mit der Fahne an die Spitze des Zugs, dem ein großes Musikchor vormarschirt. So ziehen wir in die Stadt, be- gleitet von einer ungeheuren Volksmenge unter Absingung der Marseillaise und der Carmagnole; überall erschallt der Ruf: Vive la liberte! vive Romarino! a bas les ministres! a bas le juste milieu! Die Stadt selbst illuminirt, an den Fenstern schwenken die Damen ihre Tücher, und Romarino wird im Triumph bis zum Gasthof gezogen, wo ihm unser Fahnenträger die Fahne mit dem Wunsch überreicht, daß diese Trauerfahne sich bald in Polens Freiheitsfahne ver- wandeln möge. Darauf erscheint Romarino auf dem Balkon, dankt, man ruft Vivat! -- und die Comödie ist fertig. ...
2.
Straßburg, im December 1831.
..... Es sieht verzweifelt kriegerisch aus; kommt es zum Kriege, dann gibt es in Deutschland vornehmlich eine babylonische Verwirrung, und der Himmel weiß, was das Ende vom Liede sein wird. Es kann Alles gewonnen und Alles verloren werden; wenn aber die Russen über die Oder gehen, dann nehme ich den Schießprügel, und sollte ich's in Frankreich thun. Gott mag den allerdurchlauchtigsten und gesalbten Schafsköpfen gnädig sein; auf der Erde werden sie hoffentlich keine Gnade mehr finden. ....
3.
Straßburg, im Februar 1832.
.... Das einzige Interessante in politischer Beziehung ist, daß die hiesigen republikanischen Zierbengel mit rothen
mit der Fahne an die Spitze des Zugs, dem ein großes Muſikchor vormarſchirt. So ziehen wir in die Stadt, be- gleitet von einer ungeheuren Volksmenge unter Abſingung der Marſeillaiſe und der Carmagnole; überall erſchallt der Ruf: Vive la liberté! vive Romarino! à bas les ministres! à bas le juste milieu! Die Stadt ſelbſt illuminirt, an den Fenſtern ſchwenken die Damen ihre Tücher, und Romarino wird im Triumph bis zum Gaſthof gezogen, wo ihm unſer Fahnenträger die Fahne mit dem Wunſch überreicht, daß dieſe Trauerfahne ſich bald in Polens Freiheitsfahne ver- wandeln möge. Darauf erſcheint Romarino auf dem Balkon, dankt, man ruft Vivat! — und die Comödie iſt fertig. ...
2.
Straßburg, im December 1831.
..... Es ſieht verzweifelt kriegeriſch aus; kommt es zum Kriege, dann gibt es in Deutſchland vornehmlich eine babyloniſche Verwirrung, und der Himmel weiß, was das Ende vom Liede ſein wird. Es kann Alles gewonnen und Alles verloren werden; wenn aber die Ruſſen über die Oder gehen, dann nehme ich den Schießprügel, und ſollte ich's in Frankreich thun. Gott mag den allerdurchlauchtigſten und geſalbten Schafsköpfen gnädig ſein; auf der Erde werden ſie hoffentlich keine Gnade mehr finden. ....
3.
Straßburg, im Februar 1832.
.... Das einzige Intereſſante in politiſcher Beziehung iſt, daß die hieſigen republikaniſchen Zierbengel mit rothen
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mit der Fahne an die Spitze des Zugs, dem ein großes
Muſikchor vormarſchirt. So ziehen wir in die Stadt, be-
gleitet von einer ungeheuren Volksmenge unter Abſingung
der Marſeillaiſe und der Carmagnole; überall erſchallt der
Ruf: Vive la liberté! vive Romarino! à bas les ministres!
à bas le juste milieu! Die Stadt ſelbſt illuminirt, an den
Fenſtern ſchwenken die Damen ihre Tücher, und Romarino
wird im Triumph bis zum Gaſthof gezogen, wo ihm unſer
Fahnenträger die Fahne mit dem Wunſch überreicht, daß
dieſe Trauerfahne ſich bald in Polens Freiheitsfahne ver-
wandeln möge. Darauf erſcheint Romarino auf dem Balkon,
dankt, man ruft Vivat! — und die Comödie iſt fertig. ...
2.
Straßburg, im December 1831.
..... Es ſieht verzweifelt kriegeriſch aus; kommt
es zum Kriege, dann gibt es in Deutſchland vornehmlich
eine babyloniſche Verwirrung, und der Himmel weiß, was
das Ende vom Liede ſein wird. Es kann Alles gewonnen
und Alles verloren werden; wenn aber die Ruſſen über
die Oder gehen, dann nehme ich den Schießprügel, und ſollte
ich's in Frankreich thun. Gott mag den allerdurchlauchtigſten
und geſalbten Schafsköpfen gnädig ſein; auf der Erde werden
ſie hoffentlich keine Gnade mehr finden. ....
3.
Straßburg, im Februar 1832.
.... Das einzige Intereſſante in politiſcher Beziehung
iſt, daß die hieſigen republikaniſchen Zierbengel mit rothen
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Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. 326. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/522>, abgerufen am 24.11.2024.
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