geht aus dem Zwecke hervor, den Büchner bei dieser Arbeit ver- folgte: aus dem Studium der Quellen das nöthige Materiale zu seinen Vorträgen zusammenzutragen. Es ist nichts weiter, als eine Vorarbeit, welche sich freilich bei fernerer Behandlung als sehr werthvoll erwiesen hätte. Wie aus einigen Blättern hervorgeht, welche mit Citaten, Seitenzahlen, Schlagwörtern und abgerissenen Sätzen kreuz und quer beschrieben sind, hatte Büchner die Absicht, dieses massenhafte Materiale zunächst zu einem Cursus akademischer Vorlesungen, welche er unter dem Titel: "Kritische Geschichte der griechischen Philosophie" ankündigen wollte, zu verarbeiten, später zu einem selbstständigen Werke. An der Ausführung dieses Planes hinderte ihn zunächst der Umstand, daß er sich in Zürich nicht für Philosophie, sondern für vergleichende Anatomie habilitirte, dann sein jäher Tod.
Wie man sieht, ist die Arbeit in ihrer gegenwärtigen Gestalt nicht einmal als Leitfaden des mündlichen Vortrags, geschweige denn für den Druck bestimmt gewesen. Wenn ich gleichwohl zwei kurze Proben hieraus mittheile, so geschieht es nicht, um Büchners philo- sophische Ansichten zu illustriren. Dazu ist die ganze Arbeit nicht geeignet, geschweige denn die beiden kleinen Abschnitte. Aber es lag mir daran, hier durch Thatsachen zu beweisen, wie gründlich und gewissenhaft Büchner alle Disciplinen, denen er sich zuwandte, be- trieb, wie er sich auch in der Philosophie -- um einen trivialen, aber treffenden Ausdruck zu gebrauchen -- "nichts schenkte".
Anders verhält es sich mit den Proben aus den beiden anderen Arbeiten.
Es sind dies zwei Monographien über die verwandten Systeme des Spinoza und Cartesius. Da der Letztere der ältere Philosoph ist und Spinoza sein System in vielfacher Anlehnung an ihn auf- gebaut, so wäre zu vermuthen, daß die Arbeit Büchners über Cartesius jener über Spinoza vorangegangen. Doch ist, wie sich aus einer Bemerkung Büchners ergibt, das Entgegengesetzte der Fall. Es scheint, daß der junge Gelehrte und angehende Docent der Ansicht gewesen, daß ein Colleg über Spinoza größeres Interesse bieten werde. Darum wollte er vor Allem Materiale für diesen Cursus zusammentragen. Doch ging, wie aus inneren Gründen nicht zu
geht aus dem Zwecke hervor, den Büchner bei dieſer Arbeit ver- folgte: aus dem Studium der Quellen das nöthige Materiale zu ſeinen Vorträgen zuſammenzutragen. Es iſt nichts weiter, als eine Vorarbeit, welche ſich freilich bei fernerer Behandlung als ſehr werthvoll erwieſen hätte. Wie aus einigen Blättern hervorgeht, welche mit Citaten, Seitenzahlen, Schlagwörtern und abgeriſſenen Sätzen kreuz und quer beſchrieben ſind, hatte Büchner die Abſicht, dieſes maſſenhafte Materiale zunächſt zu einem Curſus akademiſcher Vorleſungen, welche er unter dem Titel: "Kritiſche Geſchichte der griechiſchen Philoſophie" ankündigen wollte, zu verarbeiten, ſpäter zu einem ſelbſtſtändigen Werke. An der Ausführung dieſes Planes hinderte ihn zunächſt der Umſtand, daß er ſich in Zürich nicht für Philoſophie, ſondern für vergleichende Anatomie habilitirte, dann ſein jäher Tod.
Wie man ſieht, iſt die Arbeit in ihrer gegenwärtigen Geſtalt nicht einmal als Leitfaden des mündlichen Vortrags, geſchweige denn für den Druck beſtimmt geweſen. Wenn ich gleichwohl zwei kurze Proben hieraus mittheile, ſo geſchieht es nicht, um Büchners philo- ſophiſche Anſichten zu illuſtriren. Dazu iſt die ganze Arbeit nicht geeignet, geſchweige denn die beiden kleinen Abſchnitte. Aber es lag mir daran, hier durch Thatſachen zu beweiſen, wie gründlich und gewiſſenhaft Büchner alle Disciplinen, denen er ſich zuwandte, be- trieb, wie er ſich auch in der Philoſophie — um einen trivialen, aber treffenden Ausdruck zu gebrauchen — "nichts ſchenkte".
Anders verhält es ſich mit den Proben aus den beiden anderen Arbeiten.
Es ſind dies zwei Monographien über die verwandten Syſteme des Spinoza und Carteſius. Da der Letztere der ältere Philoſoph iſt und Spinoza ſein Syſtem in vielfacher Anlehnung an ihn auf- gebaut, ſo wäre zu vermuthen, daß die Arbeit Büchners über Carteſius jener über Spinoza vorangegangen. Doch iſt, wie ſich aus einer Bemerkung Büchners ergibt, das Entgegengeſetzte der Fall. Es ſcheint, daß der junge Gelehrte und angehende Docent der Anſicht geweſen, daß ein Colleg über Spinoza größeres Intereſſe bieten werde. Darum wollte er vor Allem Materiale für dieſen Curſus zuſammentragen. Doch ging, wie aus inneren Gründen nicht zu
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geht aus dem Zwecke hervor, den Büchner bei dieſer Arbeit ver-
folgte: aus dem Studium der Quellen das nöthige Materiale zu
ſeinen Vorträgen zuſammenzutragen. Es iſt nichts weiter, als eine
Vorarbeit, welche ſich freilich bei fernerer Behandlung als ſehr
werthvoll erwieſen hätte. Wie aus einigen Blättern hervorgeht,
welche mit Citaten, Seitenzahlen, Schlagwörtern und abgeriſſenen
Sätzen kreuz und quer beſchrieben ſind, hatte Büchner die Abſicht,
dieſes maſſenhafte Materiale zunächſt zu einem Curſus akademiſcher
Vorleſungen, welche er unter dem Titel: "Kritiſche Geſchichte der
griechiſchen Philoſophie" ankündigen wollte, zu verarbeiten, ſpäter
zu einem ſelbſtſtändigen Werke. An der Ausführung dieſes Planes
hinderte ihn zunächſt der Umſtand, daß er ſich in Zürich nicht für
Philoſophie, ſondern für vergleichende Anatomie habilitirte, dann
ſein jäher Tod.
Wie man ſieht, iſt die Arbeit in ihrer gegenwärtigen Geſtalt
nicht einmal als Leitfaden des mündlichen Vortrags, geſchweige denn
für den Druck beſtimmt geweſen. Wenn ich gleichwohl zwei kurze
Proben hieraus mittheile, ſo geſchieht es nicht, um Büchners philo-
ſophiſche Anſichten zu illuſtriren. Dazu iſt die ganze Arbeit nicht
geeignet, geſchweige denn die beiden kleinen Abſchnitte. Aber es lag
mir daran, hier durch Thatſachen zu beweiſen, wie gründlich und
gewiſſenhaft Büchner alle Disciplinen, denen er ſich zuwandte, be-
trieb, wie er ſich auch in der Philoſophie — um einen trivialen,
aber treffenden Ausdruck zu gebrauchen — "nichts ſchenkte".
Anders verhält es ſich mit den Proben aus den beiden anderen
Arbeiten.
Es ſind dies zwei Monographien über die verwandten Syſteme
des Spinoza und Carteſius. Da der Letztere der ältere Philoſoph
iſt und Spinoza ſein Syſtem in vielfacher Anlehnung an ihn auf-
gebaut, ſo wäre zu vermuthen, daß die Arbeit Büchners über Carteſius
jener über Spinoza vorangegangen. Doch iſt, wie ſich aus einer
Bemerkung Büchners ergibt, das Entgegengeſetzte der Fall. Es
ſcheint, daß der junge Gelehrte und angehende Docent der Anſicht
geweſen, daß ein Colleg über Spinoza größeres Intereſſe bieten
werde. Darum wollte er vor Allem Materiale für dieſen Curſus
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Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/515>, abgerufen am 24.11.2024.
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