man muß ihren inneren tiefen Sinn zu ergründen suchen, und dann wird man das Wahre finden. --
Ich glaubte erst dieses vorausschicken zu müssen, um bei der Behandlung eines so schwierigen Themas zu zeigen, von welchem Standpunkte man bei der Beurtheilung eines Mannes, bei der Beurtheilung eines alten Römers ausgehen müsse, um zu beweisen, daß man an einen Cato nicht den Maaß- stab unsrer Zeit anlegen, daß man seine That nicht nach neueren Grundsätzen und Ansichten beurtheilen könne.
Man hört so oft behaupten: subjectiv ist Cato zu rechtfertigen, objectiv zu verdammen, d. h. von unserm, vom christlichen Standpunkte aus ist Cato ein Ver- brecher, von seinem eigenen aus ein Held. Wie man aber diesen christlichen Standpunkt hier anwenden könne, ist mir ein Räthsel geblieben. Es ist ja doch ein ganz eigner Gedanke, einen alten Römer nach dem Katechismus kritisiren zu wollen! Denn da man die Handlungen eines Mannes nur dann zu beurtheilen vermag, wenn man sie mit seinem Charakter, seinen Grundsätzen und seiner Zeit zu- sammenstellt, so ist nur ein Standpunkt, und zwar der subjektive, zu billigen und jeder andre, zumal in diesem Falle der christliche, gänzlich zu verwerfen. So wenig als Cato Christ war, so wenig kann man die christlichen Grundsätze auf ihn anwenden wollen; er ist nur als Römer und Stoiker zu betrachten. Diesem Grundsatze gemäß werde ich alle Einwürfe, wie z. B. "es ist nicht erlaubt sich das Leben zu nehmen, das man sich nicht selbst gegeben," oder "der Selbstmord ist ein Eingriff in die Rechte Gottes" ganz und gar nicht berücksichtigen und nur die zu wieder- legen suchen, welche man Cato vom Standpunkte des
man muß ihren inneren tiefen Sinn zu ergründen ſuchen, und dann wird man das Wahre finden. —
Ich glaubte erſt dieſes vorausſchicken zu müſſen, um bei der Behandlung eines ſo ſchwierigen Themas zu zeigen, von welchem Standpunkte man bei der Beurtheilung eines Mannes, bei der Beurtheilung eines alten Römers ausgehen müſſe, um zu beweiſen, daß man an einen Cato nicht den Maaß- ſtab unſrer Zeit anlegen, daß man ſeine That nicht nach neueren Grundſätzen und Anſichten beurtheilen könne.
Man hört ſo oft behaupten: ſubjectiv iſt Cato zu rechtfertigen, objectiv zu verdammen, d. h. von unſerm, vom chriſtlichen Standpunkte aus iſt Cato ein Ver- brecher, von ſeinem eigenen aus ein Held. Wie man aber dieſen chriſtlichen Standpunkt hier anwenden könne, iſt mir ein Räthſel geblieben. Es iſt ja doch ein ganz eigner Gedanke, einen alten Römer nach dem Katechismus kritiſiren zu wollen! Denn da man die Handlungen eines Mannes nur dann zu beurtheilen vermag, wenn man ſie mit ſeinem Charakter, ſeinen Grundſätzen und ſeiner Zeit zu- ſammenſtellt, ſo iſt nur ein Standpunkt, und zwar der ſubjektive, zu billigen und jeder andre, zumal in dieſem Falle der chriſtliche, gänzlich zu verwerfen. So wenig als Cato Chriſt war, ſo wenig kann man die chriſtlichen Grundſätze auf ihn anwenden wollen; er iſt nur als Römer und Stoiker zu betrachten. Dieſem Grundſatze gemäß werde ich alle Einwürfe, wie z. B. "es iſt nicht erlaubt ſich das Leben zu nehmen, das man ſich nicht ſelbſt gegeben," oder "der Selbſtmord iſt ein Eingriff in die Rechte Gottes" ganz und gar nicht berückſichtigen und nur die zu wieder- legen ſuchen, welche man Cato vom Standpunkte des
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man muß ihren inneren tiefen Sinn zu ergründen
ſuchen, und dann wird man das Wahre finden. —
Ich glaubte erſt dieſes vorausſchicken zu müſſen, um bei
der Behandlung eines ſo ſchwierigen Themas zu zeigen, von
welchem Standpunkte man bei der Beurtheilung eines Mannes,
bei der Beurtheilung eines alten Römers ausgehen müſſe,
um zu beweiſen, daß man an einen Cato nicht den Maaß-
ſtab unſrer Zeit anlegen, daß man ſeine That nicht nach
neueren Grundſätzen und Anſichten beurtheilen könne.
Man hört ſo oft behaupten: ſubjectiv iſt Cato zu
rechtfertigen, objectiv zu verdammen, d. h. von unſerm,
vom chriſtlichen Standpunkte aus iſt Cato ein Ver-
brecher, von ſeinem eigenen aus ein Held. Wie
man aber dieſen chriſtlichen Standpunkt hier anwenden könne,
iſt mir ein Räthſel geblieben. Es iſt ja doch ein ganz
eigner Gedanke, einen alten Römer nach dem Katechismus
kritiſiren zu wollen! Denn da man die Handlungen eines
Mannes nur dann zu beurtheilen vermag, wenn man ſie mit
ſeinem Charakter, ſeinen Grundſätzen und ſeiner Zeit zu-
ſammenſtellt, ſo iſt nur ein Standpunkt, und zwar der
ſubjektive, zu billigen und jeder andre, zumal in dieſem
Falle der chriſtliche, gänzlich zu verwerfen. So wenig als
Cato Chriſt war, ſo wenig kann man die chriſtlichen
Grundſätze auf ihn anwenden wollen; er iſt nur als Römer
und Stoiker zu betrachten. Dieſem Grundſatze gemäß
werde ich alle Einwürfe, wie z. B. "es iſt nicht erlaubt ſich
das Leben zu nehmen, das man ſich nicht ſelbſt gegeben,"
oder "der Selbſtmord iſt ein Eingriff in die Rechte Gottes"
ganz und gar nicht berückſichtigen und nur die zu wieder-
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Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. 400. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/596>, abgerufen am 22.11.2024.
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