eines Cato!) oder gar diejenigen, welche mit dem Gemein- platz der Feigheit angezogen kommen. Ihre Widerlegung liegt schon in der bloßen Schilderung seines Charakters, der nach dem einstimmigen Zeugniß aller alten Schriftsteller so groß war, daß selbst Vellejus Paterculus von ihm sagt: homo virtuti simillimus et per omnia in- genio diis, quam hominibus, propior.
Andere, die der Wahrheit schon etwas näher kamen und auch die meisten Anhänger fanden, behaupteten, der Beweggrund zum Selbstmord sei ein unbeugsamer Stolz gewesen, der nur vom Tode sich habe wollen besiegen lassen. Wahrlich, wäre dies das wahre Motiv, so liegt schon etwas Großes und Erhabenes in dem Gedanken, mit dem Tode die Gerechtigkeit der Sache, für die man streitet, besiegeln zu wollen. Es gehört ein großer Charakter dazu, sich zu einem solchen Entschluß erheben zu können. Aber auch nicht einmal dieser Beweggrund war es -- es war ein höherer. Catos große Seele war ganz erfüllt von einem unend- lichen Gefühle für Vaterland und Freiheit, das sein ganzes Leben durchglühte. Diese beiden Dinge waren die Centralsonne, um die sich alle seine Gedanken und Hand- lungen drehten. Den Fall seines Vaterlandes hätte Cato überleben können, wenn er ein Asyl für die andere Göttin seines Lebens, für die Freiheit, gefunden hätte. Er fand es nicht. Die Welt lag in Roms Banden, alle Völker waren Sklaven, frei allein der Römer. Doch als auch dieser endlich seinem Geschicke erlag, als das Heiligthum der Gesetze zerrissen, als der Altar der Freiheit zerstört war, da war Cato der einzige unter Millionen, der einzige unter den Bewohnern einer Welt, der sich das Schwert in
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eines Cato!) oder gar diejenigen, welche mit dem Gemein- platz der Feigheit angezogen kommen. Ihre Widerlegung liegt ſchon in der bloßen Schilderung ſeines Charakters, der nach dem einſtimmigen Zeugniß aller alten Schriftſteller ſo groß war, daß ſelbſt Vellejus Paterculus von ihm ſagt: homo virtuti simillimus et per omnia in- genio diis, quam hominibus, propior.
Andere, die der Wahrheit ſchon etwas näher kamen und auch die meiſten Anhänger fanden, behaupteten, der Beweggrund zum Selbſtmord ſei ein unbeugſamer Stolz geweſen, der nur vom Tode ſich habe wollen beſiegen laſſen. Wahrlich, wäre dies das wahre Motiv, ſo liegt ſchon etwas Großes und Erhabenes in dem Gedanken, mit dem Tode die Gerechtigkeit der Sache, für die man ſtreitet, beſiegeln zu wollen. Es gehört ein großer Charakter dazu, ſich zu einem ſolchen Entſchluß erheben zu können. Aber auch nicht einmal dieſer Beweggrund war es — es war ein höherer. Catos große Seele war ganz erfüllt von einem unend- lichen Gefühle für Vaterland und Freiheit, das ſein ganzes Leben durchglühte. Dieſe beiden Dinge waren die Centralſonne, um die ſich alle ſeine Gedanken und Hand- lungen drehten. Den Fall ſeines Vaterlandes hätte Cato überleben können, wenn er ein Aſyl für die andere Göttin ſeines Lebens, für die Freiheit, gefunden hätte. Er fand es nicht. Die Welt lag in Roms Banden, alle Völker waren Sklaven, frei allein der Römer. Doch als auch dieſer endlich ſeinem Geſchicke erlag, als das Heiligthum der Geſetze zerriſſen, als der Altar der Freiheit zerſtört war, da war Cato der einzige unter Millionen, der einzige unter den Bewohnern einer Welt, der ſich das Schwert in
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Andere, die der Wahrheit ſchon etwas näher kamen
und auch die meiſten Anhänger fanden, behaupteten, der
Beweggrund zum Selbſtmord ſei ein unbeugſamer Stolz
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Wahrlich, wäre dies das wahre Motiv, ſo liegt ſchon etwas
Großes und Erhabenes in dem Gedanken, mit dem Tode
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zu wollen. Es gehört ein großer Charakter dazu, ſich zu
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einmal dieſer Beweggrund war es — es war ein höherer.
Catos große Seele war ganz erfüllt von einem unend-
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überleben können, wenn er ein Aſyl für die andere Göttin
ſeines Lebens, für die Freiheit, gefunden hätte. Er
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Völker waren Sklaven, frei allein der Römer. Doch als
auch dieſer endlich ſeinem Geſchicke erlag, als das Heiligthum
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da war Cato der einzige unter Millionen, der einzige
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Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. 403. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/599>, abgerufen am 21.11.2024.
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