Römers aus machen könnte, wobei es nothwendig ist, vorerst eine kurze, aber getreue Schilderung seines Charakters und seiner Grundsätze zu entwerfen. --
Cato war einer der untadelhaftesten Männer, die die Geschichte uns zeigt. Er war streng, aber nicht grausam; er war bereit, Andern viel größere Fehler zu verzeihen, als sich selbst. Sein Stolz und seine Härte waren mehr die Wirkung seiner Grundsätze, als seines Temperaments. Voll unerschütterlicher Tugend, wollte er lieber tugendhaft sein als scheinen. Gerecht gegen Fremde, begeistert für sein Vaterland, nur das Wohl seiner Mitbürger, nicht ihre Gunst beachtend, erwarb er sich um so größeren Ruhm, je weniger er ihn begehrte. Seine große Seele faßte ganz die großen Gedanken: Vaterland, Ehre und Freiheit. Sein verzweifelter Kampf gegen Cäsar war die Folge seiner reinsten Ueberzeugung, sein Leben und sein Tod den Grund- sätzen der Stoiker gemäß, die da behaupten: "Die Tugend sei die wahre, von Lohn und Strafe ganz unabhängige Harmonie des Menschen mit sich selbst, die durch die Herr- schaft über die Leidenschaften erlangt werde; diese Tugend setze die höchste innere Ruhe und Erhabenheit über die Affektionen sinnlicher Lust und Unlust voraus; sie mache den Weisen nicht gefühllos, aber unverwundbar und gebe ihm eine Herrschaft über sein Leben, die auch den Selbst- mord erlaube".
Solche Gefühle und Grundsätze in der Brust, stand Cato da, wie ein Gigant unter Pygmäen, wie der Heros einer untergegangenen Heldenzeit, wie ein Riesenbau, erhaben über seine Zeit, erhaben selbst über menschliche Größe. Nur ein Mann stand ihm gegenüber. Es war Julius Cäsar.
G. Büchner's Werke. 26
Römers aus machen könnte, wobei es nothwendig iſt, vorerſt eine kurze, aber getreue Schilderung ſeines Charakters und ſeiner Grundſätze zu entwerfen. —
Cato war einer der untadelhafteſten Männer, die die Geſchichte uns zeigt. Er war ſtreng, aber nicht grauſam; er war bereit, Andern viel größere Fehler zu verzeihen, als ſich ſelbſt. Sein Stolz und ſeine Härte waren mehr die Wirkung ſeiner Grundſätze, als ſeines Temperaments. Voll unerſchütterlicher Tugend, wollte er lieber tugendhaft ſein als ſcheinen. Gerecht gegen Fremde, begeiſtert für ſein Vaterland, nur das Wohl ſeiner Mitbürger, nicht ihre Gunſt beachtend, erwarb er ſich um ſo größeren Ruhm, je weniger er ihn begehrte. Seine große Seele faßte ganz die großen Gedanken: Vaterland, Ehre und Freiheit. Sein verzweifelter Kampf gegen Cäſar war die Folge ſeiner reinſten Ueberzeugung, ſein Leben und ſein Tod den Grund- ſätzen der Stoiker gemäß, die da behaupten: "Die Tugend ſei die wahre, von Lohn und Strafe ganz unabhängige Harmonie des Menſchen mit ſich ſelbſt, die durch die Herr- ſchaft über die Leidenſchaften erlangt werde; dieſe Tugend ſetze die höchſte innere Ruhe und Erhabenheit über die Affektionen ſinnlicher Luſt und Unluſt voraus; ſie mache den Weiſen nicht gefühllos, aber unverwundbar und gebe ihm eine Herrſchaft über ſein Leben, die auch den Selbſt- mord erlaube".
Solche Gefühle und Grundſätze in der Bruſt, ſtand Cato da, wie ein Gigant unter Pygmäen, wie der Heros einer untergegangenen Heldenzeit, wie ein Rieſenbau, erhaben über ſeine Zeit, erhaben ſelbſt über menſchliche Größe. Nur ein Mann ſtand ihm gegenüber. Es war Julius Cäſar.
G. Büchner's Werke. 26
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0597"n="401"/><hirendition="#g">Römers</hi> aus machen könnte, wobei es nothwendig iſt, vorerſt<lb/>
eine kurze, aber getreue Schilderung ſeines Charakters und<lb/>ſeiner Grundſätze zu entwerfen. —</p><lb/><p><hirendition="#g">Cato</hi> war einer der untadelhafteſten Männer, die die<lb/>
Geſchichte uns zeigt. Er war ſtreng, aber nicht grauſam;<lb/>
er war bereit, Andern viel größere Fehler zu verzeihen, als<lb/>ſich ſelbſt. Sein Stolz und ſeine Härte waren mehr die<lb/>
Wirkung ſeiner Grundſätze, als ſeines Temperaments. Voll<lb/>
unerſchütterlicher Tugend, wollte er lieber tugendhaft <hirendition="#g">ſein</hi><lb/>
als <hirendition="#g">ſcheinen</hi>. Gerecht gegen Fremde, begeiſtert für ſein<lb/>
Vaterland, nur das <hirendition="#g">Wohl</hi>ſeiner Mitbürger, nicht ihre Gunſt<lb/>
beachtend, erwarb er ſich um ſo größeren Ruhm, je weniger<lb/>
er ihn begehrte. Seine große Seele faßte ganz die großen<lb/>
Gedanken: <hirendition="#g">Vaterland</hi>, <hirendition="#g">Ehre</hi> und <hirendition="#g">Freiheit</hi>. Sein<lb/>
verzweifelter Kampf gegen <hirendition="#g">Cäſar</hi> war die Folge ſeiner<lb/>
reinſten Ueberzeugung, ſein Leben und ſein Tod den Grund-<lb/>ſätzen der Stoiker gemäß, die da behaupten: "Die Tugend<lb/>ſei die wahre, von Lohn und Strafe ganz unabhängige<lb/>
Harmonie des Menſchen mit ſich ſelbſt, die durch die Herr-<lb/>ſchaft über die Leidenſchaften erlangt werde; dieſe Tugend<lb/>ſetze die höchſte innere Ruhe und Erhabenheit über die<lb/>
Affektionen ſinnlicher Luſt und Unluſt voraus; ſie mache<lb/>
den Weiſen nicht gefühllos, aber unverwundbar und gebe<lb/>
ihm eine Herrſchaft über ſein Leben, die auch den Selbſt-<lb/>
mord erlaube".</p><lb/><p>Solche Gefühle und Grundſätze in der Bruſt, ſtand<lb/><hirendition="#g">Cato</hi> da, wie ein Gigant unter Pygmäen, wie der Heros<lb/>
einer untergegangenen Heldenzeit, wie ein Rieſenbau, erhaben<lb/>
über ſeine Zeit, erhaben ſelbſt über menſchliche Größe. Nur<lb/><hirendition="#g">ein</hi> Mann ſtand ihm gegenüber. Es war <hirendition="#g">Julius Cäſar</hi>.<lb/><fwplace="bottom"type="sig">G. Büchner's Werke. 26</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[401/0597]
Römers aus machen könnte, wobei es nothwendig iſt, vorerſt
eine kurze, aber getreue Schilderung ſeines Charakters und
ſeiner Grundſätze zu entwerfen. —
Cato war einer der untadelhafteſten Männer, die die
Geſchichte uns zeigt. Er war ſtreng, aber nicht grauſam;
er war bereit, Andern viel größere Fehler zu verzeihen, als
ſich ſelbſt. Sein Stolz und ſeine Härte waren mehr die
Wirkung ſeiner Grundſätze, als ſeines Temperaments. Voll
unerſchütterlicher Tugend, wollte er lieber tugendhaft ſein
als ſcheinen. Gerecht gegen Fremde, begeiſtert für ſein
Vaterland, nur das Wohl ſeiner Mitbürger, nicht ihre Gunſt
beachtend, erwarb er ſich um ſo größeren Ruhm, je weniger
er ihn begehrte. Seine große Seele faßte ganz die großen
Gedanken: Vaterland, Ehre und Freiheit. Sein
verzweifelter Kampf gegen Cäſar war die Folge ſeiner
reinſten Ueberzeugung, ſein Leben und ſein Tod den Grund-
ſätzen der Stoiker gemäß, die da behaupten: "Die Tugend
ſei die wahre, von Lohn und Strafe ganz unabhängige
Harmonie des Menſchen mit ſich ſelbſt, die durch die Herr-
ſchaft über die Leidenſchaften erlangt werde; dieſe Tugend
ſetze die höchſte innere Ruhe und Erhabenheit über die
Affektionen ſinnlicher Luſt und Unluſt voraus; ſie mache
den Weiſen nicht gefühllos, aber unverwundbar und gebe
ihm eine Herrſchaft über ſein Leben, die auch den Selbſt-
mord erlaube".
Solche Gefühle und Grundſätze in der Bruſt, ſtand
Cato da, wie ein Gigant unter Pygmäen, wie der Heros
einer untergegangenen Heldenzeit, wie ein Rieſenbau, erhaben
über ſeine Zeit, erhaben ſelbſt über menſchliche Größe. Nur
ein Mann ſtand ihm gegenüber. Es war Julius Cäſar.
G. Büchner's Werke. 26
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. 401. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/597>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.