. In vier Wochen! -- Gibt ein interessantes Präparat. Hauptmann. Oh! Oh! Doctor. Und Sie selbst! Hm! aufgedunsen, fett, dicker Hals, apoplektische Constitution! Ja, Herr Haupt- mann, Sie können eine apoplexia cerebri kriegen, Sie können sie aber vielleicht nur auf der einen Seite bekommen. Ja, Sie können nur auf der einen Seite gelähmt werden oder im besten Falle nur unten! Hauptmann. Um Gottes -- Doctor. Ja! das sind so ungefähr Ihre Aussichten auf die nächsten vier Wochen! Uebrigens kann ich Sie ver- sichern, daß Sie einen von den interessanten Fällen abgeben Hauptmann. Laufen Sie nicht! Ein guter Menſch geht nicht ſo ſchnell. (Heftig ſchnaufend.) Ein guter Menſch — ein guter — Sie hetzen ſich ja hinter dem Tod d'rein — Sie machen mir Angſt! Doctor. Ich ſtehle meine Zeit nicht. Hauptmann. Ein guter Menſch — (Erwiſcht den Doctor beim Rock.) Herr Doctor, die Pferde machen mir ganz Angſt, wenn ich denke, daß die armen Beſtien zu Fuß gehen müſſen. Rennen Sie nicht ſo, Herr Sargnagel! Rudern Sie mit dem Stock nicht ſo in der Luft! Sie ſchleifen ſich ja Ihre Beine auf dem Pflaſter ab. (Hält ihn feſt.) Erlauben Sie, daß ich ein Menſchenleben rette — Doctor. Frau, in vier Wochen todt, cancer uteri. Habe ſchon zwanzig ſolche Patienten gehabt — in vier Wochen — Hauptmann. Doctor! erſchrecken Sie mich nicht, es ſind ſchon Leute am Schreck geſtorben, am puren hellen Schreck! Doctor. In vier Wochen! — Gibt ein intereſſantes Präparat. Hauptmann. Oh! Oh! Doctor. Und Sie ſelbſt! Hm! aufgedunſen, fett, dicker Hals, apoplektiſche Conſtitution! Ja, Herr Haupt- mann, Sie können eine apoplexia cerebri kriegen, Sie können ſie aber vielleicht nur auf der einen Seite bekommen. Ja, Sie können nur auf der einen Seite gelähmt werden oder im beſten Falle nur unten! Hauptmann. Um Gottes — Doctor. Ja! das ſind ſo ungefähr Ihre Ausſichten auf die nächſten vier Wochen! Uebrigens kann ich Sie ver- ſichern, daß Sie einen von den intereſſanten Fällen abgeben <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div type="scene" n="3"> <pb facs="#f0376" n="180"/> <sp who="#HAU"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Hauptmann.</hi> </hi> </speaker> <p>Laufen Sie nicht! Ein guter Menſch<lb/> geht nicht ſo ſchnell. <stage>(Heftig ſchnaufend.)</stage> Ein guter Menſch<lb/> — ein guter — Sie hetzen ſich ja hinter dem Tod d'rein<lb/> — Sie machen mir Angſt!</p> </sp><lb/> <sp who="#DOC"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Doctor.</hi> </hi> </speaker> <p>Ich ſtehle meine Zeit nicht.</p> </sp><lb/> <sp who="#HAU"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Hauptmann.</hi> </hi> </speaker> <p>Ein guter Menſch — <stage>(Erwiſcht den Doctor<lb/> beim Rock.)</stage> Herr Doctor, die Pferde machen mir ganz Angſt,<lb/> wenn ich denke, daß die armen Beſtien zu Fuß gehen müſſen.<lb/> Rennen Sie nicht ſo, Herr Sargnagel! Rudern Sie mit<lb/> dem Stock nicht ſo in der Luft! Sie ſchleifen ſich ja Ihre<lb/> Beine auf dem Pflaſter ab. <stage>(Hält ihn feſt.)</stage> Erlauben Sie,<lb/> daß ich ein Menſchenleben rette —</p> </sp><lb/> <sp who="#DOC"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Doctor.</hi> </hi> </speaker> <p>Frau, in vier Wochen todt, <hi rendition="#aq">cancer uteri.</hi> Habe<lb/> ſchon zwanzig ſolche Patienten gehabt — in vier Wochen —</p> </sp><lb/> <sp who="#HAU"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Hauptmann.</hi> </hi> </speaker> <p>Doctor! erſchrecken Sie mich nicht, es<lb/> ſind ſchon Leute am Schreck geſtorben, am puren hellen<lb/> Schreck!</p> </sp><lb/> <sp who="#DOC"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Doctor.</hi> </hi> </speaker> <p>In vier Wochen! — Gibt ein intereſſantes<lb/> Präparat.</p> </sp><lb/> <sp who="#HAU"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Hauptmann.</hi> </hi> </speaker> <p>Oh! Oh!</p> </sp><lb/> <sp who="#DOC"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Doctor.</hi> </hi> </speaker> <p>Und <hi rendition="#g">Sie</hi> ſelbſt! Hm! aufgedunſen, fett,<lb/> dicker Hals, apoplektiſche Conſtitution! Ja, Herr Haupt-<lb/> mann, Sie können eine <hi rendition="#aq">apoplexia cerebri</hi> kriegen, Sie können<lb/> ſie aber vielleicht nur auf der einen Seite bekommen. Ja,<lb/> Sie können nur auf der einen Seite gelähmt werden oder<lb/> im beſten Falle nur unten!</p> </sp><lb/> <sp who="#HAU"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Hauptmann.</hi> </hi> </speaker> <p>Um Gottes —</p> </sp><lb/> <sp who="#DOC"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Doctor.</hi> </hi> </speaker> <p>Ja! das ſind ſo ungefähr Ihre Ausſichten<lb/> auf die nächſten vier Wochen! Uebrigens kann ich Sie ver-<lb/> ſichern, daß Sie einen von den intereſſanten Fällen abgeben<lb/></p> </sp> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [180/0376]
Hauptmann. Laufen Sie nicht! Ein guter Menſch
geht nicht ſo ſchnell. (Heftig ſchnaufend.) Ein guter Menſch
— ein guter — Sie hetzen ſich ja hinter dem Tod d'rein
— Sie machen mir Angſt!
Doctor. Ich ſtehle meine Zeit nicht.
Hauptmann. Ein guter Menſch — (Erwiſcht den Doctor
beim Rock.) Herr Doctor, die Pferde machen mir ganz Angſt,
wenn ich denke, daß die armen Beſtien zu Fuß gehen müſſen.
Rennen Sie nicht ſo, Herr Sargnagel! Rudern Sie mit
dem Stock nicht ſo in der Luft! Sie ſchleifen ſich ja Ihre
Beine auf dem Pflaſter ab. (Hält ihn feſt.) Erlauben Sie,
daß ich ein Menſchenleben rette —
Doctor. Frau, in vier Wochen todt, cancer uteri. Habe
ſchon zwanzig ſolche Patienten gehabt — in vier Wochen —
Hauptmann. Doctor! erſchrecken Sie mich nicht, es
ſind ſchon Leute am Schreck geſtorben, am puren hellen
Schreck!
Doctor. In vier Wochen! — Gibt ein intereſſantes
Präparat.
Hauptmann. Oh! Oh!
Doctor. Und Sie ſelbſt! Hm! aufgedunſen, fett,
dicker Hals, apoplektiſche Conſtitution! Ja, Herr Haupt-
mann, Sie können eine apoplexia cerebri kriegen, Sie können
ſie aber vielleicht nur auf der einen Seite bekommen. Ja,
Sie können nur auf der einen Seite gelähmt werden oder
im beſten Falle nur unten!
Hauptmann. Um Gottes —
Doctor. Ja! das ſind ſo ungefähr Ihre Ausſichten
auf die nächſten vier Wochen! Uebrigens kann ich Sie ver-
ſichern, daß Sie einen von den intereſſanten Fällen abgeben
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |