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Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879.

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Wie weit sich dieser Zug durch das geistige Erbe von
Vatersseite erklären läßt, wie er sich in dem Knaben selbst
schon früh geregt, dies ist bereits erwähnt. Aber neben der
Neigung zum "Lebendigen", dem Hang zum Gegenständ-
lichen, dem Trieb zum Forschen, kurz neben den Motoren des
Verstandes haben auch jene des Gemüths zu dieser Berufs-
wahl mitgewirkt. Wer Georg Büchner gekannt, spricht von
seiner überaus innigen, schwärmerischen Liebe zur Natur, die
sich oft bis zur Andacht steigerte. Man weiß, daß die Um-
gebung Darmstadts überreich ist an prachtvollen Wäldern,
an schattigen Spaziergängen, an lohnenden Aussichtspunkten.
Hier einsam zu wandeln, das stille Leben der Natur mit
scharfen Augen zu beobachten, mit entzücktem Herzen zu ge-
nießen, ist des Jünglings höchstes Vergnügen gewesen und
der einzige Genuß, dem er sich schrankenlos hingab. Denn
von allen grobsinnlichen Vergnügungen hatte er sich mit Ekel
abgekehrt, und jene kritischen Thebaner, welche im Hinweis
auf die Cynismen seines Erstlingswerkes von "früher sitt-
licher Fäulniß" erzählen, haben gegen das Angedenken eines
reinen Menschen schwer gefrevelt. "Sein sittlicher Wandel",
berichten seine Jugendfreunde mit fast wörtlicher Ueberein-
stimmung, "war durchaus unbescholten; vor Versuchungen,
denen Andere erlagen, schützte ihn sein stolzer Sinn und der
Gedanke an die angebetete Mutter; das Gemeine stieß er
unwillig von sich; sogar jenem harmlosen Kneipenleben, in
welchem wir anderen Primaner uns für die Genüsse der
libertas academica vorbereiteten, blieb er ferne, weil ihn die
äußerliche rohe Lustigkeit anwiderte. Man muß es der
Wahrheit gemäß betheuern, daß dieser geniale, kraftvolle
Jüngling nur Sinn hatte für edlere Genüsse des Geistes

Wie weit ſich dieſer Zug durch das geiſtige Erbe von
Vatersſeite erklären läßt, wie er ſich in dem Knaben ſelbſt
ſchon früh geregt, dies iſt bereits erwähnt. Aber neben der
Neigung zum "Lebendigen", dem Hang zum Gegenſtänd-
lichen, dem Trieb zum Forſchen, kurz neben den Motoren des
Verſtandes haben auch jene des Gemüths zu dieſer Berufs-
wahl mitgewirkt. Wer Georg Büchner gekannt, ſpricht von
ſeiner überaus innigen, ſchwärmeriſchen Liebe zur Natur, die
ſich oft bis zur Andacht ſteigerte. Man weiß, daß die Um-
gebung Darmſtadts überreich iſt an prachtvollen Wäldern,
an ſchattigen Spaziergängen, an lohnenden Ausſichtspunkten.
Hier einſam zu wandeln, das ſtille Leben der Natur mit
ſcharfen Augen zu beobachten, mit entzücktem Herzen zu ge-
nießen, iſt des Jünglings höchſtes Vergnügen geweſen und
der einzige Genuß, dem er ſich ſchrankenlos hingab. Denn
von allen grobſinnlichen Vergnügungen hatte er ſich mit Ekel
abgekehrt, und jene kritiſchen Thebaner, welche im Hinweis
auf die Cynismen ſeines Erſtlingswerkes von "früher ſitt-
licher Fäulniß" erzählen, haben gegen das Angedenken eines
reinen Menſchen ſchwer gefrevelt. "Sein ſittlicher Wandel",
berichten ſeine Jugendfreunde mit faſt wörtlicher Ueberein-
ſtimmung, "war durchaus unbeſcholten; vor Verſuchungen,
denen Andere erlagen, ſchützte ihn ſein ſtolzer Sinn und der
Gedanke an die angebetete Mutter; das Gemeine ſtieß er
unwillig von ſich; ſogar jenem harmloſen Kneipenleben, in
welchem wir anderen Primaner uns für die Genüſſe der
libertas academica vorbereiteten, blieb er ferne, weil ihn die
äußerliche rohe Luſtigkeit anwiderte. Man muß es der
Wahrheit gemäß betheuern, daß dieſer geniale, kraftvolle
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[XXXIV/0050] Wie weit ſich dieſer Zug durch das geiſtige Erbe von Vatersſeite erklären läßt, wie er ſich in dem Knaben ſelbſt ſchon früh geregt, dies iſt bereits erwähnt. Aber neben der Neigung zum "Lebendigen", dem Hang zum Gegenſtänd- lichen, dem Trieb zum Forſchen, kurz neben den Motoren des Verſtandes haben auch jene des Gemüths zu dieſer Berufs- wahl mitgewirkt. Wer Georg Büchner gekannt, ſpricht von ſeiner überaus innigen, ſchwärmeriſchen Liebe zur Natur, die ſich oft bis zur Andacht ſteigerte. Man weiß, daß die Um- gebung Darmſtadts überreich iſt an prachtvollen Wäldern, an ſchattigen Spaziergängen, an lohnenden Ausſichtspunkten. Hier einſam zu wandeln, das ſtille Leben der Natur mit ſcharfen Augen zu beobachten, mit entzücktem Herzen zu ge- nießen, iſt des Jünglings höchſtes Vergnügen geweſen und der einzige Genuß, dem er ſich ſchrankenlos hingab. Denn von allen grobſinnlichen Vergnügungen hatte er ſich mit Ekel abgekehrt, und jene kritiſchen Thebaner, welche im Hinweis auf die Cynismen ſeines Erſtlingswerkes von "früher ſitt- licher Fäulniß" erzählen, haben gegen das Angedenken eines reinen Menſchen ſchwer gefrevelt. "Sein ſittlicher Wandel", berichten ſeine Jugendfreunde mit faſt wörtlicher Ueberein- ſtimmung, "war durchaus unbeſcholten; vor Verſuchungen, denen Andere erlagen, ſchützte ihn ſein ſtolzer Sinn und der Gedanke an die angebetete Mutter; das Gemeine ſtieß er unwillig von ſich; ſogar jenem harmloſen Kneipenleben, in welchem wir anderen Primaner uns für die Genüſſe der libertas academica vorbereiteten, blieb er ferne, weil ihn die äußerliche rohe Luſtigkeit anwiderte. Man muß es der Wahrheit gemäß betheuern, daß dieſer geniale, kraftvolle Jüngling nur Sinn hatte für edlere Genüſſe des Geiſtes

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Zitationshilfe: Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. XXXIV. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/50>, abgerufen am 23.11.2024.