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Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879.

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schwer auf's Herz, daß die gute Minna vielleicht diese Worte
für Abschiedsworte nehmen könnte, da doch die Krankheit
damals nicht im Geringsten gefährlich schien. Dies beun-
ruhigte mich sehr, und ich hatte einen traurigen Abend. Mein
Mann und seine anderen Freunde schliefen diese wie die
folgenden Nächte abwechselnd in seinem Zimmer, was ihm
lieb war.

11. Februar. Der schwache Thee, den er Morgens
genoß und die Suppen, die ich ihm selbst kochte, schmeckten
ihm recht gut; doch fiel uns eine Art Unempfindlichkeit
(Apathie) an ihm auf. Ich fragte ihn an diesem Morgen,
ob es ihm angenehm wäre, wenn ich mit meiner Arbeit mich
zu ihm setzte, was er gerne zu haben schien. Da ihm das
Sprechen schwer fiel, drückte er sich oft durch Geberden aus,
die mich zu Thränen rührten, auch weil sie mich lebhaft an
meinen verstorbenen Vater erinnerten, mit dem ich sogar in
der hohen freien Stirne einige Aehnlichkeit bei Büchner zu
entdecken glaubte. An einigen Aeußerungen, die er an diesem
Tage that, bemerkte ich, daß sein Geist nicht ganz helle war.
Wir beschlossen noch einen Arzt kommen zu lassen und zwar
Schönlein; der Kranke wollte aber nichts davon hören, da
er sich nicht so krank fühlte. Es wurde indessen jetzt jede
Nacht gewacht, was seine Freunde gerne übernahmen.

12. Februar Sonntag. Büchner erklärte endlich,
daß er Schönlein zu sprechen wünsche; dieser war aber ver-
reist; sein Assistent hatte indessen Büchner schon besucht und
sich mit den von Dr. Zehnder verordneten Mitteln ganz ein-
verstanden erklärt.

13. Februar. Die Betäubung dauerte fort; am
Tage vorher war es, wo er zum erstenmale sagte, der Kopf

ſchwer auf's Herz, daß die gute Minna vielleicht dieſe Worte
für Abſchiedsworte nehmen könnte, da doch die Krankheit
damals nicht im Geringſten gefährlich ſchien. Dies beun-
ruhigte mich ſehr, und ich hatte einen traurigen Abend. Mein
Mann und ſeine anderen Freunde ſchliefen dieſe wie die
folgenden Nächte abwechſelnd in ſeinem Zimmer, was ihm
lieb war.

11. Februar. Der ſchwache Thee, den er Morgens
genoß und die Suppen, die ich ihm ſelbſt kochte, ſchmeckten
ihm recht gut; doch fiel uns eine Art Unempfindlichkeit
(Apathie) an ihm auf. Ich fragte ihn an dieſem Morgen,
ob es ihm angenehm wäre, wenn ich mit meiner Arbeit mich
zu ihm ſetzte, was er gerne zu haben ſchien. Da ihm das
Sprechen ſchwer fiel, drückte er ſich oft durch Geberden aus,
die mich zu Thränen rührten, auch weil ſie mich lebhaft an
meinen verſtorbenen Vater erinnerten, mit dem ich ſogar in
der hohen freien Stirne einige Aehnlichkeit bei Büchner zu
entdecken glaubte. An einigen Aeußerungen, die er an dieſem
Tage that, bemerkte ich, daß ſein Geiſt nicht ganz helle war.
Wir beſchloſſen noch einen Arzt kommen zu laſſen und zwar
Schönlein; der Kranke wollte aber nichts davon hören, da
er ſich nicht ſo krank fühlte. Es wurde indeſſen jetzt jede
Nacht gewacht, was ſeine Freunde gerne übernahmen.

12. Februar Sonntag. Büchner erklärte endlich,
daß er Schönlein zu ſprechen wünſche; dieſer war aber ver-
reiſt; ſein Aſſiſtent hatte indeſſen Büchner ſchon beſucht und
ſich mit den von Dr. Zehnder verordneten Mitteln ganz ein-
verſtanden erklärt.

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[424/0620] ſchwer auf's Herz, daß die gute Minna vielleicht dieſe Worte für Abſchiedsworte nehmen könnte, da doch die Krankheit damals nicht im Geringſten gefährlich ſchien. Dies beun- ruhigte mich ſehr, und ich hatte einen traurigen Abend. Mein Mann und ſeine anderen Freunde ſchliefen dieſe wie die folgenden Nächte abwechſelnd in ſeinem Zimmer, was ihm lieb war. 11. Februar. Der ſchwache Thee, den er Morgens genoß und die Suppen, die ich ihm ſelbſt kochte, ſchmeckten ihm recht gut; doch fiel uns eine Art Unempfindlichkeit (Apathie) an ihm auf. Ich fragte ihn an dieſem Morgen, ob es ihm angenehm wäre, wenn ich mit meiner Arbeit mich zu ihm ſetzte, was er gerne zu haben ſchien. Da ihm das Sprechen ſchwer fiel, drückte er ſich oft durch Geberden aus, die mich zu Thränen rührten, auch weil ſie mich lebhaft an meinen verſtorbenen Vater erinnerten, mit dem ich ſogar in der hohen freien Stirne einige Aehnlichkeit bei Büchner zu entdecken glaubte. An einigen Aeußerungen, die er an dieſem Tage that, bemerkte ich, daß ſein Geiſt nicht ganz helle war. Wir beſchloſſen noch einen Arzt kommen zu laſſen und zwar Schönlein; der Kranke wollte aber nichts davon hören, da er ſich nicht ſo krank fühlte. Es wurde indeſſen jetzt jede Nacht gewacht, was ſeine Freunde gerne übernahmen. 12. Februar Sonntag. Büchner erklärte endlich, daß er Schönlein zu ſprechen wünſche; dieſer war aber ver- reiſt; ſein Aſſiſtent hatte indeſſen Büchner ſchon beſucht und ſich mit den von Dr. Zehnder verordneten Mitteln ganz ein- verſtanden erklärt. 13. Februar. Die Betäubung dauerte fort; am Tage vorher war es, wo er zum erſtenmale ſagte, der Kopf

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Zitationshilfe: Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. 424. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/620>, abgerufen am 24.11.2024.